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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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Die Trojaner und ihr König waren über die Ankunft
einer Gesandtschaft, die mit einer ansehnlichen Schiffs¬
rüstung erschien, in kein geringes Staunen versetzt. Sie
wußten von der unmittelbaren Ursache der Sendung noch
nichts, denn Paris verweilte noch immer mit seiner ge¬
raubten Gattin auf der Insel Kranae und war in Troja
verschollen. Priamus und sein Volk glaubten deswegen
nicht anders, als der trojanische Kriegszug, der die Gesandt¬
schaft des Paris und die Zurückforderung der Hesione
unterstützen sollte, habe Widerstand in Griechenland gefun¬
den, und jetzt würden, nach Vernichtung desselben, die
Griechen, übermüthig geworden, über die See herbeikommen,
die Trojaner in ihrem eigenen Lande anzufallen. Die
Nachricht, daß sich griechische Gesandte der Stadt nähern,
versetzte sie daher in nicht geringe Spannung. Indessen
öffneten sich Jenen die Thore willig, und die drei Fürsten
wurden sofort in den Pallast des Priamus und vor den
König selbst, der seine zahlreichen Söhne und die Häupter
der Stadt zu einem Rathe zusammenberufen hatte, geführt.
Palamedes ergriff vor dem Könige das Wort, beklagte
sich bitter im Namen aller Griechen über die schändliche
Verletzung des Gastrechtes, die sich sein Sohn Paris durch
den Raub der Königin Helena zu Schulden kommen las¬
sen. Dann entwickelte er die Gefahren eines Krieges, die
dem Reiche des Priamus aus dieser Unthat erwüchsen,
zählte die Namen der mächtigsten Fürsten Griechenlands
auf, die mit allen ihren Völkern auf mehr als tausend
Schiffen vor Troja erschienen seyen, und verlangte die
gütliche Auslieferung der geraubten Fürstin. "Du weißest
nicht, o König," so schloß er seine zornige Rede, "was
für Sterbliche durch deinen Sohn beschimpft worden sind,

Die Trojaner und ihr König waren über die Ankunft
einer Geſandtſchaft, die mit einer anſehnlichen Schiffs¬
rüſtung erſchien, in kein geringes Staunen verſetzt. Sie
wußten von der unmittelbaren Urſache der Sendung noch
nichts, denn Paris verweilte noch immer mit ſeiner ge¬
raubten Gattin auf der Inſel Kranae und war in Troja
verſchollen. Priamus und ſein Volk glaubten deswegen
nicht anders, als der trojaniſche Kriegszug, der die Geſandt¬
ſchaft des Paris und die Zurückforderung der Heſione
unterſtützen ſollte, habe Widerſtand in Griechenland gefun¬
den, und jetzt würden, nach Vernichtung deſſelben, die
Griechen, übermüthig geworden, über die See herbeikommen,
die Trojaner in ihrem eigenen Lande anzufallen. Die
Nachricht, daß ſich griechiſche Geſandte der Stadt nähern,
verſetzte ſie daher in nicht geringe Spannung. Indeſſen
öffneten ſich Jenen die Thore willig, und die drei Fürſten
wurden ſofort in den Pallaſt des Priamus und vor den
König ſelbſt, der ſeine zahlreichen Söhne und die Häupter
der Stadt zu einem Rathe zuſammenberufen hatte, geführt.
Palamedes ergriff vor dem Könige das Wort, beklagte
ſich bitter im Namen aller Griechen über die ſchändliche
Verletzung des Gaſtrechtes, die ſich ſein Sohn Paris durch
den Raub der Königin Helena zu Schulden kommen laſ¬
ſen. Dann entwickelte er die Gefahren eines Krieges, die
dem Reiche des Priamus aus dieſer Unthat erwüchſen,
zählte die Namen der mächtigſten Fürſten Griechenlands
auf, die mit allen ihren Völkern auf mehr als tauſend
Schiffen vor Troja erſchienen ſeyen, und verlangte die
gütliche Auslieferung der geraubten Fürſtin. „Du weißeſt
nicht, o König,“ ſo ſchloß er ſeine zornige Rede, „was
für Sterbliche durch deinen Sohn beſchimpft worden ſind,

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[26/0048] Die Trojaner und ihr König waren über die Ankunft einer Geſandtſchaft, die mit einer anſehnlichen Schiffs¬ rüſtung erſchien, in kein geringes Staunen verſetzt. Sie wußten von der unmittelbaren Urſache der Sendung noch nichts, denn Paris verweilte noch immer mit ſeiner ge¬ raubten Gattin auf der Inſel Kranae und war in Troja verſchollen. Priamus und ſein Volk glaubten deswegen nicht anders, als der trojaniſche Kriegszug, der die Geſandt¬ ſchaft des Paris und die Zurückforderung der Heſione unterſtützen ſollte, habe Widerſtand in Griechenland gefun¬ den, und jetzt würden, nach Vernichtung deſſelben, die Griechen, übermüthig geworden, über die See herbeikommen, die Trojaner in ihrem eigenen Lande anzufallen. Die Nachricht, daß ſich griechiſche Geſandte der Stadt nähern, verſetzte ſie daher in nicht geringe Spannung. Indeſſen öffneten ſich Jenen die Thore willig, und die drei Fürſten wurden ſofort in den Pallaſt des Priamus und vor den König ſelbſt, der ſeine zahlreichen Söhne und die Häupter der Stadt zu einem Rathe zuſammenberufen hatte, geführt. Palamedes ergriff vor dem Könige das Wort, beklagte ſich bitter im Namen aller Griechen über die ſchändliche Verletzung des Gaſtrechtes, die ſich ſein Sohn Paris durch den Raub der Königin Helena zu Schulden kommen laſ¬ ſen. Dann entwickelte er die Gefahren eines Krieges, die dem Reiche des Priamus aus dieſer Unthat erwüchſen, zählte die Namen der mächtigſten Fürſten Griechenlands auf, die mit allen ihren Völkern auf mehr als tauſend Schiffen vor Troja erſchienen ſeyen, und verlangte die gütliche Auslieferung der geraubten Fürſtin. „Du weißeſt nicht, o König,“ ſo ſchloß er ſeine zornige Rede, „was für Sterbliche durch deinen Sohn beſchimpft worden ſind,

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/48>, abgerufen am 23.11.2024.