als einer unerreichbaren Beute, abzulassen, und sich wieder der Leiche des Euphorbus zuzuwenden. Er kehrte um, und plötzlich ward er den Fürsten Menelaus gewahr, wie er sich die herrliche Wehre des Euphorbus, über den blutenden Leichnam hingebückt, zueignete. Dieser vernahm den schmetternden Weheruf des trojanischen Helden, und mußte sich erröthend gestehen, daß er dem mit seinen Troerschaaren heranstürmenden Hektor nicht Stand halten könne. So wich denn Menelaus, Leichnam und Rüstung zurücklassend, doch nur unwillig, schaute sich, zurückeilend, von Zeit zu Zeit um, stand still und suchte den großen Ajax in der Schlacht. Als er ihn endlich zur Linken im Gemenge des Treffens erkannte, eilte er auf ihn zu und forderte ihn auf, mit ihm selbst dem Kampf um die Leiche des Patroklus zuzueilen. Es war die höchste Zeit, als beide sich wieder dem Platze näherten, wo der Sohn des Menötius gefallen war. Denn Hektor beschäftigte sich eben damit, nachdem er dem Leichnam des Patroklus die Rüstung abgezogen, diesen an sich zu ziehen, um ihm mit dem Schwerte den Kopf von der Schulter zu hauen, und den geschleiften Leib den Hunden zum Fraß vorzuwerfen. Wie er aber den Ajax unter seinem siebenhäutigen Stier¬ schilde herannahen sah, ließ er von dem blutigen Vorha¬ ben ab, und flüchtete sich schnell in die Schaar seiner Streitgenossen zurück. Dort sprang er empor in seinen Wagen, und übergab die Rüstung des Patroklus den Freunden, damit sie ihm dieselbe zur Stadt trügen, wo sie als Denkmahl seines Ruhmes aufbewahrt werden sollte. Vor die Leiche selbst warf sich Ajax wie ein Löwe vor seinen Jungen hin, und neben ihm stellte sich Mene¬ laus auf.
als einer unerreichbaren Beute, abzulaſſen, und ſich wieder der Leiche des Euphorbus zuzuwenden. Er kehrte um, und plötzlich ward er den Fürſten Menelaus gewahr, wie er ſich die herrliche Wehre des Euphorbus, über den blutenden Leichnam hingebückt, zueignete. Dieſer vernahm den ſchmetternden Weheruf des trojaniſchen Helden, und mußte ſich erröthend geſtehen, daß er dem mit ſeinen Troerſchaaren heranſtürmenden Hektor nicht Stand halten könne. So wich denn Menelaus, Leichnam und Rüſtung zurücklaſſend, doch nur unwillig, ſchaute ſich, zurückeilend, von Zeit zu Zeit um, ſtand ſtill und ſuchte den großen Ajax in der Schlacht. Als er ihn endlich zur Linken im Gemenge des Treffens erkannte, eilte er auf ihn zu und forderte ihn auf, mit ihm ſelbſt dem Kampf um die Leiche des Patroklus zuzueilen. Es war die höchſte Zeit, als beide ſich wieder dem Platze näherten, wo der Sohn des Menötius gefallen war. Denn Hektor beſchäftigte ſich eben damit, nachdem er dem Leichnam des Patroklus die Rüſtung abgezogen, dieſen an ſich zu ziehen, um ihm mit dem Schwerte den Kopf von der Schulter zu hauen, und den geſchleiften Leib den Hunden zum Fraß vorzuwerfen. Wie er aber den Ajax unter ſeinem ſiebenhäutigen Stier¬ ſchilde herannahen ſah, ließ er von dem blutigen Vorha¬ ben ab, und flüchtete ſich ſchnell in die Schaar ſeiner Streitgenoſſen zurück. Dort ſprang er empor in ſeinen Wagen, und übergab die Rüſtung des Patroklus den Freunden, damit ſie ihm dieſelbe zur Stadt trügen, wo ſie als Denkmahl ſeines Ruhmes aufbewahrt werden ſollte. Vor die Leiche ſelbſt warf ſich Ajax wie ein Löwe vor ſeinen Jungen hin, und neben ihm ſtellte ſich Mene¬ laus auf.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0250"n="228"/>
als einer unerreichbaren Beute, abzulaſſen, und ſich wieder<lb/>
der Leiche des Euphorbus zuzuwenden. Er kehrte um,<lb/>
und plötzlich ward er den Fürſten Menelaus gewahr, wie<lb/>
er ſich die herrliche Wehre des Euphorbus, über den<lb/>
blutenden Leichnam hingebückt, zueignete. Dieſer vernahm<lb/>
den ſchmetternden Weheruf des trojaniſchen Helden, und<lb/>
mußte ſich erröthend geſtehen, daß er dem mit ſeinen<lb/>
Troerſchaaren heranſtürmenden Hektor nicht Stand halten<lb/>
könne. So wich denn Menelaus, Leichnam und Rüſtung<lb/>
zurücklaſſend, doch nur unwillig, ſchaute ſich, zurückeilend,<lb/>
von Zeit zu Zeit um, ſtand ſtill und ſuchte den großen<lb/>
Ajax in der Schlacht. Als er ihn endlich zur Linken im<lb/>
Gemenge des Treffens erkannte, eilte er auf ihn zu und<lb/>
forderte ihn auf, mit ihm ſelbſt dem Kampf um die Leiche<lb/>
des Patroklus zuzueilen. Es war die höchſte Zeit, als<lb/>
beide ſich wieder dem Platze näherten, wo der Sohn des<lb/>
Menötius gefallen war. Denn Hektor beſchäftigte ſich<lb/>
eben damit, nachdem er dem Leichnam des Patroklus die<lb/>
Rüſtung abgezogen, dieſen an ſich zu ziehen, um ihm mit<lb/>
dem Schwerte den Kopf von der Schulter zu hauen, und<lb/>
den geſchleiften Leib den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.<lb/>
Wie er aber den Ajax unter ſeinem ſiebenhäutigen Stier¬<lb/>ſchilde herannahen ſah, ließ er von dem blutigen Vorha¬<lb/>
ben ab, und flüchtete ſich ſchnell in die Schaar ſeiner<lb/>
Streitgenoſſen zurück. Dort ſprang er empor in ſeinen<lb/>
Wagen, und übergab die Rüſtung des Patroklus den<lb/>
Freunden, damit ſie ihm dieſelbe zur Stadt trügen, wo<lb/>ſie als Denkmahl ſeines Ruhmes aufbewahrt werden ſollte.<lb/>
Vor die Leiche ſelbſt warf ſich Ajax wie ein Löwe vor<lb/>ſeinen Jungen hin, und neben ihm ſtellte ſich Mene¬<lb/>
laus auf.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[228/0250]
als einer unerreichbaren Beute, abzulaſſen, und ſich wieder
der Leiche des Euphorbus zuzuwenden. Er kehrte um,
und plötzlich ward er den Fürſten Menelaus gewahr, wie
er ſich die herrliche Wehre des Euphorbus, über den
blutenden Leichnam hingebückt, zueignete. Dieſer vernahm
den ſchmetternden Weheruf des trojaniſchen Helden, und
mußte ſich erröthend geſtehen, daß er dem mit ſeinen
Troerſchaaren heranſtürmenden Hektor nicht Stand halten
könne. So wich denn Menelaus, Leichnam und Rüſtung
zurücklaſſend, doch nur unwillig, ſchaute ſich, zurückeilend,
von Zeit zu Zeit um, ſtand ſtill und ſuchte den großen
Ajax in der Schlacht. Als er ihn endlich zur Linken im
Gemenge des Treffens erkannte, eilte er auf ihn zu und
forderte ihn auf, mit ihm ſelbſt dem Kampf um die Leiche
des Patroklus zuzueilen. Es war die höchſte Zeit, als
beide ſich wieder dem Platze näherten, wo der Sohn des
Menötius gefallen war. Denn Hektor beſchäftigte ſich
eben damit, nachdem er dem Leichnam des Patroklus die
Rüſtung abgezogen, dieſen an ſich zu ziehen, um ihm mit
dem Schwerte den Kopf von der Schulter zu hauen, und
den geſchleiften Leib den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.
Wie er aber den Ajax unter ſeinem ſiebenhäutigen Stier¬
ſchilde herannahen ſah, ließ er von dem blutigen Vorha¬
ben ab, und flüchtete ſich ſchnell in die Schaar ſeiner
Streitgenoſſen zurück. Dort ſprang er empor in ſeinen
Wagen, und übergab die Rüſtung des Patroklus den
Freunden, damit ſie ihm dieſelbe zur Stadt trügen, wo
ſie als Denkmahl ſeines Ruhmes aufbewahrt werden ſollte.
Vor die Leiche ſelbſt warf ſich Ajax wie ein Löwe vor
ſeinen Jungen hin, und neben ihm ſtellte ſich Mene¬
laus auf.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/250>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.