Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

sich rings um ihn her geschaart. Nun begann der Kampf:
wie zwei Meere wogten die Heere sich entgegen und
schlugen aneinander Well' an Welle. Schwerter zischten
und Speere sausten, lautes Getöse hallte durch die
Schlachtreihen, und bald erhob sich in beiden Heeren
Klagelaut um die Fallenden. Bald stürzte ein Troer um
den andern vor den Stößen des Achilles nieder, wie vor einem
Sturm, der Bäume aus den Wurzeln reißt und Häuser
umwirft. Anderseits warf auch Memnon die griechischen
Schaaren darnieder, wie ein böses Verhängniß, das den
Sterblichen viel Jammer und Unheil bringt. Zwei edle
Genossen Nestors fielen von seiner Hand, und jetzt nahte
er dem Greise von Pylos selber, und es fehlte wenig,
daß Nestor von der Lanze des Aethiopiers gefallen wäre.
Denn eines seiner Wagenpferde war eben von einem
Pfeile des Paris verwundet worden, und hemmte den
Wagen seines Herrn, als Memnon mit seinem Speere
auf den Greis herzugerannt kam. Erschrocken rief dieser
seinen Sohn Antilochus zu Hülfe, und sein Wort verhallte
nicht in den Lüften. Der fromme Jüngling eilte heran,
stellte sich vor die Brust des Vaters und warf seinen
Speer nach dem Aethiopier. Dieser wich dem Geschosse
aus, aber es traf seinen Freund Aethops, den Sohn des
Pyrrhasus. Darüber ergrimmte Memnon und, wie der
Löwe auf den Eber losstürzt, warf er sich nun auf Anti¬
lochus. Dieser schleuderte einen Stein gegen den Toben¬
den, der jedoch an seinem dichten Helme abprallte. Nun
stieß ihm Memnon die Lanze durchs Herz und Antilochus
erkaufte so die Rettung seines Vaters mit dem Tode. Als
die Achiver ihn sinken sahen, bemächtigte sich ihrer aller
der Schmerz; den bittersten aber empfand der Vater, als

Schwab, das klass. Alterthum. II. 22

ſich rings um ihn her geſchaart. Nun begann der Kampf:
wie zwei Meere wogten die Heere ſich entgegen und
ſchlugen aneinander Well' an Welle. Schwerter ziſchten
und Speere ſausten, lautes Getöſe hallte durch die
Schlachtreihen, und bald erhob ſich in beiden Heeren
Klagelaut um die Fallenden. Bald ſtürzte ein Troer um
den andern vor den Stößen des Achilles nieder, wie vor einem
Sturm, der Bäume aus den Wurzeln reißt und Häuſer
umwirft. Anderſeits warf auch Memnon die griechiſchen
Schaaren darnieder, wie ein böſes Verhängniß, das den
Sterblichen viel Jammer und Unheil bringt. Zwei edle
Genoſſen Neſtors fielen von ſeiner Hand, und jetzt nahte
er dem Greiſe von Pylos ſelber, und es fehlte wenig,
daß Neſtor von der Lanze des Aethiopiers gefallen wäre.
Denn eines ſeiner Wagenpferde war eben von einem
Pfeile des Paris verwundet worden, und hemmte den
Wagen ſeines Herrn, als Memnon mit ſeinem Speere
auf den Greis herzugerannt kam. Erſchrocken rief dieſer
ſeinen Sohn Antilochus zu Hülfe, und ſein Wort verhallte
nicht in den Lüften. Der fromme Jüngling eilte heran,
ſtellte ſich vor die Bruſt des Vaters und warf ſeinen
Speer nach dem Aethiopier. Dieſer wich dem Geſchoſſe
aus, aber es traf ſeinen Freund Aethops, den Sohn des
Pyrrhaſus. Darüber ergrimmte Memnon und, wie der
Löwe auf den Eber losſtürzt, warf er ſich nun auf Anti¬
lochus. Dieſer ſchleuderte einen Stein gegen den Toben¬
den, der jedoch an ſeinem dichten Helme abprallte. Nun
ſtieß ihm Memnon die Lanze durchs Herz und Antilochus
erkaufte ſo die Rettung ſeines Vaters mit dem Tode. Als
die Achiver ihn ſinken ſahen, bemächtigte ſich ihrer aller
der Schmerz; den bitterſten aber empfand der Vater, als

Schwab, das klaſſ. Alterthum. II. 22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0359" n="337"/>
&#x017F;ich rings um ihn her ge&#x017F;chaart. Nun begann der Kampf:<lb/>
wie zwei Meere wogten die Heere &#x017F;ich entgegen und<lb/>
&#x017F;chlugen aneinander Well' an Welle. Schwerter zi&#x017F;chten<lb/>
und Speere &#x017F;austen, lautes Getö&#x017F;e hallte durch die<lb/>
Schlachtreihen, und bald erhob &#x017F;ich in beiden Heeren<lb/>
Klagelaut um die Fallenden. Bald &#x017F;türzte ein Troer um<lb/>
den andern vor den Stößen des Achilles nieder, wie vor einem<lb/>
Sturm, der Bäume aus den Wurzeln reißt und Häu&#x017F;er<lb/>
umwirft. Ander&#x017F;eits warf auch Memnon die griechi&#x017F;chen<lb/>
Schaaren darnieder, wie ein bö&#x017F;es Verhängniß, das den<lb/>
Sterblichen viel Jammer und Unheil bringt. Zwei edle<lb/>
Geno&#x017F;&#x017F;en Ne&#x017F;tors fielen von &#x017F;einer Hand, und jetzt nahte<lb/>
er dem Grei&#x017F;e von Pylos &#x017F;elber, und es fehlte wenig,<lb/>
daß Ne&#x017F;tor von der Lanze des Aethiopiers gefallen wäre.<lb/>
Denn eines &#x017F;einer Wagenpferde war eben von einem<lb/>
Pfeile des Paris verwundet worden, und hemmte den<lb/>
Wagen &#x017F;eines Herrn, als Memnon mit &#x017F;einem Speere<lb/>
auf den Greis herzugerannt kam. Er&#x017F;chrocken rief die&#x017F;er<lb/>
&#x017F;einen Sohn Antilochus zu Hülfe, und &#x017F;ein Wort verhallte<lb/>
nicht in den Lüften. Der fromme Jüngling eilte heran,<lb/>
&#x017F;tellte &#x017F;ich vor die Bru&#x017F;t des Vaters und warf &#x017F;einen<lb/>
Speer nach dem Aethiopier. Die&#x017F;er wich dem Ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;e<lb/>
aus, aber es traf &#x017F;einen Freund Aethops, den Sohn des<lb/>
Pyrrha&#x017F;us. Darüber ergrimmte Memnon und, wie der<lb/>
Löwe auf den Eber los&#x017F;türzt, warf er &#x017F;ich nun auf Anti¬<lb/>
lochus. Die&#x017F;er &#x017F;chleuderte einen Stein gegen den Toben¬<lb/>
den, der jedoch an &#x017F;einem dichten Helme abprallte. Nun<lb/>
&#x017F;tieß ihm Memnon die Lanze durchs Herz und Antilochus<lb/>
erkaufte &#x017F;o die Rettung &#x017F;eines Vaters mit dem Tode. Als<lb/>
die Achiver ihn &#x017F;inken &#x017F;ahen, bemächtigte &#x017F;ich ihrer aller<lb/>
der Schmerz; den bitter&#x017F;ten aber empfand der Vater, als<lb/>
<fw type="sig" place="bottom"><hi rendition="#g">Schwab</hi>, das kla&#x017F;&#x017F;. <hi rendition="#g">Alterthum</hi>. <hi rendition="#aq">II.</hi> 22<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[337/0359] ſich rings um ihn her geſchaart. Nun begann der Kampf: wie zwei Meere wogten die Heere ſich entgegen und ſchlugen aneinander Well' an Welle. Schwerter ziſchten und Speere ſausten, lautes Getöſe hallte durch die Schlachtreihen, und bald erhob ſich in beiden Heeren Klagelaut um die Fallenden. Bald ſtürzte ein Troer um den andern vor den Stößen des Achilles nieder, wie vor einem Sturm, der Bäume aus den Wurzeln reißt und Häuſer umwirft. Anderſeits warf auch Memnon die griechiſchen Schaaren darnieder, wie ein böſes Verhängniß, das den Sterblichen viel Jammer und Unheil bringt. Zwei edle Genoſſen Neſtors fielen von ſeiner Hand, und jetzt nahte er dem Greiſe von Pylos ſelber, und es fehlte wenig, daß Neſtor von der Lanze des Aethiopiers gefallen wäre. Denn eines ſeiner Wagenpferde war eben von einem Pfeile des Paris verwundet worden, und hemmte den Wagen ſeines Herrn, als Memnon mit ſeinem Speere auf den Greis herzugerannt kam. Erſchrocken rief dieſer ſeinen Sohn Antilochus zu Hülfe, und ſein Wort verhallte nicht in den Lüften. Der fromme Jüngling eilte heran, ſtellte ſich vor die Bruſt des Vaters und warf ſeinen Speer nach dem Aethiopier. Dieſer wich dem Geſchoſſe aus, aber es traf ſeinen Freund Aethops, den Sohn des Pyrrhaſus. Darüber ergrimmte Memnon und, wie der Löwe auf den Eber losſtürzt, warf er ſich nun auf Anti¬ lochus. Dieſer ſchleuderte einen Stein gegen den Toben¬ den, der jedoch an ſeinem dichten Helme abprallte. Nun ſtieß ihm Memnon die Lanze durchs Herz und Antilochus erkaufte ſo die Rettung ſeines Vaters mit dem Tode. Als die Achiver ihn ſinken ſahen, bemächtigte ſich ihrer aller der Schmerz; den bitterſten aber empfand der Vater, als Schwab, das klaſſ. Alterthum. II. 22

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/359
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/359>, abgerufen am 29.11.2024.