sich rings um ihn her geschaart. Nun begann der Kampf: wie zwei Meere wogten die Heere sich entgegen und schlugen aneinander Well' an Welle. Schwerter zischten und Speere sausten, lautes Getöse hallte durch die Schlachtreihen, und bald erhob sich in beiden Heeren Klagelaut um die Fallenden. Bald stürzte ein Troer um den andern vor den Stößen des Achilles nieder, wie vor einem Sturm, der Bäume aus den Wurzeln reißt und Häuser umwirft. Anderseits warf auch Memnon die griechischen Schaaren darnieder, wie ein böses Verhängniß, das den Sterblichen viel Jammer und Unheil bringt. Zwei edle Genossen Nestors fielen von seiner Hand, und jetzt nahte er dem Greise von Pylos selber, und es fehlte wenig, daß Nestor von der Lanze des Aethiopiers gefallen wäre. Denn eines seiner Wagenpferde war eben von einem Pfeile des Paris verwundet worden, und hemmte den Wagen seines Herrn, als Memnon mit seinem Speere auf den Greis herzugerannt kam. Erschrocken rief dieser seinen Sohn Antilochus zu Hülfe, und sein Wort verhallte nicht in den Lüften. Der fromme Jüngling eilte heran, stellte sich vor die Brust des Vaters und warf seinen Speer nach dem Aethiopier. Dieser wich dem Geschosse aus, aber es traf seinen Freund Aethops, den Sohn des Pyrrhasus. Darüber ergrimmte Memnon und, wie der Löwe auf den Eber losstürzt, warf er sich nun auf Anti¬ lochus. Dieser schleuderte einen Stein gegen den Toben¬ den, der jedoch an seinem dichten Helme abprallte. Nun stieß ihm Memnon die Lanze durchs Herz und Antilochus erkaufte so die Rettung seines Vaters mit dem Tode. Als die Achiver ihn sinken sahen, bemächtigte sich ihrer aller der Schmerz; den bittersten aber empfand der Vater, als
Schwab, das klass. Alterthum. II. 22
ſich rings um ihn her geſchaart. Nun begann der Kampf: wie zwei Meere wogten die Heere ſich entgegen und ſchlugen aneinander Well' an Welle. Schwerter ziſchten und Speere ſausten, lautes Getöſe hallte durch die Schlachtreihen, und bald erhob ſich in beiden Heeren Klagelaut um die Fallenden. Bald ſtürzte ein Troer um den andern vor den Stößen des Achilles nieder, wie vor einem Sturm, der Bäume aus den Wurzeln reißt und Häuſer umwirft. Anderſeits warf auch Memnon die griechiſchen Schaaren darnieder, wie ein böſes Verhängniß, das den Sterblichen viel Jammer und Unheil bringt. Zwei edle Genoſſen Neſtors fielen von ſeiner Hand, und jetzt nahte er dem Greiſe von Pylos ſelber, und es fehlte wenig, daß Neſtor von der Lanze des Aethiopiers gefallen wäre. Denn eines ſeiner Wagenpferde war eben von einem Pfeile des Paris verwundet worden, und hemmte den Wagen ſeines Herrn, als Memnon mit ſeinem Speere auf den Greis herzugerannt kam. Erſchrocken rief dieſer ſeinen Sohn Antilochus zu Hülfe, und ſein Wort verhallte nicht in den Lüften. Der fromme Jüngling eilte heran, ſtellte ſich vor die Bruſt des Vaters und warf ſeinen Speer nach dem Aethiopier. Dieſer wich dem Geſchoſſe aus, aber es traf ſeinen Freund Aethops, den Sohn des Pyrrhaſus. Darüber ergrimmte Memnon und, wie der Löwe auf den Eber losſtürzt, warf er ſich nun auf Anti¬ lochus. Dieſer ſchleuderte einen Stein gegen den Toben¬ den, der jedoch an ſeinem dichten Helme abprallte. Nun ſtieß ihm Memnon die Lanze durchs Herz und Antilochus erkaufte ſo die Rettung ſeines Vaters mit dem Tode. Als die Achiver ihn ſinken ſahen, bemächtigte ſich ihrer aller der Schmerz; den bitterſten aber empfand der Vater, als
Schwab, das klaſſ. Alterthum. II. 22
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ſich rings um ihn her geſchaart. Nun begann der Kampf:
wie zwei Meere wogten die Heere ſich entgegen und
ſchlugen aneinander Well' an Welle. Schwerter ziſchten
und Speere ſausten, lautes Getöſe hallte durch die
Schlachtreihen, und bald erhob ſich in beiden Heeren
Klagelaut um die Fallenden. Bald ſtürzte ein Troer um
den andern vor den Stößen des Achilles nieder, wie vor einem
Sturm, der Bäume aus den Wurzeln reißt und Häuſer
umwirft. Anderſeits warf auch Memnon die griechiſchen
Schaaren darnieder, wie ein böſes Verhängniß, das den
Sterblichen viel Jammer und Unheil bringt. Zwei edle
Genoſſen Neſtors fielen von ſeiner Hand, und jetzt nahte
er dem Greiſe von Pylos ſelber, und es fehlte wenig,
daß Neſtor von der Lanze des Aethiopiers gefallen wäre.
Denn eines ſeiner Wagenpferde war eben von einem
Pfeile des Paris verwundet worden, und hemmte den
Wagen ſeines Herrn, als Memnon mit ſeinem Speere
auf den Greis herzugerannt kam. Erſchrocken rief dieſer
ſeinen Sohn Antilochus zu Hülfe, und ſein Wort verhallte
nicht in den Lüften. Der fromme Jüngling eilte heran,
ſtellte ſich vor die Bruſt des Vaters und warf ſeinen
Speer nach dem Aethiopier. Dieſer wich dem Geſchoſſe
aus, aber es traf ſeinen Freund Aethops, den Sohn des
Pyrrhaſus. Darüber ergrimmte Memnon und, wie der
Löwe auf den Eber losſtürzt, warf er ſich nun auf Anti¬
lochus. Dieſer ſchleuderte einen Stein gegen den Toben¬
den, der jedoch an ſeinem dichten Helme abprallte. Nun
ſtieß ihm Memnon die Lanze durchs Herz und Antilochus
erkaufte ſo die Rettung ſeines Vaters mit dem Tode. Als
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der Schmerz; den bitterſten aber empfand der Vater, als
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/359>, abgerufen am 29.11.2024.
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