seinen Heerden auf der Weide. Wir traten ohne weiteres in die Höhle ein, und wunderten uns über die innere Einrichtung. Da standen Körbe von mächtigen Käse¬ laiben strotzend umher; in den Ställen, die in der Grotte angebracht waren, stand es gedrängt voll von Lämmern und jungen Ziegen, und jede Gattung war besonders eingesperrt. Körbe lagen umher, Kübel voll Molken, Bütten, Eimer zum Melken. Anfangs drangen die Ge¬ nossen in mich, von dem Käse zu nehmen, so viel wir könnten, und uns davon zu machen, oder Lämmer und Ziegen nach unserem Schiffe hinzutreiben, und dann wie¬ der zu unsern Freunden nach der Insel hinüberzusteuern. Hätte ich ihrem Rathe doch gefolgt! Aber ich war allzu begierig, den seltsamen Bewohner der Höhle zu schauen, und wollte lieber ein Gastgeschenk erwarten als mit einem Raube von dannen ziehen. Deßwegen zünde¬ ten wir ein Feuer an und opferten. Dann nahmen wir ein Weniges von dem Käse und aßen. Nun warteten wir, bis der Hausherr heimkäme.
Endlich nahete er, auf seinen Riesenschultern eine ungeheure Last trockenen Scheiterholzes tragend, das er gesammelt, um sich sein Abendmahl damit zu kochen. Er warf sie zu Boden, daß es fürchterlich krachte und wir alle vor Angst zusammen fuhren und uns in den äußer¬ sten Winkel der Grotte versteckten. Da sahen wir denn, wie er seine fette Heerde in die Kluft eintrieb, doch nur die, welche er wollte; Widder und Böcke blieben draußen in dem eingehegten Vorhofe. Nun rollte er ein mäch¬ tiges Felsstück vor den Eingang, das zweiundzwanzig vierrädrige Wagen nicht von der Stelle hätten schaffen können. Dann setzte er sich gemächlich auf den Boden,
ſeinen Heerden auf der Weide. Wir traten ohne weiteres in die Höhle ein, und wunderten uns über die innere Einrichtung. Da ſtanden Körbe von mächtigen Käſe¬ laiben ſtrotzend umher; in den Ställen, die in der Grotte angebracht waren, ſtand es gedrängt voll von Lämmern und jungen Ziegen, und jede Gattung war beſonders eingeſperrt. Körbe lagen umher, Kübel voll Molken, Bütten, Eimer zum Melken. Anfangs drangen die Ge¬ noſſen in mich, von dem Käſe zu nehmen, ſo viel wir könnten, und uns davon zu machen, oder Lämmer und Ziegen nach unſerem Schiffe hinzutreiben, und dann wie¬ der zu unſern Freunden nach der Inſel hinüberzuſteuern. Hätte ich ihrem Rathe doch gefolgt! Aber ich war allzu begierig, den ſeltſamen Bewohner der Höhle zu ſchauen, und wollte lieber ein Gaſtgeſchenk erwarten als mit einem Raube von dannen ziehen. Deßwegen zünde¬ ten wir ein Feuer an und opferten. Dann nahmen wir ein Weniges von dem Käſe und aßen. Nun warteten wir, bis der Hausherr heimkäme.
Endlich nahete er, auf ſeinen Rieſenſchultern eine ungeheure Laſt trockenen Scheiterholzes tragend, das er geſammelt, um ſich ſein Abendmahl damit zu kochen. Er warf ſie zu Boden, daß es fürchterlich krachte und wir alle vor Angſt zuſammen fuhren und uns in den äußer¬ ſten Winkel der Grotte verſteckten. Da ſahen wir denn, wie er ſeine fette Heerde in die Kluft eintrieb, doch nur die, welche er wollte; Widder und Böcke blieben draußen in dem eingehegten Vorhofe. Nun rollte er ein mäch¬ tiges Felsſtück vor den Eingang, das zweiundzwanzig vierrädrige Wagen nicht von der Stelle hätten ſchaffen können. Dann ſetzte er ſich gemächlich auf den Boden,
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ſeinen Heerden auf der Weide. Wir traten ohne weiteres
in die Höhle ein, und wunderten uns über die innere
Einrichtung. Da ſtanden Körbe von mächtigen Käſe¬
laiben ſtrotzend umher; in den Ställen, die in der Grotte
angebracht waren, ſtand es gedrängt voll von Lämmern
und jungen Ziegen, und jede Gattung war beſonders
eingeſperrt. Körbe lagen umher, Kübel voll Molken,
Bütten, Eimer zum Melken. Anfangs drangen die Ge¬
noſſen in mich, von dem Käſe zu nehmen, ſo viel wir
könnten, und uns davon zu machen, oder Lämmer und
Ziegen nach unſerem Schiffe hinzutreiben, und dann wie¬
der zu unſern Freunden nach der Inſel hinüberzuſteuern.
Hätte ich ihrem Rathe doch gefolgt! Aber ich war
allzu begierig, den ſeltſamen Bewohner der Höhle zu
ſchauen, und wollte lieber ein Gaſtgeſchenk erwarten als
mit einem Raube von dannen ziehen. Deßwegen zünde¬
ten wir ein Feuer an und opferten. Dann nahmen wir
ein Weniges von dem Käſe und aßen. Nun warteten
wir, bis der Hausherr heimkäme.
Endlich nahete er, auf ſeinen Rieſenſchultern eine
ungeheure Laſt trockenen Scheiterholzes tragend, das er
geſammelt, um ſich ſein Abendmahl damit zu kochen. Er
warf ſie zu Boden, daß es fürchterlich krachte und wir
alle vor Angſt zuſammen fuhren und uns in den äußer¬
ſten Winkel der Grotte verſteckten. Da ſahen wir denn,
wie er ſeine fette Heerde in die Kluft eintrieb, doch nur
die, welche er wollte; Widder und Böcke blieben draußen
in dem eingehegten Vorhofe. Nun rollte er ein mäch¬
tiges Felsſtück vor den Eingang, das zweiundzwanzig
vierrädrige Wagen nicht von der Stelle hätten ſchaffen
können. Dann ſetzte er ſich gemächlich auf den Boden,
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/149>, abgerufen am 22.11.2024.
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