Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte, und kein anderer Gott Dankopfer empfangen hatte,
als der Donnerer. Aus diesem spendete er auch jetzt, in
die Mitte seines Hofes tretend, unter Gebete dem Vater
Jupiter, und bat ihn, den Griechen Sieg zu verleihen,
seinen Waffengenossen Patroklus aber unverletzt zu den
Schiffen zurückzugeleiten. Zu der ersten Bitte winkte Zeus
Gewährung, zur zweiten schüttelte er sein Haupt, beides
von dem Helden ungesehen. Achilles ging in sein Zelt
zurück, den Becher wieder aufzubewahren, dann stellte er sich
wieder vor sein Zelt, um dem blutigen Kampfe zwischen
Griechen und Trojanern zuzusehen.

Die Myrmidonen zogen indessen, den Führer Patro¬
klus an der Spitze, wie ein Wespenschwarm am Heerweg.
Als die Trojaner ihn kommen sahen, schlug ihnen das
Herz vor Schrecken und ihre Geschwader geriethen in
Verwirrung, denn sie glaubten, Achilles selbst habe sich,
den Groll aus der Seele verbannt, von den Zelten auf¬
gemacht, und schon fingen sie an umherzublicken, wie sie
dem Verderben entrinnen könnten. Patroklus benützte ihre
Furcht und schwang seine blinkende Lanze gerade in ihre
Mitte hinein, wo am Schiffe des Protesilaus das Getüm¬
mel am stärksten war. Sie traf den Päonier Pyrächmes,
daß er, an der rechten Schulter durchbohrt, wehklagend
rücklings auf den Boden taumelte, und die Päonier um
ihn her, alle betäubt, vor dem gewaltigen Patroklus flüch¬
teten. Das Schiff blieb halbverbrannt stehen; angstvoll
flohen alle Trojaner, die Danaerhaufen stürzten sich in
die Schiffsgassen zur Verfolgung; allenthalben tobte der
Aufruhr. Doch faßten sich die Trojaner bald wieder und
die Griechen sahen sich genöthigt, Mann für Mann zu Fuß
zu kämpfen: Patroklus durchschoß dem Arilycus den Schenkel;

hatte, und kein anderer Gott Dankopfer empfangen hatte,
als der Donnerer. Aus dieſem ſpendete er auch jetzt, in
die Mitte ſeines Hofes tretend, unter Gebete dem Vater
Jupiter, und bat ihn, den Griechen Sieg zu verleihen,
ſeinen Waffengenoſſen Patroklus aber unverletzt zu den
Schiffen zurückzugeleiten. Zu der erſten Bitte winkte Zeus
Gewährung, zur zweiten ſchüttelte er ſein Haupt, beides
von dem Helden ungeſehen. Achilles ging in ſein Zelt
zurück, den Becher wieder aufzubewahren, dann ſtellte er ſich
wieder vor ſein Zelt, um dem blutigen Kampfe zwiſchen
Griechen und Trojanern zuzuſehen.

Die Myrmidonen zogen indeſſen, den Führer Patro¬
klus an der Spitze, wie ein Weſpenſchwarm am Heerweg.
Als die Trojaner ihn kommen ſahen, ſchlug ihnen das
Herz vor Schrecken und ihre Geſchwader geriethen in
Verwirrung, denn ſie glaubten, Achilles ſelbſt habe ſich,
den Groll aus der Seele verbannt, von den Zelten auf¬
gemacht, und ſchon fingen ſie an umherzublicken, wie ſie
dem Verderben entrinnen könnten. Patroklus benützte ihre
Furcht und ſchwang ſeine blinkende Lanze gerade in ihre
Mitte hinein, wo am Schiffe des Proteſilaus das Getüm¬
mel am ſtärkſten war. Sie traf den Päonier Pyrächmes,
daß er, an der rechten Schulter durchbohrt, wehklagend
rücklings auf den Boden taumelte, und die Päonier um
ihn her, alle betäubt, vor dem gewaltigen Patroklus flüch¬
teten. Das Schiff blieb halbverbrannt ſtehen; angſtvoll
flohen alle Trojaner, die Danaerhaufen ſtürzten ſich in
die Schiffsgaſſen zur Verfolgung; allenthalben tobte der
Aufruhr. Doch faßten ſich die Trojaner bald wieder und
die Griechen ſahen ſich genöthigt, Mann für Mann zu Fuß
zu kämpfen: Patroklus durchſchoß dem Arilycus den Schenkel;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0241" n="219"/>
hatte, und kein anderer Gott Dankopfer empfangen hatte,<lb/>
als der Donnerer. Aus die&#x017F;em &#x017F;pendete er auch jetzt, in<lb/>
die Mitte &#x017F;eines Hofes tretend, unter Gebete dem Vater<lb/>
Jupiter, und bat ihn, den Griechen Sieg zu verleihen,<lb/>
&#x017F;einen Waffengeno&#x017F;&#x017F;en Patroklus aber unverletzt zu den<lb/>
Schiffen zurückzugeleiten. Zu der er&#x017F;ten Bitte winkte Zeus<lb/>
Gewährung, zur zweiten &#x017F;chüttelte er &#x017F;ein Haupt, beides<lb/>
von dem Helden unge&#x017F;ehen. Achilles ging in &#x017F;ein Zelt<lb/>
zurück, den Becher wieder aufzubewahren, dann &#x017F;tellte er &#x017F;ich<lb/>
wieder vor &#x017F;ein Zelt, um dem blutigen Kampfe zwi&#x017F;chen<lb/>
Griechen und Trojanern zuzu&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Die Myrmidonen zogen inde&#x017F;&#x017F;en, den Führer Patro¬<lb/>
klus an der Spitze, wie ein We&#x017F;pen&#x017F;chwarm am Heerweg.<lb/>
Als die Trojaner ihn kommen &#x017F;ahen, &#x017F;chlug ihnen das<lb/>
Herz vor Schrecken und ihre Ge&#x017F;chwader geriethen in<lb/>
Verwirrung, denn &#x017F;ie glaubten, Achilles &#x017F;elb&#x017F;t habe &#x017F;ich,<lb/>
den Groll aus der Seele verbannt, von den Zelten auf¬<lb/>
gemacht, und &#x017F;chon fingen &#x017F;ie an umherzublicken, wie &#x017F;ie<lb/>
dem Verderben entrinnen könnten. Patroklus benützte ihre<lb/>
Furcht und &#x017F;chwang &#x017F;eine blinkende Lanze gerade in ihre<lb/>
Mitte hinein, wo am Schiffe des Prote&#x017F;ilaus das Getüm¬<lb/>
mel am &#x017F;tärk&#x017F;ten war. Sie traf den Päonier Pyrächmes,<lb/>
daß er, an der rechten Schulter durchbohrt, wehklagend<lb/>
rücklings auf den Boden taumelte, und die Päonier um<lb/>
ihn her, alle betäubt, vor dem gewaltigen Patroklus flüch¬<lb/>
teten. Das Schiff blieb halbverbrannt &#x017F;tehen; ang&#x017F;tvoll<lb/>
flohen alle Trojaner, die Danaerhaufen &#x017F;türzten &#x017F;ich in<lb/>
die Schiffsga&#x017F;&#x017F;en zur Verfolgung; allenthalben tobte der<lb/>
Aufruhr. Doch faßten &#x017F;ich die Trojaner bald wieder und<lb/>
die Griechen &#x017F;ahen &#x017F;ich genöthigt, Mann für Mann zu Fuß<lb/>
zu kämpfen: Patroklus durch&#x017F;choß dem Arilycus den Schenkel;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0241] hatte, und kein anderer Gott Dankopfer empfangen hatte, als der Donnerer. Aus dieſem ſpendete er auch jetzt, in die Mitte ſeines Hofes tretend, unter Gebete dem Vater Jupiter, und bat ihn, den Griechen Sieg zu verleihen, ſeinen Waffengenoſſen Patroklus aber unverletzt zu den Schiffen zurückzugeleiten. Zu der erſten Bitte winkte Zeus Gewährung, zur zweiten ſchüttelte er ſein Haupt, beides von dem Helden ungeſehen. Achilles ging in ſein Zelt zurück, den Becher wieder aufzubewahren, dann ſtellte er ſich wieder vor ſein Zelt, um dem blutigen Kampfe zwiſchen Griechen und Trojanern zuzuſehen. Die Myrmidonen zogen indeſſen, den Führer Patro¬ klus an der Spitze, wie ein Weſpenſchwarm am Heerweg. Als die Trojaner ihn kommen ſahen, ſchlug ihnen das Herz vor Schrecken und ihre Geſchwader geriethen in Verwirrung, denn ſie glaubten, Achilles ſelbſt habe ſich, den Groll aus der Seele verbannt, von den Zelten auf¬ gemacht, und ſchon fingen ſie an umherzublicken, wie ſie dem Verderben entrinnen könnten. Patroklus benützte ihre Furcht und ſchwang ſeine blinkende Lanze gerade in ihre Mitte hinein, wo am Schiffe des Proteſilaus das Getüm¬ mel am ſtärkſten war. Sie traf den Päonier Pyrächmes, daß er, an der rechten Schulter durchbohrt, wehklagend rücklings auf den Boden taumelte, und die Päonier um ihn her, alle betäubt, vor dem gewaltigen Patroklus flüch¬ teten. Das Schiff blieb halbverbrannt ſtehen; angſtvoll flohen alle Trojaner, die Danaerhaufen ſtürzten ſich in die Schiffsgaſſen zur Verfolgung; allenthalben tobte der Aufruhr. Doch faßten ſich die Trojaner bald wieder und die Griechen ſahen ſich genöthigt, Mann für Mann zu Fuß zu kämpfen: Patroklus durchſchoß dem Arilycus den Schenkel;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/241
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/241>, abgerufen am 05.12.2024.