Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

zurück und es fand sich Keiner, der den Wettstreit mit
ihm versuchen wollte. Thetis gab ihm daher den Wagen
des Patroklus zum Geschenke. Phönix und Nestor aber
munterten die jüngeren Männer zu dieser Gattung des
Kampfes auf. Da trat Epeus, der Sohn des Panopeus,
und bald nach ihm Akamas, der Sohn des Theseus, her¬
vor; beide schnürten sich ihre Hände schnell mit trockenen
Riemen und prüften sie, ob sie gelenkig seyen: dann er¬
hoben sie dieselben gegen einander und, indem sie sich mit
lauerndem Blicke umschauten, näherten sie sich einander
ganz leise auf den Zehen, Schritt für Schritt, bis sie
plötzlich, wie vom Winde getriebene Wolken, aus denen
es blitzt und donnert, auf einander losstürzten, und nun
hallten vom Schlage der Riemen die Wangen und unter
den Schweisse floß das Blut. Theseus Sohn wehrte den
rastlos eindringenden Gegner, listig ausweichend, ab, und
schlug ihn plötzlich mit der Faust über den Wimpern bis
auf die Knochen, daß das Blut hervordrang; dafür traf
ihn Jener an die Schläfe, daß Akamas taumelnd zu Bo¬
den sank. Doch er erholte sich wieder und der Kampf
begann aufs Neue, bis die Freunde sich dazwischen war¬
fen und den Erbitterten begreiflich machten, daß hier ja
nicht Grieche und Trojaner sich entgegen stehen. Thetis
schenkte ihnen zwei herrliche Mischkrüge von Silber, die
ihr Sohn als Ehrengeschenk von Lemnos gebracht hatte.
Die Helden griffen freudig darnach, noch ehe sie an die
Heilung ihrer Wunden dachten.

Nun warben Ajax und Teucer, die sich schon im
Wettlaufe gemessen hatten, auch um den Preis des Bogen¬
schießens. Als fernes Ziel stellte Agamemnon einen Helm
mit flatternder Mähne auf: Sieger sollte der seyn, dessen

Schwab, das klass. Alterthum. ll. 23

zurück und es fand ſich Keiner, der den Wettſtreit mit
ihm verſuchen wollte. Thetis gab ihm daher den Wagen
des Patroklus zum Geſchenke. Phönix und Neſtor aber
munterten die jüngeren Männer zu dieſer Gattung des
Kampfes auf. Da trat Epëus, der Sohn des Panopeus,
und bald nach ihm Akamas, der Sohn des Theſeus, her¬
vor; beide ſchnürten ſich ihre Hände ſchnell mit trockenen
Riemen und prüften ſie, ob ſie gelenkig ſeyen: dann er¬
hoben ſie dieſelben gegen einander und, indem ſie ſich mit
lauerndem Blicke umſchauten, näherten ſie ſich einander
ganz leiſe auf den Zehen, Schritt für Schritt, bis ſie
plötzlich, wie vom Winde getriebene Wolken, aus denen
es blitzt und donnert, auf einander losſtürzten, und nun
hallten vom Schlage der Riemen die Wangen und unter
den Schweiſſe floß das Blut. Theſeus Sohn wehrte den
raſtlos eindringenden Gegner, liſtig ausweichend, ab, und
ſchlug ihn plötzlich mit der Fauſt über den Wimpern bis
auf die Knochen, daß das Blut hervordrang; dafür traf
ihn Jener an die Schläfe, daß Akamas taumelnd zu Bo¬
den ſank. Doch er erholte ſich wieder und der Kampf
begann aufs Neue, bis die Freunde ſich dazwiſchen war¬
fen und den Erbitterten begreiflich machten, daß hier ja
nicht Grieche und Trojaner ſich entgegen ſtehen. Thetis
ſchenkte ihnen zwei herrliche Miſchkrüge von Silber, die
ihr Sohn als Ehrengeſchenk von Lemnos gebracht hatte.
Die Helden griffen freudig darnach, noch ehe ſie an die
Heilung ihrer Wunden dachten.

Nun warben Ajax und Teucer, die ſich ſchon im
Wettlaufe gemeſſen hatten, auch um den Preis des Bogen¬
ſchießens. Als fernes Ziel ſtellte Agamemnon einen Helm
mit flatternder Mähne auf: Sieger ſollte der ſeyn, deſſen

Schwab, das klaſſ. Alterthum. ll. 23
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0375" n="353"/>
zurück und es fand &#x017F;ich Keiner, der den Wett&#x017F;treit mit<lb/>
ihm ver&#x017F;uchen wollte. Thetis gab ihm daher den Wagen<lb/>
des Patroklus zum Ge&#x017F;chenke. Phönix und Ne&#x017F;tor aber<lb/>
munterten die jüngeren Männer zu die&#x017F;er Gattung des<lb/>
Kampfes auf. Da trat <choice><sic>Epeus</sic><corr>Epëus</corr></choice>, der Sohn des Panopeus,<lb/>
und bald nach ihm Akamas, der Sohn des The&#x017F;eus, her¬<lb/>
vor; beide &#x017F;chnürten &#x017F;ich ihre Hände &#x017F;chnell mit trockenen<lb/>
Riemen und prüften &#x017F;ie, ob &#x017F;ie gelenkig &#x017F;eyen: dann er¬<lb/>
hoben &#x017F;ie die&#x017F;elben gegen einander und, indem &#x017F;ie &#x017F;ich mit<lb/>
lauerndem Blicke um&#x017F;chauten, näherten &#x017F;ie &#x017F;ich einander<lb/>
ganz lei&#x017F;e auf den Zehen, Schritt für Schritt, bis &#x017F;ie<lb/>
plötzlich, wie vom Winde getriebene Wolken, aus denen<lb/>
es blitzt und donnert, auf einander los&#x017F;türzten, und nun<lb/>
hallten vom Schlage der Riemen die Wangen und unter<lb/>
den Schwei&#x017F;&#x017F;e floß das Blut. The&#x017F;eus Sohn wehrte den<lb/>
ra&#x017F;tlos eindringenden Gegner, li&#x017F;tig ausweichend, ab, und<lb/>
&#x017F;chlug ihn plötzlich mit der Fau&#x017F;t über den Wimpern bis<lb/>
auf die Knochen, daß das Blut hervordrang; dafür traf<lb/>
ihn Jener an die Schläfe, daß Akamas taumelnd zu Bo¬<lb/>
den &#x017F;ank. Doch er erholte &#x017F;ich wieder und der Kampf<lb/>
begann aufs Neue, bis die Freunde &#x017F;ich dazwi&#x017F;chen war¬<lb/>
fen und den Erbitterten begreiflich machten, daß hier ja<lb/>
nicht Grieche und Trojaner &#x017F;ich entgegen &#x017F;tehen. Thetis<lb/>
&#x017F;chenkte ihnen zwei herrliche Mi&#x017F;chkrüge von Silber, die<lb/>
ihr Sohn als Ehrenge&#x017F;chenk von Lemnos gebracht hatte.<lb/>
Die Helden griffen freudig darnach, noch ehe &#x017F;ie an die<lb/>
Heilung ihrer Wunden dachten.</p><lb/>
          <p>Nun warben Ajax und Teucer, die &#x017F;ich &#x017F;chon im<lb/>
Wettlaufe geme&#x017F;&#x017F;en hatten, auch um den Preis des Bogen¬<lb/>
&#x017F;chießens. Als fernes Ziel &#x017F;tellte Agamemnon einen Helm<lb/>
mit flatternder Mähne auf: Sieger &#x017F;ollte der &#x017F;eyn, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
<fw type="sig" place="bottom"><hi rendition="#g">Schwab</hi>, das kla&#x017F;&#x017F;. Alterthum. <hi rendition="#aq">ll</hi>. 23<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0375] zurück und es fand ſich Keiner, der den Wettſtreit mit ihm verſuchen wollte. Thetis gab ihm daher den Wagen des Patroklus zum Geſchenke. Phönix und Neſtor aber munterten die jüngeren Männer zu dieſer Gattung des Kampfes auf. Da trat Epëus, der Sohn des Panopeus, und bald nach ihm Akamas, der Sohn des Theſeus, her¬ vor; beide ſchnürten ſich ihre Hände ſchnell mit trockenen Riemen und prüften ſie, ob ſie gelenkig ſeyen: dann er¬ hoben ſie dieſelben gegen einander und, indem ſie ſich mit lauerndem Blicke umſchauten, näherten ſie ſich einander ganz leiſe auf den Zehen, Schritt für Schritt, bis ſie plötzlich, wie vom Winde getriebene Wolken, aus denen es blitzt und donnert, auf einander losſtürzten, und nun hallten vom Schlage der Riemen die Wangen und unter den Schweiſſe floß das Blut. Theſeus Sohn wehrte den raſtlos eindringenden Gegner, liſtig ausweichend, ab, und ſchlug ihn plötzlich mit der Fauſt über den Wimpern bis auf die Knochen, daß das Blut hervordrang; dafür traf ihn Jener an die Schläfe, daß Akamas taumelnd zu Bo¬ den ſank. Doch er erholte ſich wieder und der Kampf begann aufs Neue, bis die Freunde ſich dazwiſchen war¬ fen und den Erbitterten begreiflich machten, daß hier ja nicht Grieche und Trojaner ſich entgegen ſtehen. Thetis ſchenkte ihnen zwei herrliche Miſchkrüge von Silber, die ihr Sohn als Ehrengeſchenk von Lemnos gebracht hatte. Die Helden griffen freudig darnach, noch ehe ſie an die Heilung ihrer Wunden dachten. Nun warben Ajax und Teucer, die ſich ſchon im Wettlaufe gemeſſen hatten, auch um den Preis des Bogen¬ ſchießens. Als fernes Ziel ſtellte Agamemnon einen Helm mit flatternder Mähne auf: Sieger ſollte der ſeyn, deſſen Schwab, das klaſſ. Alterthum. ll. 23

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/375
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/375>, abgerufen am 22.11.2024.