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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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den Garten begleitete, da gingen wir zwischen den Rei¬
hen umher, und du zeigtest und benanntest mir die ver¬
schiedenen Gattungen. Dreizehn Birnbäume hast du mir
geschenkt, zehn Aepfelbäume, vierzig kleine Feigenbäume
und fünfzig Weinreben dazu, die jeden Herbst voll
prächtiger Trauben stehen müssen." Der Greis konnte
nicht mehr zweifeln, er sank am Herzen seines Sohnes
in Ohnmacht. Dieser hielt ihn aufrecht in den nervigen
Armen. Endlich, als sein Bewußtseyn zurückgekehrt war,
rief er mit lauter Stimme: "Jupiter und ihr Götter alle,
ja ihr lebet noch, sonst wären die Freier nicht bestraft
worden! Aber jetzt ängstigt mich eine neue Sorge um
dich, mein Sohn. Die edelsten Häuser in Ithaka und
den Inseln sind durch dich verwaist: die Stadt, die
ganze Nachbarschaft wird sich gegen dich erheben."
"Sey guten Muthes, lieber Vater," sprach Odysseus,
"und laß dich das jetzt nicht bekümmern. Folge mir
zu deinem Wohnhause, dort harren schon dein Enkel
Telemach, der Rinderhirt und der Sauhirt, und haben
uns das Morgenessen bereitet."

So gingen sie beide zusammen in das Landhaus,
wo sie den Telemach und die Hirten schon mit Zerle¬
gung des Fleisches beschäftigt fanden, und der rothe
Festwein eingeschenkt in den Pokalen perlte. Noch vor
dem Schmause wurde Laertes auf Veranstaltung seiner
treuen alten Dienerin gebadet und gesalbt, und legte
zum erstenmale nach langen Jahren wieder sein schönes
fürstliches Gewand an. Während er sich damit beklei¬
dete, nahte sich ihm unsichtbar die Göttin Pallas Athene,
und verlieh auch dem Greise aufrechten Wuchs und
Hoheit der Gestalt. Als er wieder zu den Andern ein¬

den Garten begleitete, da gingen wir zwiſchen den Rei¬
hen umher, und du zeigteſt und benannteſt mir die ver¬
ſchiedenen Gattungen. Dreizehn Birnbäume haſt du mir
geſchenkt, zehn Aepfelbäume, vierzig kleine Feigenbäume
und fünfzig Weinreben dazu, die jeden Herbſt voll
prächtiger Trauben ſtehen müſſen.“ Der Greis konnte
nicht mehr zweifeln, er ſank am Herzen ſeines Sohnes
in Ohnmacht. Dieſer hielt ihn aufrecht in den nervigen
Armen. Endlich, als ſein Bewußtſeyn zurückgekehrt war,
rief er mit lauter Stimme: „Jupiter und ihr Götter alle,
ja ihr lebet noch, ſonſt wären die Freier nicht beſtraft
worden! Aber jetzt ängſtigt mich eine neue Sorge um
dich, mein Sohn. Die edelſten Häuſer in Ithaka und
den Inſeln ſind durch dich verwaist: die Stadt, die
ganze Nachbarſchaft wird ſich gegen dich erheben.“
„Sey guten Muthes, lieber Vater,“ ſprach Odyſſeus,
„und laß dich das jetzt nicht bekümmern. Folge mir
zu deinem Wohnhauſe, dort harren ſchon dein Enkel
Telemach, der Rinderhirt und der Sauhirt, und haben
uns das Morgeneſſen bereitet.“

So gingen ſie beide zuſammen in das Landhaus,
wo ſie den Telemach und die Hirten ſchon mit Zerle¬
gung des Fleiſches beſchäftigt fanden, und der rothe
Feſtwein eingeſchenkt in den Pokalen perlte. Noch vor
dem Schmauſe wurde Laertes auf Veranſtaltung ſeiner
treuen alten Dienerin gebadet und geſalbt, und legte
zum erſtenmale nach langen Jahren wieder ſein ſchönes
fürſtliches Gewand an. Während er ſich damit beklei¬
dete, nahte ſich ihm unſichtbar die Göttin Pallas Athene,
und verlieh auch dem Greiſe aufrechten Wuchs und
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[281/0303] den Garten begleitete, da gingen wir zwiſchen den Rei¬ hen umher, und du zeigteſt und benannteſt mir die ver¬ ſchiedenen Gattungen. Dreizehn Birnbäume haſt du mir geſchenkt, zehn Aepfelbäume, vierzig kleine Feigenbäume und fünfzig Weinreben dazu, die jeden Herbſt voll prächtiger Trauben ſtehen müſſen.“ Der Greis konnte nicht mehr zweifeln, er ſank am Herzen ſeines Sohnes in Ohnmacht. Dieſer hielt ihn aufrecht in den nervigen Armen. Endlich, als ſein Bewußtſeyn zurückgekehrt war, rief er mit lauter Stimme: „Jupiter und ihr Götter alle, ja ihr lebet noch, ſonſt wären die Freier nicht beſtraft worden! Aber jetzt ängſtigt mich eine neue Sorge um dich, mein Sohn. Die edelſten Häuſer in Ithaka und den Inſeln ſind durch dich verwaist: die Stadt, die ganze Nachbarſchaft wird ſich gegen dich erheben.“ „Sey guten Muthes, lieber Vater,“ ſprach Odyſſeus, „und laß dich das jetzt nicht bekümmern. Folge mir zu deinem Wohnhauſe, dort harren ſchon dein Enkel Telemach, der Rinderhirt und der Sauhirt, und haben uns das Morgeneſſen bereitet.“ So gingen ſie beide zuſammen in das Landhaus, wo ſie den Telemach und die Hirten ſchon mit Zerle¬ gung des Fleiſches beſchäftigt fanden, und der rothe Feſtwein eingeſchenkt in den Pokalen perlte. Noch vor dem Schmauſe wurde Laertes auf Veranſtaltung ſeiner treuen alten Dienerin gebadet und geſalbt, und legte zum erſtenmale nach langen Jahren wieder ſein ſchönes fürſtliches Gewand an. Während er ſich damit beklei¬ dete, nahte ſich ihm unſichtbar die Göttin Pallas Athene, und verlieh auch dem Greiſe aufrechten Wuchs und Hoheit der Geſtalt. Als er wieder zu den Andern ein¬

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/303>, abgerufen am 23.11.2024.