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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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liegen mag, so lasse sich doch Keiner von euch einfallen,
sich mir deßhalb mit Bitten zu nahen, und für einen
Sohn oder einen Freund zu flehen: denn die Schicksals¬
göttinnen sind unerbittlich, für mich wie für euch!

Keiner der Unsterblichen wagte es, dem Göttervater
zu widersprechen; schweigend verließen sie das Mahl und
Jeder in seinem Hause warf sich traurig auf das Lager,
bis auch der Götter sich der Schlaf erbarmte.

Am andern Morgen stieg Aurora nur widerstrebend
am Himmel auf, denn auch sie hatte das Wort Jupiters
vernommen und ihr Herz sagte ihr voraus, welch ein Schicksal
ihrem geliebten Sohne Memnon bevorstand. Dieser aber
war schon in aller Frühe erwacht, als kaum die Gestirne
bleichten; er schüttelte sich den Schlaf, den letzten auf
Erden, von den Wimpern, und sprang vom Lager voll
Sehnen, den entscheidenden Kampf für seine Freunde mit
den Griechen zu beginnen. Auch die Trojaner warfen
sich in ihre Rüstungen, und mit ihnen die zahllosen Gäste
aus Aethiopien. Ohne sich lange zu verweilen, strömten
die Schaaren Sturmgewölke gleich, das vom Winde ge¬
trieben wird, zu den Thoren hinaus aufs Blachfeld; die
ganze Straße wogte von dichtem Gedränge, und der
Staub erhob sich unter ihren Füßen.

Als die Griechen sie aus der Ferne heranziehen sa¬
hen, staunten sie, waffneten sich in Eile und zogen aus:
Achilles, auf welchen sie vertrauten, in ihrer Mitte, stolz
auf seinem Wagen stehend, wie ein Titane und gleich
einem Donnergeschoß in Jupiters Hand. Aber in der
Mitte des trojanischen Heeres zog nicht minder herrlich
Memnon einher, dem Kriegsgotte selber zu vergleichen;
und sein unendliches Volk, gehorsam und kampflustig, hatte

liegen mag, ſo laſſe ſich doch Keiner von euch einfallen,
ſich mir deßhalb mit Bitten zu nahen, und für einen
Sohn oder einen Freund zu flehen: denn die Schickſals¬
göttinnen ſind unerbittlich, für mich wie für euch!

Keiner der Unſterblichen wagte es, dem Göttervater
zu widerſprechen; ſchweigend verließen ſie das Mahl und
Jeder in ſeinem Hauſe warf ſich traurig auf das Lager,
bis auch der Götter ſich der Schlaf erbarmte.

Am andern Morgen ſtieg Aurora nur widerſtrebend
am Himmel auf, denn auch ſie hatte das Wort Jupiters
vernommen und ihr Herz ſagte ihr voraus, welch ein Schickſal
ihrem geliebten Sohne Memnon bevorſtand. Dieſer aber
war ſchon in aller Frühe erwacht, als kaum die Geſtirne
bleichten; er ſchüttelte ſich den Schlaf, den letzten auf
Erden, von den Wimpern, und ſprang vom Lager voll
Sehnen, den entſcheidenden Kampf für ſeine Freunde mit
den Griechen zu beginnen. Auch die Trojaner warfen
ſich in ihre Rüſtungen, und mit ihnen die zahlloſen Gäſte
aus Aethiopien. Ohne ſich lange zu verweilen, ſtrömten
die Schaaren Sturmgewölke gleich, das vom Winde ge¬
trieben wird, zu den Thoren hinaus aufs Blachfeld; die
ganze Straße wogte von dichtem Gedränge, und der
Staub erhob ſich unter ihren Füßen.

Als die Griechen ſie aus der Ferne heranziehen ſa¬
hen, ſtaunten ſie, waffneten ſich in Eile und zogen aus:
Achilles, auf welchen ſie vertrauten, in ihrer Mitte, ſtolz
auf ſeinem Wagen ſtehend, wie ein Titane und gleich
einem Donnergeſchoß in Jupiters Hand. Aber in der
Mitte des trojaniſchen Heeres zog nicht minder herrlich
Memnon einher, dem Kriegsgotte ſelber zu vergleichen;
und ſein unendliches Volk, gehorſam und kampfluſtig, hatte

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[336/0358] liegen mag, ſo laſſe ſich doch Keiner von euch einfallen, ſich mir deßhalb mit Bitten zu nahen, und für einen Sohn oder einen Freund zu flehen: denn die Schickſals¬ göttinnen ſind unerbittlich, für mich wie für euch! Keiner der Unſterblichen wagte es, dem Göttervater zu widerſprechen; ſchweigend verließen ſie das Mahl und Jeder in ſeinem Hauſe warf ſich traurig auf das Lager, bis auch der Götter ſich der Schlaf erbarmte. Am andern Morgen ſtieg Aurora nur widerſtrebend am Himmel auf, denn auch ſie hatte das Wort Jupiters vernommen und ihr Herz ſagte ihr voraus, welch ein Schickſal ihrem geliebten Sohne Memnon bevorſtand. Dieſer aber war ſchon in aller Frühe erwacht, als kaum die Geſtirne bleichten; er ſchüttelte ſich den Schlaf, den letzten auf Erden, von den Wimpern, und ſprang vom Lager voll Sehnen, den entſcheidenden Kampf für ſeine Freunde mit den Griechen zu beginnen. Auch die Trojaner warfen ſich in ihre Rüſtungen, und mit ihnen die zahlloſen Gäſte aus Aethiopien. Ohne ſich lange zu verweilen, ſtrömten die Schaaren Sturmgewölke gleich, das vom Winde ge¬ trieben wird, zu den Thoren hinaus aufs Blachfeld; die ganze Straße wogte von dichtem Gedränge, und der Staub erhob ſich unter ihren Füßen. Als die Griechen ſie aus der Ferne heranziehen ſa¬ hen, ſtaunten ſie, waffneten ſich in Eile und zogen aus: Achilles, auf welchen ſie vertrauten, in ihrer Mitte, ſtolz auf ſeinem Wagen ſtehend, wie ein Titane und gleich einem Donnergeſchoß in Jupiters Hand. Aber in der Mitte des trojaniſchen Heeres zog nicht minder herrlich Memnon einher, dem Kriegsgotte ſelber zu vergleichen; und ſein unendliches Volk, gehorſam und kampfluſtig, hatte

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/358>, abgerufen am 25.11.2024.