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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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§ 2. Wildschaden und Wildschadenersatz.

Die geschilderten Missstände waren doch so bedeutend, dass sie
schon frühzeitig dazu veranlassten, verschiedene Mittel zu ihrer Lin-
derung zu ergreifen oder zu gestatten.

So durften die Gemeinden kleine Hunde haben, welche aber
entweder beknüttelt oder angehängt sein mussten, Schreckbilder
und Wildhüter waren allgemein gestattet, Trommeln, Wacht-
feuer
und Blindschiessen dagegen schon seltener.

Wegen des sehr wirksamen Mittels der Errichtung von Zäunen
zwischen Feld und Wald entspannen sich vielfache Streitigkeiten, da
dieselben öfters nicht geduldet wurden, um das Wild nicht in seiner
Äsung zu beschränken.

Sämtliche bisher angeführten Mittel waren darauf berechnet, dass
das Wild nicht zu sehr geschreckt und gehetzt sowie in seiner Lebens-
weise möglichst wenig beunruhigt wurde. Infolgedessen haben sie sich
auch bei der grossen Menge des vorhandenen Wildes als durchaus un-
genügend erwiesen.

Der Abschuss des zu starken Wildstandes wurde zwar oft ge-
fordert und von seiten des Reichshofrates und Reichskammergerichtes
angeordnet, allein nur selten und höchstens in beschränkter Weise
durchgeführt; erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ging man hier-
mit gegenüber dem Schwarzwilde und dem in den Feldern stehenden
Rotwilde energischer vor.

Ein weiteres Mittel zur Beseitigung der vorhandenen Missstände
besteht in dem Ersatze des Wildschadens.

Wenn auch eine rechtliche Verpflichtung hierzu in älterer Zeit nicht
vorlag, so gaben doch die allzu schreienden Missstände, das Drängen
der Reichsbehörden und die politische Lage die Veranlassung, dass schon
frühzeitig den Unterthanen wenigstens bisweilen eine Entschädigung
gewährt wurde. Kurfürst August von Sachsen sprach bereits 1555
den allerdings bald wieder vergessenen Grundsatz aus, dass der durch
das Wild verursachte Schaden den Unterthanen ersetzt werden solle.

Die erste förmliche Vorschrift über Abschätzung des Wildschadens
und regelmässigen Ersatz desselben findet sich in der sächsischen Ver-
ordnung von 1783, ebenso wurde in der österreichischen Jagdordnung
von 1786 die Verpflichtung der Jagdberechtigten zum Ersatze des Wild-
schadens gesetzlich statuiert.

Diese zu Ende des 18. Jahrhunderts aufkommende Verpflichtung
zum Ersatze des Wildschadens bildet in der modernen Gesetzgebung
das wichtigste Mittel zur Verhütung von Wildschaden und zur Aus-
gleichung des Widerspruchs der jagdlichen und der landwirtschaft-
lichen wie forstwirtschaftlichen Interessen.

Die Wildschadenersatzfrage hat seit der Umgestaltung der jagd-
rechtlichen Verhältnisse insofern eine gegen früher veränderte Bedeutung

§ 2. Wildschaden und Wildschadenersatz.

Die geschilderten Miſsstände waren doch so bedeutend, daſs sie
schon frühzeitig dazu veranlaſsten, verschiedene Mittel zu ihrer Lin-
derung zu ergreifen oder zu gestatten.

So durften die Gemeinden kleine Hunde haben, welche aber
entweder beknüttelt oder angehängt sein muſsten, Schreckbilder
und Wildhüter waren allgemein gestattet, Trommeln, Wacht-
feuer
und Blindschieſsen dagegen schon seltener.

Wegen des sehr wirksamen Mittels der Errichtung von Zäunen
zwischen Feld und Wald entspannen sich vielfache Streitigkeiten, da
dieselben öfters nicht geduldet wurden, um das Wild nicht in seiner
Äsung zu beschränken.

Sämtliche bisher angeführten Mittel waren darauf berechnet, daſs
das Wild nicht zu sehr geschreckt und gehetzt sowie in seiner Lebens-
weise möglichst wenig beunruhigt wurde. Infolgedessen haben sie sich
auch bei der groſsen Menge des vorhandenen Wildes als durchaus un-
genügend erwiesen.

Der Abschuſs des zu starken Wildstandes wurde zwar oft ge-
fordert und von seiten des Reichshofrates und Reichskammergerichtes
angeordnet, allein nur selten und höchstens in beschränkter Weise
durchgeführt; erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ging man hier-
mit gegenüber dem Schwarzwilde und dem in den Feldern stehenden
Rotwilde energischer vor.

Ein weiteres Mittel zur Beseitigung der vorhandenen Miſsstände
besteht in dem Ersatze des Wildschadens.

Wenn auch eine rechtliche Verpflichtung hierzu in älterer Zeit nicht
vorlag, so gaben doch die allzu schreienden Miſsstände, das Drängen
der Reichsbehörden und die politische Lage die Veranlassung, daſs schon
frühzeitig den Unterthanen wenigstens bisweilen eine Entschädigung
gewährt wurde. Kurfürst August von Sachsen sprach bereits 1555
den allerdings bald wieder vergessenen Grundsatz aus, daſs der durch
das Wild verursachte Schaden den Unterthanen ersetzt werden solle.

Die erste förmliche Vorschrift über Abschätzung des Wildschadens
und regelmäſsigen Ersatz desselben findet sich in der sächsischen Ver-
ordnung von 1783, ebenso wurde in der österreichischen Jagdordnung
von 1786 die Verpflichtung der Jagdberechtigten zum Ersatze des Wild-
schadens gesetzlich statuiert.

Diese zu Ende des 18. Jahrhunderts aufkommende Verpflichtung
zum Ersatze des Wildschadens bildet in der modernen Gesetzgebung
das wichtigste Mittel zur Verhütung von Wildschaden und zur Aus-
gleichung des Widerspruchs der jagdlichen und der landwirtschaft-
lichen wie forstwirtschaftlichen Interessen.

Die Wildschadenersatzfrage hat seit der Umgestaltung der jagd-
rechtlichen Verhältnisse insofern eine gegen früher veränderte Bedeutung

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[315/0333] § 2. Wildschaden und Wildschadenersatz. Die geschilderten Miſsstände waren doch so bedeutend, daſs sie schon frühzeitig dazu veranlaſsten, verschiedene Mittel zu ihrer Lin- derung zu ergreifen oder zu gestatten. So durften die Gemeinden kleine Hunde haben, welche aber entweder beknüttelt oder angehängt sein muſsten, Schreckbilder und Wildhüter waren allgemein gestattet, Trommeln, Wacht- feuer und Blindschieſsen dagegen schon seltener. Wegen des sehr wirksamen Mittels der Errichtung von Zäunen zwischen Feld und Wald entspannen sich vielfache Streitigkeiten, da dieselben öfters nicht geduldet wurden, um das Wild nicht in seiner Äsung zu beschränken. Sämtliche bisher angeführten Mittel waren darauf berechnet, daſs das Wild nicht zu sehr geschreckt und gehetzt sowie in seiner Lebens- weise möglichst wenig beunruhigt wurde. Infolgedessen haben sie sich auch bei der groſsen Menge des vorhandenen Wildes als durchaus un- genügend erwiesen. Der Abschuſs des zu starken Wildstandes wurde zwar oft ge- fordert und von seiten des Reichshofrates und Reichskammergerichtes angeordnet, allein nur selten und höchstens in beschränkter Weise durchgeführt; erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ging man hier- mit gegenüber dem Schwarzwilde und dem in den Feldern stehenden Rotwilde energischer vor. Ein weiteres Mittel zur Beseitigung der vorhandenen Miſsstände besteht in dem Ersatze des Wildschadens. Wenn auch eine rechtliche Verpflichtung hierzu in älterer Zeit nicht vorlag, so gaben doch die allzu schreienden Miſsstände, das Drängen der Reichsbehörden und die politische Lage die Veranlassung, daſs schon frühzeitig den Unterthanen wenigstens bisweilen eine Entschädigung gewährt wurde. Kurfürst August von Sachsen sprach bereits 1555 den allerdings bald wieder vergessenen Grundsatz aus, daſs der durch das Wild verursachte Schaden den Unterthanen ersetzt werden solle. Die erste förmliche Vorschrift über Abschätzung des Wildschadens und regelmäſsigen Ersatz desselben findet sich in der sächsischen Ver- ordnung von 1783, ebenso wurde in der österreichischen Jagdordnung von 1786 die Verpflichtung der Jagdberechtigten zum Ersatze des Wild- schadens gesetzlich statuiert. Diese zu Ende des 18. Jahrhunderts aufkommende Verpflichtung zum Ersatze des Wildschadens bildet in der modernen Gesetzgebung das wichtigste Mittel zur Verhütung von Wildschaden und zur Aus- gleichung des Widerspruchs der jagdlichen und der landwirtschaft- lichen wie forstwirtschaftlichen Interessen. Die Wildschadenersatzfrage hat seit der Umgestaltung der jagd- rechtlichen Verhältnisse insofern eine gegen früher veränderte Bedeutung

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/333>, abgerufen am 03.05.2024.