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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.

Die Aufsicht über den Betrieb wird hier ebenfalls durch staatliche
Inspektionsbeamte im Auftrage der Aufsichtsbehörden über die Ver-
mögensverwaltung der Gemeinden geübt.

Das System der Beförsterung besteht für Deutschland in einem
Teile von Hannover (Hildesheim, Calenberg, Grubenhagen, Göttingen,
Hohenstein), Hohenzollern, in der Provinz Hessen-Nassau, für Bayern in
der Rheinpfalz und in Unterfranken, in Baden, Hessen, Elsass-Loth-
ringen, Waldeck, Braunschweig, Schwarzburg-Rudolstadt, Sachsen-
Altenburg und im Fürstentume Birkenfeld; zusammen auf 1 163 000 ha
= 45 Proz. der gesamten Gemeindewaldfläche.

Ausserhalb Deutschlands findet sich dieses System in Tirol, Frank-
reich und Belgien.

In einigen Staaten ist die Übernahme der Bewirtschaftung durch
staatliche Beamte als Strafe vorgesehen. Dieses ist der Fall nach dem
preussischen Gesetze von 1876 bei unwirtschaftlicher Behandlung des
Waldes 1) und in Württemberg, wenn die Gemeinden es unterlassen
haben, bis zum 1. Juli 1876 und späterhin sechs Monate nach Er-
ledigung der Stelle selbst Betriebsbeamte anzustellen.

Das System der Beförsterung verbürgt die sorgfältigste Bewirt-
schaftung der Gemeindewaldungen und bietet bezüglich der Bezirks-
bildung namentlich da grosse Vorzüge vor dem Systeme der lediglich
aus Kommunalwaldungen gebildeten Betriebsverbände, wo Staats- und
Gemeindewaldungen in bunter Mischung durcheinander liegen, indem
hierbei die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte am rationellsten aus-
genutzt werden.

Als Schattenseiten dieses Systems sind zu erwähnen: die weit-
gehende Beschränkung der Gemeindeautonomie und die, in der Praxis
wohl nur ausnahmsweise verwirklichte, Möglichkeit, dass die finanziellen
Interessen der Gemeinden bezüglich des Holzabsatzes mit Rücksicht
auf die konkurrierenden Staatswaldungen geschädigt werden. Die
hierüber kursierenden Erzählungen erweisen sich meist bei näherer
Untersuchung als unbegründet und ganz anders gelagert (wie z. B. der
Verkauf des Waldes der Stadt Warburg wegen angeblich ungerecht-
fertigter Beschränkung des Abnutzungsatzes).

Bezüglich der periodischen und jährlichen Betriebspläne gelten
auch hier die bereits Seite 263 angeführten Gesichtspunkte. Den Ge-

1) Preussen, Gesetz von 1876, Art. 10: Wenn ein Waldeigentümer unterlässt,
einer ihm nach §§ 2--7 obliegenden Verpflichtung (Aufstellung eines Wirtschafts-
planes, Innehaltung und Revision desselben, event. Einreichung jährlicher Betriebs-
anträge, Aufstellung von Wirtschafts- und Schutzbeamten) trotz geschehener Auf-
forderung nachzukommen, so ist der Regierungspräsident befugt, die zur Erfüllung
der Verpflichtung erforderlichen Handlungen durch einen Dritten ausführen zu lassen,
den Betrag der Kosten vorläufig zu bestimmen und im Wege der Exekution vom
Verpflichteten einzuziehen.
B. Zweiter (spezieller) Teil.

Die Aufsicht über den Betrieb wird hier ebenfalls durch staatliche
Inspektionsbeamte im Auftrage der Aufsichtsbehörden über die Ver-
mögensverwaltung der Gemeinden geübt.

Das System der Beförsterung besteht für Deutschland in einem
Teile von Hannover (Hildesheim, Calenberg, Grubenhagen, Göttingen,
Hohenstein), Hohenzollern, in der Provinz Hessen-Nassau, für Bayern in
der Rheinpfalz und in Unterfranken, in Baden, Hessen, Elsaſs-Loth-
ringen, Waldeck, Braunschweig, Schwarzburg-Rudolstadt, Sachsen-
Altenburg und im Fürstentume Birkenfeld; zusammen auf 1 163 000 ha
= 45 Proz. der gesamten Gemeindewaldfläche.

Auſserhalb Deutschlands findet sich dieses System in Tirol, Frank-
reich und Belgien.

In einigen Staaten ist die Übernahme der Bewirtschaftung durch
staatliche Beamte als Strafe vorgesehen. Dieses ist der Fall nach dem
preuſsischen Gesetze von 1876 bei unwirtschaftlicher Behandlung des
Waldes 1) und in Württemberg, wenn die Gemeinden es unterlassen
haben, bis zum 1. Juli 1876 und späterhin sechs Monate nach Er-
ledigung der Stelle selbst Betriebsbeamte anzustellen.

Das System der Beförsterung verbürgt die sorgfältigste Bewirt-
schaftung der Gemeindewaldungen und bietet bezüglich der Bezirks-
bildung namentlich da groſse Vorzüge vor dem Systeme der lediglich
aus Kommunalwaldungen gebildeten Betriebsverbände, wo Staats- und
Gemeindewaldungen in bunter Mischung durcheinander liegen, indem
hierbei die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte am rationellsten aus-
genutzt werden.

Als Schattenseiten dieses Systems sind zu erwähnen: die weit-
gehende Beschränkung der Gemeindeautonomie und die, in der Praxis
wohl nur ausnahmsweise verwirklichte, Möglichkeit, daſs die finanziellen
Interessen der Gemeinden bezüglich des Holzabsatzes mit Rücksicht
auf die konkurrierenden Staatswaldungen geschädigt werden. Die
hierüber kursierenden Erzählungen erweisen sich meist bei näherer
Untersuchung als unbegründet und ganz anders gelagert (wie z. B. der
Verkauf des Waldes der Stadt Warburg wegen angeblich ungerecht-
fertigter Beschränkung des Abnutzungsatzes).

Bezüglich der periodischen und jährlichen Betriebspläne gelten
auch hier die bereits Seite 263 angeführten Gesichtspunkte. Den Ge-

1) Preuſsen, Gesetz von 1876, Art. 10: Wenn ein Waldeigentümer unterläſst,
einer ihm nach §§ 2—7 obliegenden Verpflichtung (Aufstellung eines Wirtschafts-
planes, Innehaltung und Revision desselben, event. Einreichung jährlicher Betriebs-
anträge, Aufstellung von Wirtschafts- und Schutzbeamten) trotz geschehener Auf-
forderung nachzukommen, so ist der Regierungspräsident befugt, die zur Erfüllung
der Verpflichtung erforderlichen Handlungen durch einen Dritten ausführen zu lassen,
den Betrag der Kosten vorläufig zu bestimmen und im Wege der Exekution vom
Verpflichteten einzuziehen.
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[264/0282] B. Zweiter (spezieller) Teil. Die Aufsicht über den Betrieb wird hier ebenfalls durch staatliche Inspektionsbeamte im Auftrage der Aufsichtsbehörden über die Ver- mögensverwaltung der Gemeinden geübt. Das System der Beförsterung besteht für Deutschland in einem Teile von Hannover (Hildesheim, Calenberg, Grubenhagen, Göttingen, Hohenstein), Hohenzollern, in der Provinz Hessen-Nassau, für Bayern in der Rheinpfalz und in Unterfranken, in Baden, Hessen, Elsaſs-Loth- ringen, Waldeck, Braunschweig, Schwarzburg-Rudolstadt, Sachsen- Altenburg und im Fürstentume Birkenfeld; zusammen auf 1 163 000 ha = 45 Proz. der gesamten Gemeindewaldfläche. Auſserhalb Deutschlands findet sich dieses System in Tirol, Frank- reich und Belgien. In einigen Staaten ist die Übernahme der Bewirtschaftung durch staatliche Beamte als Strafe vorgesehen. Dieses ist der Fall nach dem preuſsischen Gesetze von 1876 bei unwirtschaftlicher Behandlung des Waldes 1) und in Württemberg, wenn die Gemeinden es unterlassen haben, bis zum 1. Juli 1876 und späterhin sechs Monate nach Er- ledigung der Stelle selbst Betriebsbeamte anzustellen. Das System der Beförsterung verbürgt die sorgfältigste Bewirt- schaftung der Gemeindewaldungen und bietet bezüglich der Bezirks- bildung namentlich da groſse Vorzüge vor dem Systeme der lediglich aus Kommunalwaldungen gebildeten Betriebsverbände, wo Staats- und Gemeindewaldungen in bunter Mischung durcheinander liegen, indem hierbei die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte am rationellsten aus- genutzt werden. Als Schattenseiten dieses Systems sind zu erwähnen: die weit- gehende Beschränkung der Gemeindeautonomie und die, in der Praxis wohl nur ausnahmsweise verwirklichte, Möglichkeit, daſs die finanziellen Interessen der Gemeinden bezüglich des Holzabsatzes mit Rücksicht auf die konkurrierenden Staatswaldungen geschädigt werden. Die hierüber kursierenden Erzählungen erweisen sich meist bei näherer Untersuchung als unbegründet und ganz anders gelagert (wie z. B. der Verkauf des Waldes der Stadt Warburg wegen angeblich ungerecht- fertigter Beschränkung des Abnutzungsatzes). Bezüglich der periodischen und jährlichen Betriebspläne gelten auch hier die bereits Seite 263 angeführten Gesichtspunkte. Den Ge- 1) Preuſsen, Gesetz von 1876, Art. 10: Wenn ein Waldeigentümer unterläſst, einer ihm nach §§ 2—7 obliegenden Verpflichtung (Aufstellung eines Wirtschafts- planes, Innehaltung und Revision desselben, event. Einreichung jährlicher Betriebs- anträge, Aufstellung von Wirtschafts- und Schutzbeamten) trotz geschehener Auf- forderung nachzukommen, so ist der Regierungspräsident befugt, die zur Erfüllung der Verpflichtung erforderlichen Handlungen durch einen Dritten ausführen zu lassen, den Betrag der Kosten vorläufig zu bestimmen und im Wege der Exekution vom Verpflichteten einzuziehen.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/282>, abgerufen am 09.05.2024.