Glaukus der Lycier aber heftete einen finstern Blick auf Hektor und sprach zu ihm die strafenden Worte: "Umsonst erhebt dich der Ruf, Hektor, wenn du dich so zagend vor dem Helden flüchtest! Denke nur darauf, wie du allein die Stadt vertheidigest! Wenigstens ficht hinfort kein Lycier mehr an deiner Seite. Denn welchen geringeren Mann im Heere wirst du vertheidigen, nachdem du unsern Fürsten Sarpedon, deinen Gastfreund und Kampfgenossen, den Danaern und den Hunden preisgege¬ ben, hast liegen lassen? Wären die Trojaner an Kühn¬ heit uns gleich, so würden wir bald die Leiche des Pa¬ troklus in die Mauern Troja's hereinziehen; dann würden die Achiver auch bald den Leichnam Sarpedons abliefern, um nur wieder seine Rüstung zu erhalten!" Es wußte nämlich Glaukus nicht, daß Apollo die Leiche Sarpedons den Griechen entführt hatte.
"Du bist nicht klug, Freund Glaukus," erwiederte Hektor, "wenn du meinst, ich fürchte mich vor der Ueber¬ macht des Ajax. Noch kein Kampf je hat mir Grauen gemacht. Aber Jupiters Rathschluß ist mächtiger, als unsre Tapferkeit. Jetzt jedoch tritt näher, mein Freund, schau mein Thun an, und urtheile, ob ich so verzagt sey, wie du so eben gesprochen!" Mit diesen Worten flog er seinen Freunden nach, welche die Waffen des Peliden, die Patroklus angethan hatte, als Beute der Stadt zu¬ trugen. Er vertauschte, bei ihnen angekommen, seine eigne Rüstung mit der Rüstung des Achilles, und zog die unsterb¬ liche Wehre an, welche die Götter des Himmels selbst dem Helden Peleus bei seiner Hochzeit mit der Meeres¬ göttin Thetis geschenkt hatten, und die der Vater dem
Glaukus der Lycier aber heftete einen finſtern Blick auf Hektor und ſprach zu ihm die ſtrafenden Worte: „Umſonſt erhebt dich der Ruf, Hektor, wenn du dich ſo zagend vor dem Helden flüchteſt! Denke nur darauf, wie du allein die Stadt vertheidigeſt! Wenigſtens ficht hinfort kein Lycier mehr an deiner Seite. Denn welchen geringeren Mann im Heere wirſt du vertheidigen, nachdem du unſern Fürſten Sarpedon, deinen Gaſtfreund und Kampfgenoſſen, den Danaern und den Hunden preisgege¬ ben, haſt liegen laſſen? Wären die Trojaner an Kühn¬ heit uns gleich, ſo würden wir bald die Leiche des Pa¬ troklus in die Mauern Troja's hereinziehen; dann würden die Achiver auch bald den Leichnam Sarpedons abliefern, um nur wieder ſeine Rüſtung zu erhalten!“ Es wußte nämlich Glaukus nicht, daß Apollo die Leiche Sarpedons den Griechen entführt hatte.
„Du biſt nicht klug, Freund Glaukus,“ erwiederte Hektor, „wenn du meinſt, ich fürchte mich vor der Ueber¬ macht des Ajax. Noch kein Kampf je hat mir Grauen gemacht. Aber Jupiters Rathſchluß iſt mächtiger, als unſre Tapferkeit. Jetzt jedoch tritt näher, mein Freund, ſchau mein Thun an, und urtheile, ob ich ſo verzagt ſey, wie du ſo eben geſprochen!“ Mit dieſen Worten flog er ſeinen Freunden nach, welche die Waffen des Peliden, die Patroklus angethan hatte, als Beute der Stadt zu¬ trugen. Er vertauſchte, bei ihnen angekommen, ſeine eigne Rüſtung mit der Rüſtung des Achilles, und zog die unſterb¬ liche Wehre an, welche die Götter des Himmels ſelbſt dem Helden Peleus bei ſeiner Hochzeit mit der Meeres¬ göttin Thetis geſchenkt hatten, und die der Vater dem
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Glaukus der Lycier aber heftete einen finſtern Blick
auf Hektor und ſprach zu ihm die ſtrafenden Worte:
„Umſonſt erhebt dich der Ruf, Hektor, wenn du dich ſo
zagend vor dem Helden flüchteſt! Denke nur darauf,
wie du allein die Stadt vertheidigeſt! Wenigſtens ficht
hinfort kein Lycier mehr an deiner Seite. Denn welchen
geringeren Mann im Heere wirſt du vertheidigen, nachdem
du unſern Fürſten Sarpedon, deinen Gaſtfreund und
Kampfgenoſſen, den Danaern und den Hunden preisgege¬
ben, haſt liegen laſſen? Wären die Trojaner an Kühn¬
heit uns gleich, ſo würden wir bald die Leiche des Pa¬
troklus in die Mauern Troja's hereinziehen; dann würden
die Achiver auch bald den Leichnam Sarpedons abliefern,
um nur wieder ſeine Rüſtung zu erhalten!“ Es wußte
nämlich Glaukus nicht, daß Apollo die Leiche Sarpedons
den Griechen entführt hatte.
„Du biſt nicht klug, Freund Glaukus,“ erwiederte
Hektor, „wenn du meinſt, ich fürchte mich vor der Ueber¬
macht des Ajax. Noch kein Kampf je hat mir Grauen
gemacht. Aber Jupiters Rathſchluß iſt mächtiger, als
unſre Tapferkeit. Jetzt jedoch tritt näher, mein Freund,
ſchau mein Thun an, und urtheile, ob ich ſo verzagt ſey,
wie du ſo eben geſprochen!“ Mit dieſen Worten flog er
ſeinen Freunden nach, welche die Waffen des Peliden,
die Patroklus angethan hatte, als Beute der Stadt zu¬
trugen. Er vertauſchte, bei ihnen angekommen, ſeine eigne
Rüſtung mit der Rüſtung des Achilles, und zog die unſterb¬
liche Wehre an, welche die Götter des Himmels ſelbſt
dem Helden Peleus bei ſeiner Hochzeit mit der Meeres¬
göttin Thetis geſchenkt hatten, und die der Vater dem
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/251>, abgerufen am 25.11.2024.
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