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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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1. Kapitel. Fischereirecht und Fischereipolizei.
Formen der Raubfischerei im weitesten Sinne sowie gegen sonstige
schädliche Einflüsse und Feinde.

Motiviert wird das Eingreifen des Staates zum Schutze und zur
Pflege der Fischerei durch die Thatsache, dass die Erhaltung eines
nachhaltigen Fischbestandes ein öffentliches Interesse darstellt.

Die Wirksamkeit der fischereipolizeilichen Beschränkungen, welche
sich in erster Linie gegen den Fischereiberechtigten richten, gelten für
alle Gewässer mit Ausnahme derjenigen, von welchen aus ein Wechsel
der Fische in andere fliessende Gewässer ihrer Natur nach oder infolge
künstlicher Massregeln ausgeschlossen ist, weil nur hier die Misswirt-
schaft des einen auch fremde Interessen und damit gleichzeitig die
Gesamtheit zu schädigen vermag.

Im Interesse der erfolgreichen Überwachung hat es sich jedoch als
notwendig erwiesen, wenigstens einige dieser Massregeln (Marktverbot,
Mindestmass) auch auf die geschlossenen Gewässer auszudehnen.

Die Fischereigesetzgebung ist in Deutschland Landessache, in Oester-
reich den einzelnen Kronländern überlassen, da die örtlichen, hydro-
graphischen und faunistischen Verhältnisse den Erlass einheitlicher
Zentralvorschriften nicht gestatten. Die historische Entwickelung hat
es mit sich gebracht, dass die Fischereipolitik innerhalb Deutschlands
nach sehr verschiedenen, sich teilweise vollständig widersprechenden
Grundsätzen gehandhabt wird; in dieser Beziehung namentlich lassen
sich zwei grössere Gruppen, die süddeutsche und die norddeutsche,
unterscheiden.

Die einzige formelle Gemeinschaft, welche Süd- und Norddeutsch-
land auf diesem Gebiete verbindet, ist der Lachsfischereivertrag zwischen
Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz vom 30. Juni 1885.

§ 3. Die Sicherung des Fortpflanzungsgeschäftes der Fische. Die
wichtigste Gruppe von fischereipolizeilichen Bestimmungen bezweckt die
Sicherung des Fortpflanzungsgeschäftes der Fische.

Das hauptsächlichste Mittel hierfür besteht in dem Verbote des
Fischfanges während der Laichzeit. Die Fische geniessen während
derselben, ähnlich wie das Wild, eine Schonzeit (Laichschonzeit,
jährliche Schonzeit).

Bezüglich dieser Schonzeit bestehen zwei Systeme, nämlich das
System der absoluten Schonzeit und das System der relativen
oder der Individualschonzeit.

Daneben giebt es in einigen Ländern noch ein gemischtes Sy-
stem,
indem für die im Frühjahre laichenden Fische die Schonzeit
absolut, für die Winterlaicher individuell gestaltet wurde (Frankreich,
Belgien, Schweiz, England).

Das System der absoluten Schonzeit gilt für Deutschland in Preussen,
Hessen und in den mit Preussen durch Fischereikonvention verbundenen

Schwappach, Forstpolitik. 22

1. Kapitel. Fischereirecht und Fischereipolizei.
Formen der Raubfischerei im weitesten Sinne sowie gegen sonstige
schädliche Einflüsse und Feinde.

Motiviert wird das Eingreifen des Staates zum Schutze und zur
Pflege der Fischerei durch die Thatsache, daſs die Erhaltung eines
nachhaltigen Fischbestandes ein öffentliches Interesse darstellt.

Die Wirksamkeit der fischereipolizeilichen Beschränkungen, welche
sich in erster Linie gegen den Fischereiberechtigten richten, gelten für
alle Gewässer mit Ausnahme derjenigen, von welchen aus ein Wechsel
der Fische in andere flieſsende Gewässer ihrer Natur nach oder infolge
künstlicher Maſsregeln ausgeschlossen ist, weil nur hier die Miſswirt-
schaft des einen auch fremde Interessen und damit gleichzeitig die
Gesamtheit zu schädigen vermag.

Im Interesse der erfolgreichen Überwachung hat es sich jedoch als
notwendig erwiesen, wenigstens einige dieser Maſsregeln (Marktverbot,
Mindestmaſs) auch auf die geschlossenen Gewässer auszudehnen.

Die Fischereigesetzgebung ist in Deutschland Landessache, in Oester-
reich den einzelnen Kronländern überlassen, da die örtlichen, hydro-
graphischen und faunistischen Verhältnisse den Erlaſs einheitlicher
Zentralvorschriften nicht gestatten. Die historische Entwickelung hat
es mit sich gebracht, daſs die Fischereipolitik innerhalb Deutschlands
nach sehr verschiedenen, sich teilweise vollständig widersprechenden
Grundsätzen gehandhabt wird; in dieser Beziehung namentlich lassen
sich zwei gröſsere Gruppen, die süddeutsche und die norddeutsche,
unterscheiden.

Die einzige formelle Gemeinschaft, welche Süd- und Norddeutsch-
land auf diesem Gebiete verbindet, ist der Lachsfischereivertrag zwischen
Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz vom 30. Juni 1885.

§ 3. Die Sicherung des Fortpflanzungsgeschäftes der Fische. Die
wichtigste Gruppe von fischereipolizeilichen Bestimmungen bezweckt die
Sicherung des Fortpflanzungsgeschäftes der Fische.

Das hauptsächlichste Mittel hierfür besteht in dem Verbote des
Fischfanges während der Laichzeit. Die Fische genieſsen während
derselben, ähnlich wie das Wild, eine Schonzeit (Laichschonzeit,
jährliche Schonzeit).

Bezüglich dieser Schonzeit bestehen zwei Systeme, nämlich das
System der absoluten Schonzeit und das System der relativen
oder der Individualschonzeit.

Daneben giebt es in einigen Ländern noch ein gemischtes Sy-
stem,
indem für die im Frühjahre laichenden Fische die Schonzeit
absolut, für die Winterlaicher individuell gestaltet wurde (Frankreich,
Belgien, Schweiz, England).

Das System der absoluten Schonzeit gilt für Deutschland in Preuſsen,
Hessen und in den mit Preuſsen durch Fischereikonvention verbundenen

Schwappach, Forstpolitik. 22
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[337/0355] 1. Kapitel. Fischereirecht und Fischereipolizei. Formen der Raubfischerei im weitesten Sinne sowie gegen sonstige schädliche Einflüsse und Feinde. Motiviert wird das Eingreifen des Staates zum Schutze und zur Pflege der Fischerei durch die Thatsache, daſs die Erhaltung eines nachhaltigen Fischbestandes ein öffentliches Interesse darstellt. Die Wirksamkeit der fischereipolizeilichen Beschränkungen, welche sich in erster Linie gegen den Fischereiberechtigten richten, gelten für alle Gewässer mit Ausnahme derjenigen, von welchen aus ein Wechsel der Fische in andere flieſsende Gewässer ihrer Natur nach oder infolge künstlicher Maſsregeln ausgeschlossen ist, weil nur hier die Miſswirt- schaft des einen auch fremde Interessen und damit gleichzeitig die Gesamtheit zu schädigen vermag. Im Interesse der erfolgreichen Überwachung hat es sich jedoch als notwendig erwiesen, wenigstens einige dieser Maſsregeln (Marktverbot, Mindestmaſs) auch auf die geschlossenen Gewässer auszudehnen. Die Fischereigesetzgebung ist in Deutschland Landessache, in Oester- reich den einzelnen Kronländern überlassen, da die örtlichen, hydro- graphischen und faunistischen Verhältnisse den Erlaſs einheitlicher Zentralvorschriften nicht gestatten. Die historische Entwickelung hat es mit sich gebracht, daſs die Fischereipolitik innerhalb Deutschlands nach sehr verschiedenen, sich teilweise vollständig widersprechenden Grundsätzen gehandhabt wird; in dieser Beziehung namentlich lassen sich zwei gröſsere Gruppen, die süddeutsche und die norddeutsche, unterscheiden. Die einzige formelle Gemeinschaft, welche Süd- und Norddeutsch- land auf diesem Gebiete verbindet, ist der Lachsfischereivertrag zwischen Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz vom 30. Juni 1885. § 3. Die Sicherung des Fortpflanzungsgeschäftes der Fische. Die wichtigste Gruppe von fischereipolizeilichen Bestimmungen bezweckt die Sicherung des Fortpflanzungsgeschäftes der Fische. Das hauptsächlichste Mittel hierfür besteht in dem Verbote des Fischfanges während der Laichzeit. Die Fische genieſsen während derselben, ähnlich wie das Wild, eine Schonzeit (Laichschonzeit, jährliche Schonzeit). Bezüglich dieser Schonzeit bestehen zwei Systeme, nämlich das System der absoluten Schonzeit und das System der relativen oder der Individualschonzeit. Daneben giebt es in einigen Ländern noch ein gemischtes Sy- stem, indem für die im Frühjahre laichenden Fische die Schonzeit absolut, für die Winterlaicher individuell gestaltet wurde (Frankreich, Belgien, Schweiz, England). Das System der absoluten Schonzeit gilt für Deutschland in Preuſsen, Hessen und in den mit Preuſsen durch Fischereikonvention verbundenen Schwappach, Forstpolitik. 22

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/355>, abgerufen am 02.05.2024.