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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Die Binnenfischerei.
läufen auf die Wiesen und in Seitengräben, wo sie entweder zu Grunde
gehen oder doch Nichtberechtigten zur Beute fallen; mannigfache Ab-
fallstoffe der Landwirtschaft und noch mehr der Industrie machen die
Gewässer unbewohnbar für die Fische, Stauvorrichtungen schliessen die
Fische von ihren natürlichen Laichplätzen ab u. s. w.

Dieses einseitige Vorgehen der Landwirtschaft und Industrie hat
im hohen Masse zur Verödung der Gewässer beigetragen, und der
Widerstreit zwischen den verschiedenen Interessen bedarf einer Vermitte-
lung und Ordnung von seiten des Staates. Es muss prinzipiell daran
festgehalten werden, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirt-
schaft und Industrie schwerer wiegt, als jene der Fischerei, allein ein
billiger Ausgleich zwischen beiden ist in den meisten Fällen sehr wohl
möglich.

Gegenüber der Landwirtschaft ist die Regelung im allgemeinen
verhältnismässig einfach. Um das Eintreten der Fische in die Wässe-
rungsgräben
zu verhindern und die Rückkehr der Fische, welche
bei Überflutungen auf Grundstücke von Besitzern gelangen, die nicht
fischereiberechtigt sind, in die natürlichen Wasserläufe zu ermöglichen,
ist es dem Fischereiberechtigten gestattet, entweder stets oder doch
während der Schonzeit an derartigen Gräben Rechen vorzusetzen (Baden,
Hessen, Oesterreich), anderseits dürfen keine Netze oder andere Vorrich-
tungen angebracht werden, welche die Rückkehr der Fische abschliessen.

Da die Enten, weniger die Gänse, dem Fischlaiche und der
jungen Brut sehr nachteilig sind, so ist deren Zulassung, wenigstens
während der Laichzeit, meist gewissen Beschränkungen unterworfen.

Unter den schädlichen Abwässern der Landwirtschaft steht, wenn
von den Nebenbetrieben, wie Brennereien, Zuckerfabriken u. s. w., hier ab-
gesehen wird, an nachteiligem Einflusse auf die Lebensenergie der Fische
das sog. Röstwasser von Flachs und Hanf obenan.

Das Rösten des Flachses und Hanfes darf daher meist nur in be-
sonderen Gräben oder höchstens in geschlossenen Gewässern vorgenom-
men werden. Das Rösten in fliessendem Wasser ist untersagt u. a. in
Preussen, Bayern, Baden, Hessen.

Zum Zwecke der Ausübung der Fischerei muss der Berechtigte in
der Lage sein, die Ufergrundstücke betreten zu dürfen. Dieses
Uferbetretungsrecht ist nicht allgemein gesetzlich anerkannt, die neueren
Fischereigesetze (Württemberg, Baden, Hessen, österreichische Kronländer
u. s. w.) haben es ausdrücklich geregelt; der Fischereiberechtigte bleibt
selbstverständlich für den von ihm verursachten Schaden haftbar.

Ungleich schwieriger ist es, einen Ausgleich zwischen den Inter-
essen der Industrie und jenen der Fischerei zu finden.

Die Abwässer der Fabriken verunreinigen und veröden die Gewässer
in rasch zunehmender Progression. Zu beklagen ist es namentlich, dass

I. Abschnitt. Die Binnenfischerei.
läufen auf die Wiesen und in Seitengräben, wo sie entweder zu Grunde
gehen oder doch Nichtberechtigten zur Beute fallen; mannigfache Ab-
fallstoffe der Landwirtschaft und noch mehr der Industrie machen die
Gewässer unbewohnbar für die Fische, Stauvorrichtungen schlieſsen die
Fische von ihren natürlichen Laichplätzen ab u. s. w.

Dieses einseitige Vorgehen der Landwirtschaft und Industrie hat
im hohen Maſse zur Verödung der Gewässer beigetragen, und der
Widerstreit zwischen den verschiedenen Interessen bedarf einer Vermitte-
lung und Ordnung von seiten des Staates. Es muſs prinzipiell daran
festgehalten werden, daſs die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirt-
schaft und Industrie schwerer wiegt, als jene der Fischerei, allein ein
billiger Ausgleich zwischen beiden ist in den meisten Fällen sehr wohl
möglich.

Gegenüber der Landwirtschaft ist die Regelung im allgemeinen
verhältnismäſsig einfach. Um das Eintreten der Fische in die Wässe-
rungsgräben
zu verhindern und die Rückkehr der Fische, welche
bei Überflutungen auf Grundstücke von Besitzern gelangen, die nicht
fischereiberechtigt sind, in die natürlichen Wasserläufe zu ermöglichen,
ist es dem Fischereiberechtigten gestattet, entweder stets oder doch
während der Schonzeit an derartigen Gräben Rechen vorzusetzen (Baden,
Hessen, Oesterreich), anderseits dürfen keine Netze oder andere Vorrich-
tungen angebracht werden, welche die Rückkehr der Fische abschlieſsen.

Da die Enten, weniger die Gänse, dem Fischlaiche und der
jungen Brut sehr nachteilig sind, so ist deren Zulassung, wenigstens
während der Laichzeit, meist gewissen Beschränkungen unterworfen.

Unter den schädlichen Abwässern der Landwirtschaft steht, wenn
von den Nebenbetrieben, wie Brennereien, Zuckerfabriken u. s. w., hier ab-
gesehen wird, an nachteiligem Einflusse auf die Lebensenergie der Fische
das sog. Röstwasser von Flachs und Hanf obenan.

Das Rösten des Flachses und Hanfes darf daher meist nur in be-
sonderen Gräben oder höchstens in geschlossenen Gewässern vorgenom-
men werden. Das Rösten in flieſsendem Wasser ist untersagt u. a. in
Preuſsen, Bayern, Baden, Hessen.

Zum Zwecke der Ausübung der Fischerei muſs der Berechtigte in
der Lage sein, die Ufergrundstücke betreten zu dürfen. Dieses
Uferbetretungsrecht ist nicht allgemein gesetzlich anerkannt, die neueren
Fischereigesetze (Württemberg, Baden, Hessen, österreichische Kronländer
u. s. w.) haben es ausdrücklich geregelt; der Fischereiberechtigte bleibt
selbstverständlich für den von ihm verursachten Schaden haftbar.

Ungleich schwieriger ist es, einen Ausgleich zwischen den Inter-
essen der Industrie und jenen der Fischerei zu finden.

Die Abwässer der Fabriken verunreinigen und veröden die Gewässer
in rasch zunehmender Progression. Zu beklagen ist es namentlich, daſs

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[348/0366] I. Abschnitt. Die Binnenfischerei. läufen auf die Wiesen und in Seitengräben, wo sie entweder zu Grunde gehen oder doch Nichtberechtigten zur Beute fallen; mannigfache Ab- fallstoffe der Landwirtschaft und noch mehr der Industrie machen die Gewässer unbewohnbar für die Fische, Stauvorrichtungen schlieſsen die Fische von ihren natürlichen Laichplätzen ab u. s. w. Dieses einseitige Vorgehen der Landwirtschaft und Industrie hat im hohen Maſse zur Verödung der Gewässer beigetragen, und der Widerstreit zwischen den verschiedenen Interessen bedarf einer Vermitte- lung und Ordnung von seiten des Staates. Es muſs prinzipiell daran festgehalten werden, daſs die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirt- schaft und Industrie schwerer wiegt, als jene der Fischerei, allein ein billiger Ausgleich zwischen beiden ist in den meisten Fällen sehr wohl möglich. Gegenüber der Landwirtschaft ist die Regelung im allgemeinen verhältnismäſsig einfach. Um das Eintreten der Fische in die Wässe- rungsgräben zu verhindern und die Rückkehr der Fische, welche bei Überflutungen auf Grundstücke von Besitzern gelangen, die nicht fischereiberechtigt sind, in die natürlichen Wasserläufe zu ermöglichen, ist es dem Fischereiberechtigten gestattet, entweder stets oder doch während der Schonzeit an derartigen Gräben Rechen vorzusetzen (Baden, Hessen, Oesterreich), anderseits dürfen keine Netze oder andere Vorrich- tungen angebracht werden, welche die Rückkehr der Fische abschlieſsen. Da die Enten, weniger die Gänse, dem Fischlaiche und der jungen Brut sehr nachteilig sind, so ist deren Zulassung, wenigstens während der Laichzeit, meist gewissen Beschränkungen unterworfen. Unter den schädlichen Abwässern der Landwirtschaft steht, wenn von den Nebenbetrieben, wie Brennereien, Zuckerfabriken u. s. w., hier ab- gesehen wird, an nachteiligem Einflusse auf die Lebensenergie der Fische das sog. Röstwasser von Flachs und Hanf obenan. Das Rösten des Flachses und Hanfes darf daher meist nur in be- sonderen Gräben oder höchstens in geschlossenen Gewässern vorgenom- men werden. Das Rösten in flieſsendem Wasser ist untersagt u. a. in Preuſsen, Bayern, Baden, Hessen. Zum Zwecke der Ausübung der Fischerei muſs der Berechtigte in der Lage sein, die Ufergrundstücke betreten zu dürfen. Dieses Uferbetretungsrecht ist nicht allgemein gesetzlich anerkannt, die neueren Fischereigesetze (Württemberg, Baden, Hessen, österreichische Kronländer u. s. w.) haben es ausdrücklich geregelt; der Fischereiberechtigte bleibt selbstverständlich für den von ihm verursachten Schaden haftbar. Ungleich schwieriger ist es, einen Ausgleich zwischen den Inter- essen der Industrie und jenen der Fischerei zu finden. Die Abwässer der Fabriken verunreinigen und veröden die Gewässer in rasch zunehmender Progression. Zu beklagen ist es namentlich, daſs

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/366>, abgerufen am 02.05.2024.