Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Kapitel. Jagdrecht und Jagdpolizei.
Gift in Russland ohne besondere Genehmigung) ausgeübt werden darf.
Unbefugtes Betreten eines fremden Grundstücks zu gedachtem Zwecke
kann nach § 3689 und 10 des Reichsstrafgesetzbuchs bestraft werden.

Frankreich kennt den freien Tierfang im Sinne des deutschen
Rechts nur für Wölfe und behält bezüglich der vom Präfekten besonders
zu bezeichnenden schädlichen Tiere dem Grundbesitzer die Befugnis der
Okkupation 1) vor, auserdem bestehen auch noch besondere polizeiliche
Einrichtungen für die Vertilgung der Wölfe, Füchse u. s. w. 2) In Russ-
land 3) darf Raubwild nur bei zufälliger Begegnung oder mit Erlaubnis
der Gemeindebehörde auf fremdem Grunde und Boden erlegt werden.

§ 2. Wildschaden und Wildschadenersatz. Schon bei Besprechung
der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Jagd ist auf den recht erheb-
lichen Schaden hingewiesen worden, welcher durch das Wild und den
Jagdbetrieb der Land- und Forstwirtschaft zugefügt wird.

Die Klagen über Wildschaden sind sehr alt, bereits der Sachsen-
spiegel enthält Bestimmungen über die Schonung der Feldfrüchte. In
dem Masse als die Landwirtschaft sich entwickelte und das Jagdrecht
in die Hände der Fürsten und sonstigen Grossen überging, steigerten
sich diese Missstände und erreichten schliesslich ihren Höhepunkt während
der Blütezeit der Jagd im 17. und 18. Jahrhundert.

So litt z. B. das Dorf Treisa bei Darmstadt in dem Masse durch das
Wild, dass seine Bewohner auswanderten und 1674 nur noch fünf Fami-
lien übrig waren. In Württemberg standen um 1664 Rotten von 30 bis
50 Sauen selbst während des Tages im Felde und weideten dieses ab, wie
das Vieh, 1675 waren von 2050 Mannsmad Wiesen 242 total verdorben,
im Schönbuch lagen 1653 Äcker wegen zu grossen Wildschadens wüst.

Erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts trat zwar eine Besserung
durch die Reduktion des zu grossen Wildstandes ein, allein auch die
verminderte Zahl musste noch in dem Masse fühlbaren Schaden ver-
ursachen, als die Intensität der Land- und Forstwirtschaft stieg.

Im Jahre 1848 erfolgte dann nicht nur abermals eine erhebliche
Verminderung des Wildstandes, sondern auch eine grundsätzliche Um-
gestaltung der jagdrechtlichen und jagdpolizeilichen Verhältnisse, welche
demnächst eingehender zu besprechen sein werden.


1) Frankreich, Gesetz vom 3. V. 1844, Art. 9: Les prefets des departements,
sur l'avis des conseils generaux, prendront des arretes pour determiner -- les especes
d'animaux malfaisants ou nuisibles que le proprietaire, possesseur ou fermier, pourra
en tout temps detruire sur ses terres et les conditions de l'exercice de ce droit.
2) Vgl. S. 321, Note 1.
3) Russland, Jagdgesetz vom 25. II. 1892, Art. 20: Raubtiere sind: Bär, Wolf,
Fuchs, Schakal, Dachs, Blaufuchs, Iltis, Wiesel, Otter, Nörz, Hermelin, Marder,
Vielfrass, Luchs, wilde Katze, Eichhörnchen; Raubvögel: alle Adler-, Falken-, Habicht-
arten, Elster, Krähe, Rabe, Häher, Würger, Eule, Sperber. Art. 21: Das Töten von
Raubzeug auf fremdem Grunde und Boden darf aber nur bei zufälliger Begegnung
oder mit Genehmigung der Gemeindebehörde stattfinden.

1. Kapitel. Jagdrecht und Jagdpolizei.
Gift in Ruſsland ohne besondere Genehmigung) ausgeübt werden darf.
Unbefugtes Betreten eines fremden Grundstücks zu gedachtem Zwecke
kann nach § 3689 und 10 des Reichsstrafgesetzbuchs bestraft werden.

Frankreich kennt den freien Tierfang im Sinne des deutschen
Rechts nur für Wölfe und behält bezüglich der vom Präfekten besonders
zu bezeichnenden schädlichen Tiere dem Grundbesitzer die Befugnis der
Okkupation 1) vor, auserdem bestehen auch noch besondere polizeiliche
Einrichtungen für die Vertilgung der Wölfe, Füchse u. s. w. 2) In Ruſs-
land 3) darf Raubwild nur bei zufälliger Begegnung oder mit Erlaubnis
der Gemeindebehörde auf fremdem Grunde und Boden erlegt werden.

§ 2. Wildschaden und Wildschadenersatz. Schon bei Besprechung
der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Jagd ist auf den recht erheb-
lichen Schaden hingewiesen worden, welcher durch das Wild und den
Jagdbetrieb der Land- und Forstwirtschaft zugefügt wird.

Die Klagen über Wildschaden sind sehr alt, bereits der Sachsen-
spiegel enthält Bestimmungen über die Schonung der Feldfrüchte. In
dem Maſse als die Landwirtschaft sich entwickelte und das Jagdrecht
in die Hände der Fürsten und sonstigen Groſsen überging, steigerten
sich diese Miſsstände und erreichten schlieſslich ihren Höhepunkt während
der Blütezeit der Jagd im 17. und 18. Jahrhundert.

So litt z. B. das Dorf Treisa bei Darmstadt in dem Maſse durch das
Wild, daſs seine Bewohner auswanderten und 1674 nur noch fünf Fami-
lien übrig waren. In Württemberg standen um 1664 Rotten von 30 bis
50 Sauen selbst während des Tages im Felde und weideten dieses ab, wie
das Vieh, 1675 waren von 2050 Mannsmad Wiesen 242 total verdorben,
im Schönbuch lagen 1653 Äcker wegen zu groſsen Wildschadens wüst.

Erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts trat zwar eine Besserung
durch die Reduktion des zu groſsen Wildstandes ein, allein auch die
verminderte Zahl muſste noch in dem Maſse fühlbaren Schaden ver-
ursachen, als die Intensität der Land- und Forstwirtschaft stieg.

Im Jahre 1848 erfolgte dann nicht nur abermals eine erhebliche
Verminderung des Wildstandes, sondern auch eine grundsätzliche Um-
gestaltung der jagdrechtlichen und jagdpolizeilichen Verhältnisse, welche
demnächst eingehender zu besprechen sein werden.


1) Frankreich, Gesetz vom 3. V. 1844, Art. 9: Les préfets des départements,
sur l’avis des conseils généraux, prendront des arrêtés pour déterminer — les espèces
d’animaux malfaisants ou nuisibles que le propriétaire, possesseur ou fermier, pourra
en tout temps détruire sur ses terres et les conditions de l’exercice de ce droit.
2) Vgl. S. 321, Note 1.
3) Ruſsland, Jagdgesetz vom 25. II. 1892, Art. 20: Raubtiere sind: Bär, Wolf,
Fuchs, Schakal, Dachs, Blaufuchs, Iltis, Wiesel, Otter, Nörz, Hermelin, Marder,
Vielfraſs, Luchs, wilde Katze, Eichhörnchen; Raubvögel: alle Adler-, Falken-, Habicht-
arten, Elster, Krähe, Rabe, Häher, Würger, Eule, Sperber. Art. 21: Das Töten von
Raubzeug auf fremdem Grunde und Boden darf aber nur bei zufälliger Begegnung
oder mit Genehmigung der Gemeindebehörde stattfinden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0332" n="314"/><fw place="top" type="header">1. Kapitel. Jagdrecht und Jagdpolizei.</fw><lb/>
Gift in Ru&#x017F;sland ohne besondere Genehmigung) ausgeübt werden darf.<lb/>
Unbefugtes Betreten eines fremden Grundstücks zu gedachtem Zwecke<lb/>
kann nach § 368<hi rendition="#sup">9 und 10</hi> des Reichsstrafgesetzbuchs bestraft werden.</p><lb/>
          <p>Frankreich kennt den freien Tierfang im Sinne des deutschen<lb/>
Rechts nur für Wölfe und behält bezüglich der vom Präfekten besonders<lb/>
zu bezeichnenden schädlichen Tiere dem Grundbesitzer die Befugnis der<lb/>
Okkupation <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Frankreich</hi>, Gesetz vom 3. V. 1844, Art. 9: Les préfets des départements,<lb/>
sur l&#x2019;avis des conseils généraux, prendront des arrêtés pour déterminer &#x2014; les espèces<lb/>
d&#x2019;animaux malfaisants ou nuisibles que le propriétaire, possesseur ou fermier, pourra<lb/>
en tout temps détruire sur ses terres et les conditions de l&#x2019;exercice de ce droit.</note> vor, auserdem bestehen auch noch besondere polizeiliche<lb/>
Einrichtungen für die Vertilgung der Wölfe, Füchse u. s. w. <note place="foot" n="2)">Vgl. S. 321, Note 1.</note> In Ru&#x017F;s-<lb/>
land <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#g">Ru&#x017F;sland</hi>, Jagdgesetz vom 25. II. 1892, Art. 20: Raubtiere sind: Bär, Wolf,<lb/>
Fuchs, Schakal, Dachs, Blaufuchs, Iltis, Wiesel, Otter, Nörz, Hermelin, Marder,<lb/>
Vielfra&#x017F;s, Luchs, wilde Katze, Eichhörnchen; Raubvögel: alle Adler-, Falken-, Habicht-<lb/>
arten, Elster, Krähe, Rabe, Häher, Würger, Eule, Sperber. Art. 21: Das Töten von<lb/>
Raubzeug auf fremdem Grunde und Boden darf aber nur bei zufälliger Begegnung<lb/>
oder mit Genehmigung der Gemeindebehörde stattfinden.</note> darf Raubwild nur bei zufälliger Begegnung oder mit Erlaubnis<lb/>
der Gemeindebehörde auf fremdem Grunde und Boden erlegt werden.</p><lb/>
          <p>§ 2. <hi rendition="#i">Wildschaden und Wildschadenersatz</hi>. Schon bei Besprechung<lb/>
der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Jagd ist auf den recht erheb-<lb/>
lichen Schaden hingewiesen worden, welcher durch das Wild und den<lb/>
Jagdbetrieb der Land- und Forstwirtschaft zugefügt wird.</p><lb/>
          <p>Die Klagen über <hi rendition="#g">Wildschaden</hi> sind sehr alt, bereits der Sachsen-<lb/>
spiegel enthält Bestimmungen über die Schonung der Feldfrüchte. In<lb/>
dem Ma&#x017F;se als die Landwirtschaft sich entwickelte und das Jagdrecht<lb/>
in die Hände der Fürsten und sonstigen Gro&#x017F;sen überging, steigerten<lb/>
sich diese Mi&#x017F;sstände und erreichten schlie&#x017F;slich ihren Höhepunkt während<lb/>
der Blütezeit der Jagd im 17. und 18. Jahrhundert.</p><lb/>
          <p>So litt z. B. das Dorf Treisa bei Darmstadt in dem Ma&#x017F;se durch das<lb/>
Wild, da&#x017F;s seine Bewohner auswanderten und 1674 nur noch fünf Fami-<lb/>
lien übrig waren. In Württemberg standen um 1664 Rotten von 30 bis<lb/>
50 Sauen selbst während des Tages im Felde und weideten dieses ab, wie<lb/>
das Vieh, 1675 waren von 2050 Mannsmad Wiesen 242 total verdorben,<lb/>
im Schönbuch lagen 1653 Äcker wegen zu gro&#x017F;sen Wildschadens wüst.</p><lb/>
          <p>Erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts trat zwar eine Besserung<lb/>
durch die Reduktion des zu gro&#x017F;sen Wildstandes ein, allein auch die<lb/>
verminderte Zahl mu&#x017F;ste noch in dem Ma&#x017F;se fühlbaren Schaden ver-<lb/>
ursachen, als die Intensität der Land- und Forstwirtschaft stieg.</p><lb/>
          <p>Im Jahre 1848 erfolgte dann nicht nur abermals eine erhebliche<lb/>
Verminderung des Wildstandes, sondern auch eine grundsätzliche Um-<lb/>
gestaltung der jagdrechtlichen und jagdpolizeilichen Verhältnisse, welche<lb/>
demnächst eingehender zu besprechen sein werden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0332] 1. Kapitel. Jagdrecht und Jagdpolizei. Gift in Ruſsland ohne besondere Genehmigung) ausgeübt werden darf. Unbefugtes Betreten eines fremden Grundstücks zu gedachtem Zwecke kann nach § 3689 und 10 des Reichsstrafgesetzbuchs bestraft werden. Frankreich kennt den freien Tierfang im Sinne des deutschen Rechts nur für Wölfe und behält bezüglich der vom Präfekten besonders zu bezeichnenden schädlichen Tiere dem Grundbesitzer die Befugnis der Okkupation 1) vor, auserdem bestehen auch noch besondere polizeiliche Einrichtungen für die Vertilgung der Wölfe, Füchse u. s. w. 2) In Ruſs- land 3) darf Raubwild nur bei zufälliger Begegnung oder mit Erlaubnis der Gemeindebehörde auf fremdem Grunde und Boden erlegt werden. § 2. Wildschaden und Wildschadenersatz. Schon bei Besprechung der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Jagd ist auf den recht erheb- lichen Schaden hingewiesen worden, welcher durch das Wild und den Jagdbetrieb der Land- und Forstwirtschaft zugefügt wird. Die Klagen über Wildschaden sind sehr alt, bereits der Sachsen- spiegel enthält Bestimmungen über die Schonung der Feldfrüchte. In dem Maſse als die Landwirtschaft sich entwickelte und das Jagdrecht in die Hände der Fürsten und sonstigen Groſsen überging, steigerten sich diese Miſsstände und erreichten schlieſslich ihren Höhepunkt während der Blütezeit der Jagd im 17. und 18. Jahrhundert. So litt z. B. das Dorf Treisa bei Darmstadt in dem Maſse durch das Wild, daſs seine Bewohner auswanderten und 1674 nur noch fünf Fami- lien übrig waren. In Württemberg standen um 1664 Rotten von 30 bis 50 Sauen selbst während des Tages im Felde und weideten dieses ab, wie das Vieh, 1675 waren von 2050 Mannsmad Wiesen 242 total verdorben, im Schönbuch lagen 1653 Äcker wegen zu groſsen Wildschadens wüst. Erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts trat zwar eine Besserung durch die Reduktion des zu groſsen Wildstandes ein, allein auch die verminderte Zahl muſste noch in dem Maſse fühlbaren Schaden ver- ursachen, als die Intensität der Land- und Forstwirtschaft stieg. Im Jahre 1848 erfolgte dann nicht nur abermals eine erhebliche Verminderung des Wildstandes, sondern auch eine grundsätzliche Um- gestaltung der jagdrechtlichen und jagdpolizeilichen Verhältnisse, welche demnächst eingehender zu besprechen sein werden. 1) Frankreich, Gesetz vom 3. V. 1844, Art. 9: Les préfets des départements, sur l’avis des conseils généraux, prendront des arrêtés pour déterminer — les espèces d’animaux malfaisants ou nuisibles que le propriétaire, possesseur ou fermier, pourra en tout temps détruire sur ses terres et les conditions de l’exercice de ce droit. 2) Vgl. S. 321, Note 1. 3) Ruſsland, Jagdgesetz vom 25. II. 1892, Art. 20: Raubtiere sind: Bär, Wolf, Fuchs, Schakal, Dachs, Blaufuchs, Iltis, Wiesel, Otter, Nörz, Hermelin, Marder, Vielfraſs, Luchs, wilde Katze, Eichhörnchen; Raubvögel: alle Adler-, Falken-, Habicht- arten, Elster, Krähe, Rabe, Häher, Würger, Eule, Sperber. Art. 21: Das Töten von Raubzeug auf fremdem Grunde und Boden darf aber nur bei zufälliger Begegnung oder mit Genehmigung der Gemeindebehörde stattfinden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/332
Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/332>, abgerufen am 03.05.2024.