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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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jetzt an uns die uralte Weissagung, von welcher mir
mein Vater erzählt hat. Poseidon, sagte mir dieser,
zürne uns in seinem Herzen, daß wir, die gewandten
Schiffer, jeden Fremdling glücklich in seine Heimath brin¬
gen. Einst aber werde ein phäakisches Schiff, das auch
von einer solchen Begleitung heimkehre, von ihm am Ufer
versteinert werden, und unsre Stadt als ein Felskamm
umziehen. Darum wollen wir in Zukunft uns nicht
mehr einfallen lassen, den Fremden das Geleite zu geben,
die als Schutzflehende in unsre Stadt kommen; dem zür¬
nenden Meeresgott aber wollen wir zwölf Stiere opfern,
damit er sich erbarme und unsre Stadt nicht ganz mit
einem Gebirge von Felsen einschließe." Die Phäaken
erschracken, als sie dieses hörten, und rüsteten sich in
aller Eile zu dem Opfer.

An Ithaka's Strande war Odysseus indessen vom
Schlummer erwacht, aber, so lange schon von der Hei¬
math entfernt, erkannte er sie nicht mehr. Zudem hatte
Pallas Athene um ihn selbst einen Nebel gebildet, damit
er unkenntlich würde, und seine Gattin und Mitbürger
ihn nicht früher zu erkennen vermöchten, ehe die Freier
durch seine Hand ihre Missethat gebüßt hätten. So er¬
schien denn jetzt dem Helden Alles, die geschlängelten
Pfade, die Meeresbuchten, die himmelan ragenden Fel¬
sen, die Bäume mit ihren hohen Wipfeln, in fremder
Gestalt. Er fuhr vom Boden auf, blickte bang umher,
schlug sich an die Stirne und rief wehklagend: "Ich
Unglückseliger, in welche neue Fremde bin ich wieder
gekommen, unter welche Unholde von Menschen? wohin
rette ich mich mit dem geschenkten Gute? Wär' ich doch
bei dem Volke der Phäaken geblieben, wo ich so freundlich

Schwab, das klass. Alterthum. III. 12

jetzt an uns die uralte Weiſſagung, von welcher mir
mein Vater erzählt hat. Poſeidon, ſagte mir dieſer,
zürne uns in ſeinem Herzen, daß wir, die gewandten
Schiffer, jeden Fremdling glücklich in ſeine Heimath brin¬
gen. Einſt aber werde ein phäakiſches Schiff, das auch
von einer ſolchen Begleitung heimkehre, von ihm am Ufer
verſteinert werden, und unſre Stadt als ein Felskamm
umziehen. Darum wollen wir in Zukunft uns nicht
mehr einfallen laſſen, den Fremden das Geleite zu geben,
die als Schutzflehende in unſre Stadt kommen; dem zür¬
nenden Meeresgott aber wollen wir zwölf Stiere opfern,
damit er ſich erbarme und unſre Stadt nicht ganz mit
einem Gebirge von Felſen einſchließe.“ Die Phäaken
erſchracken, als ſie dieſes hörten, und rüſteten ſich in
aller Eile zu dem Opfer.

An Ithaka's Strande war Odyſſeus indeſſen vom
Schlummer erwacht, aber, ſo lange ſchon von der Hei¬
math entfernt, erkannte er ſie nicht mehr. Zudem hatte
Pallas Athene um ihn ſelbſt einen Nebel gebildet, damit
er unkenntlich würde, und ſeine Gattin und Mitbürger
ihn nicht früher zu erkennen vermöchten, ehe die Freier
durch ſeine Hand ihre Miſſethat gebüßt hätten. So er¬
ſchien denn jetzt dem Helden Alles, die geſchlängelten
Pfade, die Meeresbuchten, die himmelan ragenden Fel¬
ſen, die Bäume mit ihren hohen Wipfeln, in fremder
Geſtalt. Er fuhr vom Boden auf, blickte bang umher,
ſchlug ſich an die Stirne und rief wehklagend: „Ich
Unglückſeliger, in welche neue Fremde bin ich wieder
gekommen, unter welche Unholde von Menſchen? wohin
rette ich mich mit dem geſchenkten Gute? Wär' ich doch
bei dem Volke der Phäaken geblieben, wo ich ſo freundlich

Schwab, das klaſſ. Alterthum. III. 12
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[177/0199] jetzt an uns die uralte Weiſſagung, von welcher mir mein Vater erzählt hat. Poſeidon, ſagte mir dieſer, zürne uns in ſeinem Herzen, daß wir, die gewandten Schiffer, jeden Fremdling glücklich in ſeine Heimath brin¬ gen. Einſt aber werde ein phäakiſches Schiff, das auch von einer ſolchen Begleitung heimkehre, von ihm am Ufer verſteinert werden, und unſre Stadt als ein Felskamm umziehen. Darum wollen wir in Zukunft uns nicht mehr einfallen laſſen, den Fremden das Geleite zu geben, die als Schutzflehende in unſre Stadt kommen; dem zür¬ nenden Meeresgott aber wollen wir zwölf Stiere opfern, damit er ſich erbarme und unſre Stadt nicht ganz mit einem Gebirge von Felſen einſchließe.“ Die Phäaken erſchracken, als ſie dieſes hörten, und rüſteten ſich in aller Eile zu dem Opfer. An Ithaka's Strande war Odyſſeus indeſſen vom Schlummer erwacht, aber, ſo lange ſchon von der Hei¬ math entfernt, erkannte er ſie nicht mehr. Zudem hatte Pallas Athene um ihn ſelbſt einen Nebel gebildet, damit er unkenntlich würde, und ſeine Gattin und Mitbürger ihn nicht früher zu erkennen vermöchten, ehe die Freier durch ſeine Hand ihre Miſſethat gebüßt hätten. So er¬ ſchien denn jetzt dem Helden Alles, die geſchlängelten Pfade, die Meeresbuchten, die himmelan ragenden Fel¬ ſen, die Bäume mit ihren hohen Wipfeln, in fremder Geſtalt. Er fuhr vom Boden auf, blickte bang umher, ſchlug ſich an die Stirne und rief wehklagend: „Ich Unglückſeliger, in welche neue Fremde bin ich wieder gekommen, unter welche Unholde von Menſchen? wohin rette ich mich mit dem geſchenkten Gute? Wär' ich doch bei dem Volke der Phäaken geblieben, wo ich ſo freundlich Schwab, das klaſſ. Alterthum. III. 12

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/199>, abgerufen am 25.11.2024.