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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Anhang. Anatolische Fragmente.
aus dem natürlichen Felsgestein gemeißelt worden1. Aber nicht
die gigantischen Nischen allein, fünf oder sechs an der Zahl, der
Ruheplatz einer ganzen Dynastie, wurden dem lebendigen Fels
abgerungen; in jeder dieser durch den Meißel entstandenen Grotten
ward über deren Sohle noch ein gewaltiger Felswürfel belassen,
kunstvoll behauen und innen ausgehölt, behufs Aufnahme eines
Sarkophages. Diese letzteren sind zu unbekannter Zeit ver-
schwunden; im Volksmunde aber gelten, trotz der griechischen
Inschriften, welche das Geheimniß der Grotten entsiegeln, diese
als einstige Grabkammern der Riesen Ferhads.

Es war ein Oesterreicher, der zuerst Kunde von Amasia,
der Gartenstadt brachte. Unter der Regierung Ferdinand I. gab
es in Bezug auf Siebenbürgen allerlei Streitigkeiten mit den
Paschas Suleiman I. Diese zu schlichten, entsendete der Kaiser
den Gesandten Busbek nach Constantinopel, wo er jedoch den
Sultan nicht antraf, da dieser kurz vorher mit seinem ganzen
Hofstaate nach Amasia übersiedelt war, um den Friedensschluß
mit dem Schah von Persien festlich und mit allem Pomp zu
begehen. Busbeck war demnach gezwungen, sich von Constanti-
nopel aus über Land, und zwar mit der Zwischenstation Angora,
nach dem augenblicklichen Hoflager Suleimans zu begeben, und
er war somit einer der ersten Europäer, der Klein-Asien nahezu
seiner ganzen Länge nach gekreuzt hatte. (Im Jahre 1515.) Die
Aufzeichnungen des Diplomaten, deren Originale in irgend einem
Staatsarchive modern mögen, sind interessant genug, im Ganzen
aber erstreckt sich seine Bewunderung weniger auf die Alterthümer
Amasias, als vielmehr auf den feenhaften Pomp, die rauschenden
Feierlichkeiten und die glänzenden Costüme am großherrlichen
Hoflager selbst. Drei Monate verweilte Busbeck am Hoflager
Suleimans zu Amasia, dann kehrte er, anstatt des erwünschten
Friedens, blos die Einwilligung zu einem sechsmonatlichen Waffen-
stillstand mitbringend in seine Heimat zurück, Wunderdinge be-
richtend von seiner großen Reise ins Herz Anatoliens. Seitdem
haben sich die Zeiten freilich geändert und Anfang der siebziger

1 Ansicht bei Hamilton, "Researches in Asia minor" I, (Titelblatt);
auch bei W. Ouseley, "Trav., III", und bei v. Moltke, "Briefe etc." 202--205
("Die Felsenkammern in Amasia").

Anhang. Anatoliſche Fragmente.
aus dem natürlichen Felsgeſtein gemeißelt worden1. Aber nicht
die gigantiſchen Niſchen allein, fünf oder ſechs an der Zahl, der
Ruheplatz einer ganzen Dynaſtie, wurden dem lebendigen Fels
abgerungen; in jeder dieſer durch den Meißel entſtandenen Grotten
ward über deren Sohle noch ein gewaltiger Felswürfel belaſſen,
kunſtvoll behauen und innen ausgehölt, behufs Aufnahme eines
Sarkophages. Dieſe letzteren ſind zu unbekannter Zeit ver-
ſchwunden; im Volksmunde aber gelten, trotz der griechiſchen
Inſchriften, welche das Geheimniß der Grotten entſiegeln, dieſe
als einſtige Grabkammern der Rieſen Ferhads.

Es war ein Oeſterreicher, der zuerſt Kunde von Amaſia,
der Gartenſtadt brachte. Unter der Regierung Ferdinand I. gab
es in Bezug auf Siebenbürgen allerlei Streitigkeiten mit den
Paſchas Suleiman I. Dieſe zu ſchlichten, entſendete der Kaiſer
den Geſandten Busbek nach Conſtantinopel, wo er jedoch den
Sultan nicht antraf, da dieſer kurz vorher mit ſeinem ganzen
Hofſtaate nach Amaſia überſiedelt war, um den Friedensſchluß
mit dem Schah von Perſien feſtlich und mit allem Pomp zu
begehen. Busbeck war demnach gezwungen, ſich von Conſtanti-
nopel aus über Land, und zwar mit der Zwiſchenſtation Angora,
nach dem augenblicklichen Hoflager Suleimans zu begeben, und
er war ſomit einer der erſten Europäer, der Klein-Aſien nahezu
ſeiner ganzen Länge nach gekreuzt hatte. (Im Jahre 1515.) Die
Aufzeichnungen des Diplomaten, deren Originale in irgend einem
Staatsarchive modern mögen, ſind intereſſant genug, im Ganzen
aber erſtreckt ſich ſeine Bewunderung weniger auf die Alterthümer
Amaſias, als vielmehr auf den feenhaften Pomp, die rauſchenden
Feierlichkeiten und die glänzenden Coſtüme am großherrlichen
Hoflager ſelbſt. Drei Monate verweilte Busbeck am Hoflager
Suleimans zu Amaſia, dann kehrte er, anſtatt des erwünſchten
Friedens, blos die Einwilligung zu einem ſechsmonatlichen Waffen-
ſtillſtand mitbringend in ſeine Heimat zurück, Wunderdinge be-
richtend von ſeiner großen Reiſe ins Herz Anatoliens. Seitdem
haben ſich die Zeiten freilich geändert und Anfang der ſiebziger

1 Anſicht bei Hamilton, „Researches in Asia minor“ I, (Titelblatt);
auch bei W. Ouſeley, „Trav., III“, und bei v. Moltke, „Briefe ꝛc.“ 202—205
(„Die Felſenkammern in Amaſia“).
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[196/0228] Anhang. Anatoliſche Fragmente. aus dem natürlichen Felsgeſtein gemeißelt worden 1. Aber nicht die gigantiſchen Niſchen allein, fünf oder ſechs an der Zahl, der Ruheplatz einer ganzen Dynaſtie, wurden dem lebendigen Fels abgerungen; in jeder dieſer durch den Meißel entſtandenen Grotten ward über deren Sohle noch ein gewaltiger Felswürfel belaſſen, kunſtvoll behauen und innen ausgehölt, behufs Aufnahme eines Sarkophages. Dieſe letzteren ſind zu unbekannter Zeit ver- ſchwunden; im Volksmunde aber gelten, trotz der griechiſchen Inſchriften, welche das Geheimniß der Grotten entſiegeln, dieſe als einſtige Grabkammern der Rieſen Ferhads. Es war ein Oeſterreicher, der zuerſt Kunde von Amaſia, der Gartenſtadt brachte. Unter der Regierung Ferdinand I. gab es in Bezug auf Siebenbürgen allerlei Streitigkeiten mit den Paſchas Suleiman I. Dieſe zu ſchlichten, entſendete der Kaiſer den Geſandten Busbek nach Conſtantinopel, wo er jedoch den Sultan nicht antraf, da dieſer kurz vorher mit ſeinem ganzen Hofſtaate nach Amaſia überſiedelt war, um den Friedensſchluß mit dem Schah von Perſien feſtlich und mit allem Pomp zu begehen. Busbeck war demnach gezwungen, ſich von Conſtanti- nopel aus über Land, und zwar mit der Zwiſchenſtation Angora, nach dem augenblicklichen Hoflager Suleimans zu begeben, und er war ſomit einer der erſten Europäer, der Klein-Aſien nahezu ſeiner ganzen Länge nach gekreuzt hatte. (Im Jahre 1515.) Die Aufzeichnungen des Diplomaten, deren Originale in irgend einem Staatsarchive modern mögen, ſind intereſſant genug, im Ganzen aber erſtreckt ſich ſeine Bewunderung weniger auf die Alterthümer Amaſias, als vielmehr auf den feenhaften Pomp, die rauſchenden Feierlichkeiten und die glänzenden Coſtüme am großherrlichen Hoflager ſelbſt. Drei Monate verweilte Busbeck am Hoflager Suleimans zu Amaſia, dann kehrte er, anſtatt des erwünſchten Friedens, blos die Einwilligung zu einem ſechsmonatlichen Waffen- ſtillſtand mitbringend in ſeine Heimat zurück, Wunderdinge be- richtend von ſeiner großen Reiſe ins Herz Anatoliens. Seitdem haben ſich die Zeiten freilich geändert und Anfang der ſiebziger 1 Anſicht bei Hamilton, „Researches in Asia minor“ I, (Titelblatt); auch bei W. Ouſeley, „Trav., III“, und bei v. Moltke, „Briefe ꝛc.“ 202—205 („Die Felſenkammern in Amaſia“).

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/228>, abgerufen am 24.11.2024.