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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Tag und thaten uns bis zum späten Abend recht gütlich
mit dem frischen Ziegenfleisch und altem Weine, den wir
in der Cikonenstadt erbeutet hatten und in Henkelkrügen
mit uns führten.

Am andern Morgen wandelte mich die Lust an, das
gegenüberliegende Land, von dessen Bewohnern, den Cy¬
klopen, wie sie geartet seyen, ich noch nicht wußte, aus¬
zukundschaften; ich fuhr daher mit vielen Genossen auf
meinem Schiffe hinüber. Als wir dort landeten, sahen
wir am äußersten Meeresstrand eine hochgewölbte Felsen¬
kluft, ganz mit Lorbeergesträuch überschattet, wo sich
viele Schafe und Ziegen zu lagern pflegten; ringsum¬
her war von eingerammelten Steinen und hohen Fichten
und Eichen ein Gehege erbaut. In dieser Umzäunung
hauste ein Mann von riesiger Gestalt, der die Heerde
einsam auf entfernten Weiden umhertrieb, nie mit Andern,
auch nicht mit Seinesgleichen, umging und immer nur
auf boshaften Frevel sann. Das war eben ein Cyklop.
Während wir nun das Gestade mit den Augen muster¬
ten, wurden wir alles dieses gewahr. Da wählte ich
mir zwölf der tapfersten Freunde aus, hieß die übrigen
an Bord bleiben und mir das Schiff bewahren, und
nahm einen ledernen Schlauch voll des besten Weines
zu mir, den mir ein Priester Apollo's in der Cikonen¬
stadt Ismaros geschenkt hatte, weil wir seiner und seines
Hauses geschont. Diesen nebst guter Reisekost in einem
Korbe trugen wir, und gedachten damit den Mann zu
kirren, der schon auf den ersten Anblick unbändig und
keinem Gesetz unterworfen erschien.

Als wir bei der Felskluft angekommen waren, fan¬
den wir ihn selbst nicht zu Hause, denn er war bei

Tag und thaten uns bis zum ſpäten Abend recht gütlich
mit dem friſchen Ziegenfleiſch und altem Weine, den wir
in der Cikonenſtadt erbeutet hatten und in Henkelkrügen
mit uns führten.

Am andern Morgen wandelte mich die Luſt an, das
gegenüberliegende Land, von deſſen Bewohnern, den Cy¬
klopen, wie ſie geartet ſeyen, ich noch nicht wußte, aus¬
zukundſchaften; ich fuhr daher mit vielen Genoſſen auf
meinem Schiffe hinüber. Als wir dort landeten, ſahen
wir am äußerſten Meeresſtrand eine hochgewölbte Felſen¬
kluft, ganz mit Lorbeergeſträuch überſchattet, wo ſich
viele Schafe und Ziegen zu lagern pflegten; ringsum¬
her war von eingerammelten Steinen und hohen Fichten
und Eichen ein Gehege erbaut. In dieſer Umzäunung
hauste ein Mann von rieſiger Geſtalt, der die Heerde
einſam auf entfernten Weiden umhertrieb, nie mit Andern,
auch nicht mit Seinesgleichen, umging und immer nur
auf boshaften Frevel ſann. Das war eben ein Cyklop.
Während wir nun das Geſtade mit den Augen muſter¬
ten, wurden wir alles dieſes gewahr. Da wählte ich
mir zwölf der tapferſten Freunde aus, hieß die übrigen
an Bord bleiben und mir das Schiff bewahren, und
nahm einen ledernen Schlauch voll des beſten Weines
zu mir, den mir ein Prieſter Apollo's in der Cikonen¬
ſtadt Iſmaros geſchenkt hatte, weil wir ſeiner und ſeines
Hauſes geſchont. Dieſen nebſt guter Reiſekoſt in einem
Korbe trugen wir, und gedachten damit den Mann zu
kirren, der ſchon auf den erſten Anblick unbändig und
keinem Geſetz unterworfen erſchien.

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den wir ihn ſelbſt nicht zu Hauſe, denn er war bei

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[126/0148] Tag und thaten uns bis zum ſpäten Abend recht gütlich mit dem friſchen Ziegenfleiſch und altem Weine, den wir in der Cikonenſtadt erbeutet hatten und in Henkelkrügen mit uns führten. Am andern Morgen wandelte mich die Luſt an, das gegenüberliegende Land, von deſſen Bewohnern, den Cy¬ klopen, wie ſie geartet ſeyen, ich noch nicht wußte, aus¬ zukundſchaften; ich fuhr daher mit vielen Genoſſen auf meinem Schiffe hinüber. Als wir dort landeten, ſahen wir am äußerſten Meeresſtrand eine hochgewölbte Felſen¬ kluft, ganz mit Lorbeergeſträuch überſchattet, wo ſich viele Schafe und Ziegen zu lagern pflegten; ringsum¬ her war von eingerammelten Steinen und hohen Fichten und Eichen ein Gehege erbaut. In dieſer Umzäunung hauste ein Mann von rieſiger Geſtalt, der die Heerde einſam auf entfernten Weiden umhertrieb, nie mit Andern, auch nicht mit Seinesgleichen, umging und immer nur auf boshaften Frevel ſann. Das war eben ein Cyklop. Während wir nun das Geſtade mit den Augen muſter¬ ten, wurden wir alles dieſes gewahr. Da wählte ich mir zwölf der tapferſten Freunde aus, hieß die übrigen an Bord bleiben und mir das Schiff bewahren, und nahm einen ledernen Schlauch voll des beſten Weines zu mir, den mir ein Prieſter Apollo's in der Cikonen¬ ſtadt Iſmaros geſchenkt hatte, weil wir ſeiner und ſeines Hauſes geſchont. Dieſen nebſt guter Reiſekoſt in einem Korbe trugen wir, und gedachten damit den Mann zu kirren, der ſchon auf den erſten Anblick unbändig und keinem Geſetz unterworfen erſchien. Als wir bei der Felskluft angekommen waren, fan¬ den wir ihn ſelbſt nicht zu Hauſe, denn er war bei

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/148>, abgerufen am 23.11.2024.