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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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§ 1. Das Jagdrecht.
berechtigte bei Ausübung der Jagd noch einen Erlaubnisschein
von dem betreffenden Jagdberechtigten, falls dieser nicht persönlich
anwesend ist. Dieses hat namentlich in jenen Staaten besondere Be-
deutung, in welchen kein Mindestmass für Jagdbezirke vorgeschrieben
und die Zahl der Jäger daher sehr bedeutend ist.

Welche Tiere das Objekt des Jagdrechts bilden, oder, mit anderen
Worten, die Jagdbarkeit ist ursprünglich durch das Herkommen be-
stimmt, und erst auf Grund dieses Gewohnheitsrechts erfolgte in den
älteren Jagdordnungen die Bezeichnung derjenigen Tiere, welche zur
hohen, mittleren oder niederen Jagd gehörten.

Die Beantwortung der Frage, welche Tiere gegenwärtig als jagd-
bar zu betrachten sind, ist in vielen Fällen schwierig und zweifelhaft,
da nur wenige neuere Jagdgesetze die jagdbaren Tiere direkt bezeich-
nen (Sachsen, Baden, Hessen, Mecklenburg, Oldenburg, Hamburg und
Bremen).

Unbedingt nicht jagdbar sind rechtlich alle jene Tiere, welche
durch Sondergesetze besonderen Schutz geniessen, also namentlich die in
den Vogelschutzgesetzen genannten nützlichen Vögel oder solche, welche
durch Gesetz als dem freien Tierfange unterliegend bezeichnet sind,
wie z. B. die Kaninchen in Preussen; als unbedingt jagdbar müssen
jene betrachtet werden, welche in der Jagdgesetzgebung eines Landes
besonders aufgeführt und mit einer Schonzeit bedacht sind. Allein eine
ziemlich grosse Anzahl von Tieren, die allgemein als jagdbar betrachtet
werden, wie die grösseren Raubtiere, Dachs, Fuchs, Marder, Iltis u. s. w.,
sind dort nicht angeführt; ebenso Tiere, welche wegen des überwiegen-
den Schadens, den sie verursachen, nicht gehegt werden sollen (Wild-
schwein, Kaninchen), werden nicht genannt, sind aber nach der all-
gemeinen Auffassung jagdbar; das Gleiche gilt von den Schwänen und
Wildgänsen; zweifelhaft sind verschiedene Sumpf- und Wasservögel. Die
Bestimmung des preussischen allgemeinen Landrechts, welche auch Oppen-
hoff
in seinem Kommentar dem § 292 des Reichsstrafgesetzbuchs zu
grunde legt, dass bei dem Mangel präciser Bestimmungen jene wilden
Tiere jagdbar seien, welche zur Speise dienen, ist offenbar unzureichend;
hiernach würden sämtliche Raubtiere als nicht jagdbar zu erklären sein.

Die Gesetzgebung enthält hier in den meisten Staaten eine fühlbare
Lücke, und die Frage bezüglich der Jagdbarkeit, soweit Bestimmungen
älterer Jagdgesetze fehlen, muss nach dem Gewohnheitsrecht entschie-
den werden; in Preussen kommen hierfür z. B. die alten Provinzial-
forstordnungen in Betracht.

Die nicht jagdbaren Tiere unterstehen dem freien Tierfange,
welcher von jedem Grundeigentümer oder mit dessen Zustimmung auch
von anderen ohne Anwendung von Schiessgewehren oder sonst besonders
verbotenen Jagdmethoden (Schlingenstellen für Kaninchen in Preussen,

§ 1. Das Jagdrecht.
berechtigte bei Ausübung der Jagd noch einen Erlaubnisschein
von dem betreffenden Jagdberechtigten, falls dieser nicht persönlich
anwesend ist. Dieses hat namentlich in jenen Staaten besondere Be-
deutung, in welchen kein Mindestmaſs für Jagdbezirke vorgeschrieben
und die Zahl der Jäger daher sehr bedeutend ist.

Welche Tiere das Objekt des Jagdrechts bilden, oder, mit anderen
Worten, die Jagdbarkeit ist ursprünglich durch das Herkommen be-
stimmt, und erst auf Grund dieses Gewohnheitsrechts erfolgte in den
älteren Jagdordnungen die Bezeichnung derjenigen Tiere, welche zur
hohen, mittleren oder niederen Jagd gehörten.

Die Beantwortung der Frage, welche Tiere gegenwärtig als jagd-
bar zu betrachten sind, ist in vielen Fällen schwierig und zweifelhaft,
da nur wenige neuere Jagdgesetze die jagdbaren Tiere direkt bezeich-
nen (Sachsen, Baden, Hessen, Mecklenburg, Oldenburg, Hamburg und
Bremen).

Unbedingt nicht jagdbar sind rechtlich alle jene Tiere, welche
durch Sondergesetze besonderen Schutz genieſsen, also namentlich die in
den Vogelschutzgesetzen genannten nützlichen Vögel oder solche, welche
durch Gesetz als dem freien Tierfange unterliegend bezeichnet sind,
wie z. B. die Kaninchen in Preuſsen; als unbedingt jagdbar müssen
jene betrachtet werden, welche in der Jagdgesetzgebung eines Landes
besonders aufgeführt und mit einer Schonzeit bedacht sind. Allein eine
ziemlich groſse Anzahl von Tieren, die allgemein als jagdbar betrachtet
werden, wie die gröſseren Raubtiere, Dachs, Fuchs, Marder, Iltis u. s. w.,
sind dort nicht angeführt; ebenso Tiere, welche wegen des überwiegen-
den Schadens, den sie verursachen, nicht gehegt werden sollen (Wild-
schwein, Kaninchen), werden nicht genannt, sind aber nach der all-
gemeinen Auffassung jagdbar; das Gleiche gilt von den Schwänen und
Wildgänsen; zweifelhaft sind verschiedene Sumpf- und Wasservögel. Die
Bestimmung des preuſsischen allgemeinen Landrechts, welche auch Oppen-
hoff
in seinem Kommentar dem § 292 des Reichsstrafgesetzbuchs zu
grunde legt, daſs bei dem Mangel präciser Bestimmungen jene wilden
Tiere jagdbar seien, welche zur Speise dienen, ist offenbar unzureichend;
hiernach würden sämtliche Raubtiere als nicht jagdbar zu erklären sein.

Die Gesetzgebung enthält hier in den meisten Staaten eine fühlbare
Lücke, und die Frage bezüglich der Jagdbarkeit, soweit Bestimmungen
älterer Jagdgesetze fehlen, muſs nach dem Gewohnheitsrecht entschie-
den werden; in Preuſsen kommen hierfür z. B. die alten Provinzial-
forstordnungen in Betracht.

Die nicht jagdbaren Tiere unterstehen dem freien Tierfange,
welcher von jedem Grundeigentümer oder mit dessen Zustimmung auch
von anderen ohne Anwendung von Schieſsgewehren oder sonst besonders
verbotenen Jagdmethoden (Schlingenstellen für Kaninchen in Preuſsen,

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[313/0331] § 1. Das Jagdrecht. berechtigte bei Ausübung der Jagd noch einen Erlaubnisschein von dem betreffenden Jagdberechtigten, falls dieser nicht persönlich anwesend ist. Dieses hat namentlich in jenen Staaten besondere Be- deutung, in welchen kein Mindestmaſs für Jagdbezirke vorgeschrieben und die Zahl der Jäger daher sehr bedeutend ist. Welche Tiere das Objekt des Jagdrechts bilden, oder, mit anderen Worten, die Jagdbarkeit ist ursprünglich durch das Herkommen be- stimmt, und erst auf Grund dieses Gewohnheitsrechts erfolgte in den älteren Jagdordnungen die Bezeichnung derjenigen Tiere, welche zur hohen, mittleren oder niederen Jagd gehörten. Die Beantwortung der Frage, welche Tiere gegenwärtig als jagd- bar zu betrachten sind, ist in vielen Fällen schwierig und zweifelhaft, da nur wenige neuere Jagdgesetze die jagdbaren Tiere direkt bezeich- nen (Sachsen, Baden, Hessen, Mecklenburg, Oldenburg, Hamburg und Bremen). Unbedingt nicht jagdbar sind rechtlich alle jene Tiere, welche durch Sondergesetze besonderen Schutz genieſsen, also namentlich die in den Vogelschutzgesetzen genannten nützlichen Vögel oder solche, welche durch Gesetz als dem freien Tierfange unterliegend bezeichnet sind, wie z. B. die Kaninchen in Preuſsen; als unbedingt jagdbar müssen jene betrachtet werden, welche in der Jagdgesetzgebung eines Landes besonders aufgeführt und mit einer Schonzeit bedacht sind. Allein eine ziemlich groſse Anzahl von Tieren, die allgemein als jagdbar betrachtet werden, wie die gröſseren Raubtiere, Dachs, Fuchs, Marder, Iltis u. s. w., sind dort nicht angeführt; ebenso Tiere, welche wegen des überwiegen- den Schadens, den sie verursachen, nicht gehegt werden sollen (Wild- schwein, Kaninchen), werden nicht genannt, sind aber nach der all- gemeinen Auffassung jagdbar; das Gleiche gilt von den Schwänen und Wildgänsen; zweifelhaft sind verschiedene Sumpf- und Wasservögel. Die Bestimmung des preuſsischen allgemeinen Landrechts, welche auch Oppen- hoff in seinem Kommentar dem § 292 des Reichsstrafgesetzbuchs zu grunde legt, daſs bei dem Mangel präciser Bestimmungen jene wilden Tiere jagdbar seien, welche zur Speise dienen, ist offenbar unzureichend; hiernach würden sämtliche Raubtiere als nicht jagdbar zu erklären sein. Die Gesetzgebung enthält hier in den meisten Staaten eine fühlbare Lücke, und die Frage bezüglich der Jagdbarkeit, soweit Bestimmungen älterer Jagdgesetze fehlen, muſs nach dem Gewohnheitsrecht entschie- den werden; in Preuſsen kommen hierfür z. B. die alten Provinzial- forstordnungen in Betracht. Die nicht jagdbaren Tiere unterstehen dem freien Tierfange, welcher von jedem Grundeigentümer oder mit dessen Zustimmung auch von anderen ohne Anwendung von Schieſsgewehren oder sonst besonders verbotenen Jagdmethoden (Schlingenstellen für Kaninchen in Preuſsen,

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/331>, abgerufen am 03.05.2024.