Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

hoch in die Luft empor: der andere, emporspringend,
fing ihn, ehe er wieder mit den Füßen auf den Boden
trat, schwebend in der Luft auf. Dann tanzten sie in
leichten, wechselnden Schwenkungen um einander her,
und andere Jünglinge, die im Kreise umherstanden,
klatschten mit den Händen dazu. Odysseus wandte sich
bewundernd zu dem Könige und sprach: "In der That,
Alcinous, du kannst dich der geschicktesten Tänzer auf
dem ganzen Erdboden rühmen. In dieser Kunst habt
ihr eures Gleichen nicht!" Alcinous that sich auf dieses
Urtheil nicht wenig zu gute. "Höret ihrs," rief er
seinen Phäaken zu, "wie der Fremdling über uns ur¬
theilt? Er ist doch ein sehr verständiger Mann, und
er verdient es wohl, daß wir ihm auch ein ansehnliches
Gastgeschenk reichen. Wohlan! zwölf der Fürsten des
Landes, und ich selbst der dreizehnte, sollen ihm jeder
einen Mantel und einen Leibrock herbeibringen und zu
dem ein Pfund des köstlichsten Goldes. Das wollen wir
ihm zu einer großen Gabe vereint schenken, damit er
mit fröhlichem Herzen von uns scheide. Und außerdem
soll Euryalus es versuchen, mit freundlichen Worten ihn
ganz mit uns auszusöhnen." Alle Phäaken riefen ihm
Beifall zu. Ein Herold ging, die Geschenke zu sammeln.
Euryalus nahm sein Schwert mit silbernem Heft und
elfenbeinerner Scheide, übergab es dem Gaste und sprach
dazu: "Väterchen, haben wir ein tränkendes Wort gegen
dich fallen lassen, so sollen es die Winde verwehen! dir
aber mögen die Götter fröhliche Heimfahrt verleihen!
Heil und Freude dir!" -- "Auch dir," antwortete Odys¬
seus, "möge dich deine Gabe nie reuen!" Mit diesem
Wort hängte er sich das schmucke Schwert um die Schulter.

hoch in die Luft empor: der andere, emporſpringend,
fing ihn, ehe er wieder mit den Füßen auf den Boden
trat, ſchwebend in der Luft auf. Dann tanzten ſie in
leichten, wechſelnden Schwenkungen um einander her,
und andere Jünglinge, die im Kreiſe umherſtanden,
klatſchten mit den Händen dazu. Odyſſeus wandte ſich
bewundernd zu dem Könige und ſprach: „In der That,
Alcinous, du kannſt dich der geſchickteſten Tänzer auf
dem ganzen Erdboden rühmen. In dieſer Kunſt habt
ihr eures Gleichen nicht!“ Alcinous that ſich auf dieſes
Urtheil nicht wenig zu gute. „Höret ihrs,“ rief er
ſeinen Phäaken zu, „wie der Fremdling über uns ur¬
theilt? Er iſt doch ein ſehr verſtändiger Mann, und
er verdient es wohl, daß wir ihm auch ein anſehnliches
Gaſtgeſchenk reichen. Wohlan! zwölf der Fürſten des
Landes, und ich ſelbſt der dreizehnte, ſollen ihm jeder
einen Mantel und einen Leibrock herbeibringen und zu
dem ein Pfund des köſtlichſten Goldes. Das wollen wir
ihm zu einer großen Gabe vereint ſchenken, damit er
mit fröhlichem Herzen von uns ſcheide. Und außerdem
ſoll Euryalus es verſuchen, mit freundlichen Worten ihn
ganz mit uns auszuſöhnen.“ Alle Phäaken riefen ihm
Beifall zu. Ein Herold ging, die Geſchenke zu ſammeln.
Euryalus nahm ſein Schwert mit ſilbernem Heft und
elfenbeinerner Scheide, übergab es dem Gaſte und ſprach
dazu: „Väterchen, haben wir ein tränkendes Wort gegen
dich fallen laſſen, ſo ſollen es die Winde verwehen! dir
aber mögen die Götter fröhliche Heimfahrt verleihen!
Heil und Freude dir!“ — „Auch dir,“ antwortete Odyſ¬
ſeus, „möge dich deine Gabe nie reuen!“ Mit dieſem
Wort hängte er ſich das ſchmucke Schwert um die Schulter.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0141" n="119"/>
hoch in die Luft empor: der andere, empor&#x017F;pringend,<lb/>
fing ihn, ehe er wieder mit den Füßen auf den Boden<lb/>
trat, &#x017F;chwebend in der Luft auf. Dann tanzten &#x017F;ie in<lb/>
leichten, wech&#x017F;elnden Schwenkungen um einander her,<lb/>
und andere Jünglinge, die im Krei&#x017F;e umher&#x017F;tanden,<lb/>
klat&#x017F;chten mit den Händen dazu. Ody&#x017F;&#x017F;eus wandte &#x017F;ich<lb/>
bewundernd zu dem Könige und &#x017F;prach: &#x201E;In der That,<lb/>
Alcinous, du kann&#x017F;t dich der ge&#x017F;chickte&#x017F;ten Tänzer auf<lb/>
dem ganzen Erdboden rühmen. In die&#x017F;er Kun&#x017F;t habt<lb/>
ihr eures Gleichen nicht!&#x201C; Alcinous that &#x017F;ich auf die&#x017F;es<lb/>
Urtheil nicht wenig zu gute. &#x201E;Höret ihrs,&#x201C; rief er<lb/>
&#x017F;einen Phäaken zu, &#x201E;wie der Fremdling über uns ur¬<lb/>
theilt? Er i&#x017F;t doch ein &#x017F;ehr ver&#x017F;tändiger Mann, und<lb/>
er verdient es wohl, daß wir ihm auch ein an&#x017F;ehnliches<lb/>
Ga&#x017F;tge&#x017F;chenk reichen. Wohlan! zwölf der Für&#x017F;ten des<lb/>
Landes, und ich &#x017F;elb&#x017F;t der dreizehnte, &#x017F;ollen ihm jeder<lb/>
einen Mantel und einen Leibrock herbeibringen und zu<lb/>
dem ein Pfund des kö&#x017F;tlich&#x017F;ten Goldes. Das wollen wir<lb/>
ihm zu einer großen Gabe vereint &#x017F;chenken, damit er<lb/>
mit fröhlichem Herzen von uns &#x017F;cheide. Und außerdem<lb/>
&#x017F;oll Euryalus es ver&#x017F;uchen, mit freundlichen Worten ihn<lb/>
ganz mit uns auszu&#x017F;öhnen.&#x201C; Alle Phäaken riefen ihm<lb/>
Beifall zu. Ein Herold ging, die Ge&#x017F;chenke zu &#x017F;ammeln.<lb/>
Euryalus nahm &#x017F;ein Schwert mit &#x017F;ilbernem Heft und<lb/>
elfenbeinerner Scheide, übergab es dem Ga&#x017F;te und &#x017F;prach<lb/>
dazu: &#x201E;Väterchen, haben wir ein tränkendes Wort gegen<lb/>
dich fallen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o &#x017F;ollen es die Winde verwehen! dir<lb/>
aber mögen die Götter fröhliche Heimfahrt verleihen!<lb/>
Heil und Freude dir!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Auch dir,&#x201C; antwortete Ody&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;eus, &#x201E;möge dich deine Gabe nie reuen!&#x201C; Mit die&#x017F;em<lb/>
Wort hängte er &#x017F;ich das &#x017F;chmucke Schwert um die Schulter.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0141] hoch in die Luft empor: der andere, emporſpringend, fing ihn, ehe er wieder mit den Füßen auf den Boden trat, ſchwebend in der Luft auf. Dann tanzten ſie in leichten, wechſelnden Schwenkungen um einander her, und andere Jünglinge, die im Kreiſe umherſtanden, klatſchten mit den Händen dazu. Odyſſeus wandte ſich bewundernd zu dem Könige und ſprach: „In der That, Alcinous, du kannſt dich der geſchickteſten Tänzer auf dem ganzen Erdboden rühmen. In dieſer Kunſt habt ihr eures Gleichen nicht!“ Alcinous that ſich auf dieſes Urtheil nicht wenig zu gute. „Höret ihrs,“ rief er ſeinen Phäaken zu, „wie der Fremdling über uns ur¬ theilt? Er iſt doch ein ſehr verſtändiger Mann, und er verdient es wohl, daß wir ihm auch ein anſehnliches Gaſtgeſchenk reichen. Wohlan! zwölf der Fürſten des Landes, und ich ſelbſt der dreizehnte, ſollen ihm jeder einen Mantel und einen Leibrock herbeibringen und zu dem ein Pfund des köſtlichſten Goldes. Das wollen wir ihm zu einer großen Gabe vereint ſchenken, damit er mit fröhlichem Herzen von uns ſcheide. Und außerdem ſoll Euryalus es verſuchen, mit freundlichen Worten ihn ganz mit uns auszuſöhnen.“ Alle Phäaken riefen ihm Beifall zu. Ein Herold ging, die Geſchenke zu ſammeln. Euryalus nahm ſein Schwert mit ſilbernem Heft und elfenbeinerner Scheide, übergab es dem Gaſte und ſprach dazu: „Väterchen, haben wir ein tränkendes Wort gegen dich fallen laſſen, ſo ſollen es die Winde verwehen! dir aber mögen die Götter fröhliche Heimfahrt verleihen! Heil und Freude dir!“ — „Auch dir,“ antwortete Odyſ¬ ſeus, „möge dich deine Gabe nie reuen!“ Mit dieſem Wort hängte er ſich das ſchmucke Schwert um die Schulter.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/141
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/141>, abgerufen am 23.11.2024.