Menelaus, mit dem Sparterfürsten deswegen zu ihm kam, heuchelte er Narrheit, spannte zu dem Ochsen einen Esel an den Pflug und pflügte mit dem seltsamen Paare sein Feld, indem er in die Furchen, die er zog, statt des Sa¬ mens Salz ausstreute. So ließ er sich von beiden Helden treffen und hoffte dadurch von dem verhaßten Zuge frei zu bleiben. Aber der einsichtsvolle Palamedes durch¬ schaute den verschlagensten aller Sterblichen, ging, während Odysseus seinen Pflug lenkte, heimlich in seinen Pallast, brachte seinen jungen Sohn Telemachus aus der Wiege herbei und legte diesen in die Furche, über die Odysseus eben hinwegackern wollte. Da hob der Vater den Pflug sorgfältig über das Kind hinweg und wurde von den laut aufschreienden Helden seines Verstandes überwiesen. Er konnte sich jetzt nicht länger mehr weigern, an dem Zuge Theil zu nehmen, und versprach, die bit¬ terste Feindschaft gegen Palamedes in seinem listigen Her¬ zen, zwölf bemannte Schiffe aus Ithaka und den Nachbar¬ inseln dem Könige Menelaus zur Verfügung zu stellen.
Der andere Fürst, dessen Zustimmung noch nicht erfolgt, ja dessen Aufenthalt man nicht einmal kannte, war Achil¬ les, der junge, aber herrliche Sohn des Peleus und der Meeresgöttin Thetis. Als dieser ein neugebornes Kind war, wollte seine unsterbliche Mutter auch ihn unsterblich machen, steckte ihn, von seinem Vater Peleus ungesehen, des Nachts in ein himmlisches Feuer und fing so an zu vertilgen, was vom Vater her an ihm sterblich war. Bei Tage aber heilte sie die versengten Stellen mit Ambrosia. Dieß that sie von einer Nacht zur andern. Einmal aber belauschte sie Peleus, und schrie laut auf, als er seinen Sohn im Feuer zappeln sah. Diese Störung hinderte
Menelaus, mit dem Sparterfürſten deswegen zu ihm kam, heuchelte er Narrheit, ſpannte zu dem Ochſen einen Eſel an den Pflug und pflügte mit dem ſeltſamen Paare ſein Feld, indem er in die Furchen, die er zog, ſtatt des Sa¬ mens Salz ausſtreute. So ließ er ſich von beiden Helden treffen und hoffte dadurch von dem verhaßten Zuge frei zu bleiben. Aber der einſichtsvolle Palamedes durch¬ ſchaute den verſchlagenſten aller Sterblichen, ging, während Odyſſeus ſeinen Pflug lenkte, heimlich in ſeinen Pallaſt, brachte ſeinen jungen Sohn Telemachus aus der Wiege herbei und legte dieſen in die Furche, über die Odyſſeus eben hinwegackern wollte. Da hob der Vater den Pflug ſorgfältig über das Kind hinweg und wurde von den laut aufſchreienden Helden ſeines Verſtandes überwieſen. Er konnte ſich jetzt nicht länger mehr weigern, an dem Zuge Theil zu nehmen, und verſprach, die bit¬ terſte Feindſchaft gegen Palamedes in ſeinem liſtigen Her¬ zen, zwölf bemannte Schiffe aus Ithaka und den Nachbar¬ inſeln dem Könige Menelaus zur Verfügung zu ſtellen.
Der andere Fürſt, deſſen Zuſtimmung noch nicht erfolgt, ja deſſen Aufenthalt man nicht einmal kannte, war Achil¬ les, der junge, aber herrliche Sohn des Peleus und der Meeresgöttin Thetis. Als dieſer ein neugebornes Kind war, wollte ſeine unſterbliche Mutter auch ihn unſterblich machen, ſteckte ihn, von ſeinem Vater Peleus ungeſehen, des Nachts in ein himmliſches Feuer und fing ſo an zu vertilgen, was vom Vater her an ihm ſterblich war. Bei Tage aber heilte ſie die verſengten Stellen mit Ambroſia. Dieß that ſie von einer Nacht zur andern. Einmal aber belauſchte ſie Peleus, und ſchrie laut auf, als er ſeinen Sohn im Feuer zappeln ſah. Dieſe Störung hinderte
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Menelaus, mit dem Sparterfürſten deswegen zu ihm kam,
heuchelte er Narrheit, ſpannte zu dem Ochſen einen Eſel
an den Pflug und pflügte mit dem ſeltſamen Paare ſein
Feld, indem er in die Furchen, die er zog, ſtatt des Sa¬
mens Salz ausſtreute. So ließ er ſich von beiden
Helden treffen und hoffte dadurch von dem verhaßten Zuge
frei zu bleiben. Aber der einſichtsvolle Palamedes durch¬
ſchaute den verſchlagenſten aller Sterblichen, ging,
während Odyſſeus ſeinen Pflug lenkte, heimlich in ſeinen
Pallaſt, brachte ſeinen jungen Sohn Telemachus aus der
Wiege herbei und legte dieſen in die Furche, über die
Odyſſeus eben hinwegackern wollte. Da hob der Vater
den Pflug ſorgfältig über das Kind hinweg und wurde
von den laut aufſchreienden Helden ſeines Verſtandes
überwieſen. Er konnte ſich jetzt nicht länger mehr weigern,
an dem Zuge Theil zu nehmen, und verſprach, die bit¬
terſte Feindſchaft gegen Palamedes in ſeinem liſtigen Her¬
zen, zwölf bemannte Schiffe aus Ithaka und den Nachbar¬
inſeln dem Könige Menelaus zur Verfügung zu ſtellen.
Der andere Fürſt, deſſen Zuſtimmung noch nicht erfolgt,
ja deſſen Aufenthalt man nicht einmal kannte, war Achil¬
les, der junge, aber herrliche Sohn des Peleus und der
Meeresgöttin Thetis. Als dieſer ein neugebornes Kind
war, wollte ſeine unſterbliche Mutter auch ihn unſterblich
machen, ſteckte ihn, von ſeinem Vater Peleus ungeſehen,
des Nachts in ein himmliſches Feuer und fing ſo an zu
vertilgen, was vom Vater her an ihm ſterblich war. Bei
Tage aber heilte ſie die verſengten Stellen mit Ambroſia.
Dieß that ſie von einer Nacht zur andern. Einmal aber
belauſchte ſie Peleus, und ſchrie laut auf, als er ſeinen
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/43>, abgerufen am 23.11.2024.
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