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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Die Binnenfischerei.
mittel- und norddeutschen Staaten; von den österreichischen Kronlän-
dern hat nur Mähren das System der absoluten Schonzeit eingeführt,
während ausserdem überall jenes der Individualschonzeit adoptiert
worden ist.

Ersteres geht von der Thatsache aus, dass innerhalb eines Fluss-
laufes nicht überall die gleichen Fischarten vorkommen, sondern die
für den menschlichen Gebrauch sich eignenden Fische nur in bestimmten
Abschnitten sich aufhalten, so z. B. die Forelle im Oberlaufe, die
karpfenartigen Fische im unteren Laufe. Man teilt hiernach die grossen
Flussläufe nach den für dieselben typischen Arten in drei Regionen,
nämlich:

a) Die Region der Forelle. Dieselbe umfasst namentlich Bäche und
kleinere Flüsse mit starker Strömung, steinigem und tiefem Grunde.
Hierher kommen auch die Lachse, See- und Meerforellen zum Laichen.

b) Die Region der Barbe. Sie findet sich in grösseren Flüssen
mit tiefem Wasser und starker Strömung, in denen steiniger und kiesiger
Grund vorherrscht, aber stellenweise auch sandiger und schlammiger
Grund vorkommt.

c) Die Region der Karpfen und Bleie in grösseren tieferen
Flüssen bei schwächerer Strömung mit sandigem, schlammigem und
torfigem Grunde. In stagnierenden Teilen kommen Schleien und Ka-
rauschen vor.

Die wichtigsten Fische der einzelnen Regionen haben nun eine sehr
verschiedene Laichzeit. Die Salmoniden laichen vom Oktober bis zum
Januar, Hechte, Äsche, Huchen, Zander im März und April, Karpfen,
Schleie, Barbe endlich im Mai und Juni.

Da eine scharfe Grenze zwischen den einzelnen Abschnitten nicht
gezogen werden kann und eine zu weit gehende, d. h. alle Fischarten
vollständig berücksichtigende Schonzeit die Interessen der Fischerei zu
sehr beeinträchtigen würde, so hat man von einer speziellen Schonzeit
für die Barbenregion überhaupt abgesehen und sog. mittlere Schon-
zeiten, welche nur je zwei Monate umfassen, eingeführt. Die Gewässer
werden hiernach eingeteilt in solche mit Herbst- oder Winterschon-
zeit
(15. Oktober bis 14. Dezember) und solche mit Frühjahrsschon-
zeit
(10. April bis 9. Juni).

In der Praxis stösst jedoch dieses System auf grosse Schwierigkeiten
und ist durch so viele Ausnahmen und Konzessionen in einer Weise
durchlöchert, dass thatsächlich wenigstens von der Frühjahrsschonzeit
fast nichts mehr übrig bleibt.

Eine grosse Schwierigkeit, welche schon erwähnt wurde, besteht
darin, dass eine scharfe Scheidung zwischen den Gebieten der Winter-
und Frühjahrslaicher nicht besteht, sondern auf weite Strecken hin ein
allmählicher Übergang stattfindet, hier also beide Gattungen neben-

I. Abschnitt. Die Binnenfischerei.
mittel- und norddeutschen Staaten; von den österreichischen Kronlän-
dern hat nur Mähren das System der absoluten Schonzeit eingeführt,
während auſserdem überall jenes der Individualschonzeit adoptiert
worden ist.

Ersteres geht von der Thatsache aus, daſs innerhalb eines Fluſs-
laufes nicht überall die gleichen Fischarten vorkommen, sondern die
für den menschlichen Gebrauch sich eignenden Fische nur in bestimmten
Abschnitten sich aufhalten, so z. B. die Forelle im Oberlaufe, die
karpfenartigen Fische im unteren Laufe. Man teilt hiernach die groſsen
Fluſsläufe nach den für dieselben typischen Arten in drei Regionen,
nämlich:

a) Die Region der Forelle. Dieselbe umfaſst namentlich Bäche und
kleinere Flüsse mit starker Strömung, steinigem und tiefem Grunde.
Hierher kommen auch die Lachse, See- und Meerforellen zum Laichen.

b) Die Region der Barbe. Sie findet sich in gröſseren Flüssen
mit tiefem Wasser und starker Strömung, in denen steiniger und kiesiger
Grund vorherrscht, aber stellenweise auch sandiger und schlammiger
Grund vorkommt.

c) Die Region der Karpfen und Bleie in gröſseren tieferen
Flüssen bei schwächerer Strömung mit sandigem, schlammigem und
torfigem Grunde. In stagnierenden Teilen kommen Schleien und Ka-
rauschen vor.

Die wichtigsten Fische der einzelnen Regionen haben nun eine sehr
verschiedene Laichzeit. Die Salmoniden laichen vom Oktober bis zum
Januar, Hechte, Äsche, Huchen, Zander im März und April, Karpfen,
Schleie, Barbe endlich im Mai und Juni.

Da eine scharfe Grenze zwischen den einzelnen Abschnitten nicht
gezogen werden kann und eine zu weit gehende, d. h. alle Fischarten
vollständig berücksichtigende Schonzeit die Interessen der Fischerei zu
sehr beeinträchtigen würde, so hat man von einer speziellen Schonzeit
für die Barbenregion überhaupt abgesehen und sog. mittlere Schon-
zeiten, welche nur je zwei Monate umfassen, eingeführt. Die Gewässer
werden hiernach eingeteilt in solche mit Herbst- oder Winterschon-
zeit
(15. Oktober bis 14. Dezember) und solche mit Frühjahrsschon-
zeit
(10. April bis 9. Juni).

In der Praxis stöſst jedoch dieses System auf groſse Schwierigkeiten
und ist durch so viele Ausnahmen und Konzessionen in einer Weise
durchlöchert, daſs thatsächlich wenigstens von der Frühjahrsschonzeit
fast nichts mehr übrig bleibt.

Eine groſse Schwierigkeit, welche schon erwähnt wurde, besteht
darin, daſs eine scharfe Scheidung zwischen den Gebieten der Winter-
und Frühjahrslaicher nicht besteht, sondern auf weite Strecken hin ein
allmählicher Übergang stattfindet, hier also beide Gattungen neben-

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[338/0356] I. Abschnitt. Die Binnenfischerei. mittel- und norddeutschen Staaten; von den österreichischen Kronlän- dern hat nur Mähren das System der absoluten Schonzeit eingeführt, während auſserdem überall jenes der Individualschonzeit adoptiert worden ist. Ersteres geht von der Thatsache aus, daſs innerhalb eines Fluſs- laufes nicht überall die gleichen Fischarten vorkommen, sondern die für den menschlichen Gebrauch sich eignenden Fische nur in bestimmten Abschnitten sich aufhalten, so z. B. die Forelle im Oberlaufe, die karpfenartigen Fische im unteren Laufe. Man teilt hiernach die groſsen Fluſsläufe nach den für dieselben typischen Arten in drei Regionen, nämlich: a) Die Region der Forelle. Dieselbe umfaſst namentlich Bäche und kleinere Flüsse mit starker Strömung, steinigem und tiefem Grunde. Hierher kommen auch die Lachse, See- und Meerforellen zum Laichen. b) Die Region der Barbe. Sie findet sich in gröſseren Flüssen mit tiefem Wasser und starker Strömung, in denen steiniger und kiesiger Grund vorherrscht, aber stellenweise auch sandiger und schlammiger Grund vorkommt. c) Die Region der Karpfen und Bleie in gröſseren tieferen Flüssen bei schwächerer Strömung mit sandigem, schlammigem und torfigem Grunde. In stagnierenden Teilen kommen Schleien und Ka- rauschen vor. Die wichtigsten Fische der einzelnen Regionen haben nun eine sehr verschiedene Laichzeit. Die Salmoniden laichen vom Oktober bis zum Januar, Hechte, Äsche, Huchen, Zander im März und April, Karpfen, Schleie, Barbe endlich im Mai und Juni. Da eine scharfe Grenze zwischen den einzelnen Abschnitten nicht gezogen werden kann und eine zu weit gehende, d. h. alle Fischarten vollständig berücksichtigende Schonzeit die Interessen der Fischerei zu sehr beeinträchtigen würde, so hat man von einer speziellen Schonzeit für die Barbenregion überhaupt abgesehen und sog. mittlere Schon- zeiten, welche nur je zwei Monate umfassen, eingeführt. Die Gewässer werden hiernach eingeteilt in solche mit Herbst- oder Winterschon- zeit (15. Oktober bis 14. Dezember) und solche mit Frühjahrsschon- zeit (10. April bis 9. Juni). In der Praxis stöſst jedoch dieses System auf groſse Schwierigkeiten und ist durch so viele Ausnahmen und Konzessionen in einer Weise durchlöchert, daſs thatsächlich wenigstens von der Frühjahrsschonzeit fast nichts mehr übrig bleibt. Eine groſse Schwierigkeit, welche schon erwähnt wurde, besteht darin, daſs eine scharfe Scheidung zwischen den Gebieten der Winter- und Frühjahrslaicher nicht besteht, sondern auf weite Strecken hin ein allmählicher Übergang stattfindet, hier also beide Gattungen neben-

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/356>, abgerufen am 02.05.2024.