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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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bist doch einer der Zanksüchtigsten! Aber wisse, die Tochter
des Chryses erhält zwar ihr Vater wieder, ich dagegen
hole mir selbst die liebliche Briseis aus deinem Zelte,
damit du lernest, wie viel ich höher als du sey, und kei¬
ner mehr es wage, mir ins Antlitz zu trotzen, wie
du thust!"

Achilles entbrannte, sein Herz rathschlagte unter seiner
Männerbrust, ob er das Schwert ziehen und den Atriden
auf der Stelle niederhauen oder seinen Zorn beherrschen
solle. Da stand plötzlich unsichtbar hinter ihm die Göttin
Athene, enthüllte sich ihm allein, indem sie ihn am braunen
Lockenhaar faßte und sprach flüsternd: "Fasse dich, zücke
das Schwert nicht, schelten magst du immerhin. Wenn du
mir gehorchst, verspreche ich dir dreifache Gabe!"

Auf diese Mahnung hemmte Achilles seine Rechte am
silbernen Hefte des Schwertes und stieß es in die Scheide
zurück; aber seinen Worten ließ er freien Lauf: "Unwür¬
diger," sprach er, "wann hat dein Herz dir eingegeben, mit
den Edelsten Griechenlands in einen Hinterhalt zu ziehen,
oder in offener Schlacht zuvorderst zu kämpfen? Viel
bequemer dünkt es dir, hier im Heereslager sein Geschenk
dem zu entwenden, der es wagt, dir zu widersprechen!
Aber ich schwöre dir bei diesem Fürstenscepter, so gewiß
er nie wieder als Baumast grünen wird, hinfort siehest
du den Sohn des Peleus nicht mehr in der Schlacht;
umsonst wirst du Rettung suchen, wenn der Männer mor¬
dende Hektor die Griechen schaarenweise niederwirft; um¬
sonst wird alsdann an deiner Seele der Gram fressen,
daß du den edelsten der Danaer keiner Ehre werth geach¬
tet hast!" So sprach Achilles, warf seinen Scepter auf
die Erde und setzte sich nieder. Vergebens suchte der

biſt doch einer der Zankſüchtigſten! Aber wiſſe, die Tochter
des Chryſes erhält zwar ihr Vater wieder, ich dagegen
hole mir ſelbſt die liebliche Briſëis aus deinem Zelte,
damit du lerneſt, wie viel ich höher als du ſey, und kei¬
ner mehr es wage, mir ins Antlitz zu trotzen, wie
du thuſt!“

Achilles entbrannte, ſein Herz rathſchlagte unter ſeiner
Männerbruſt, ob er das Schwert ziehen und den Atriden
auf der Stelle niederhauen oder ſeinen Zorn beherrſchen
ſolle. Da ſtand plötzlich unſichtbar hinter ihm die Göttin
Athene, enthüllte ſich ihm allein, indem ſie ihn am braunen
Lockenhaar faßte und ſprach flüſternd: „Faſſe dich, zücke
das Schwert nicht, ſchelten magſt du immerhin. Wenn du
mir gehorchſt, verſpreche ich dir dreifache Gabe!“

Auf dieſe Mahnung hemmte Achilles ſeine Rechte am
ſilbernen Hefte des Schwertes und ſtieß es in die Scheide
zurück; aber ſeinen Worten ließ er freien Lauf: „Unwür¬
diger,“ ſprach er, „wann hat dein Herz dir eingegeben, mit
den Edelſten Griechenlands in einen Hinterhalt zu ziehen,
oder in offener Schlacht zuvorderſt zu kämpfen? Viel
bequemer dünkt es dir, hier im Heereslager ſein Geſchenk
dem zu entwenden, der es wagt, dir zu widerſprechen!
Aber ich ſchwöre dir bei dieſem Fürſtenſcepter, ſo gewiß
er nie wieder als Baumaſt grünen wird, hinfort ſieheſt
du den Sohn des Peleus nicht mehr in der Schlacht;
umſonſt wirſt du Rettung ſuchen, wenn der Männer mor¬
dende Hektor die Griechen ſchaarenweiſe niederwirft; um¬
ſonſt wird alsdann an deiner Seele der Gram freſſen,
daß du den edelſten der Danaer keiner Ehre werth geach¬
tet haſt!“ So ſprach Achilles, warf ſeinen Scepter auf
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[89/0111] biſt doch einer der Zankſüchtigſten! Aber wiſſe, die Tochter des Chryſes erhält zwar ihr Vater wieder, ich dagegen hole mir ſelbſt die liebliche Briſëis aus deinem Zelte, damit du lerneſt, wie viel ich höher als du ſey, und kei¬ ner mehr es wage, mir ins Antlitz zu trotzen, wie du thuſt!“ Achilles entbrannte, ſein Herz rathſchlagte unter ſeiner Männerbruſt, ob er das Schwert ziehen und den Atriden auf der Stelle niederhauen oder ſeinen Zorn beherrſchen ſolle. Da ſtand plötzlich unſichtbar hinter ihm die Göttin Athene, enthüllte ſich ihm allein, indem ſie ihn am braunen Lockenhaar faßte und ſprach flüſternd: „Faſſe dich, zücke das Schwert nicht, ſchelten magſt du immerhin. Wenn du mir gehorchſt, verſpreche ich dir dreifache Gabe!“ Auf dieſe Mahnung hemmte Achilles ſeine Rechte am ſilbernen Hefte des Schwertes und ſtieß es in die Scheide zurück; aber ſeinen Worten ließ er freien Lauf: „Unwür¬ diger,“ ſprach er, „wann hat dein Herz dir eingegeben, mit den Edelſten Griechenlands in einen Hinterhalt zu ziehen, oder in offener Schlacht zuvorderſt zu kämpfen? Viel bequemer dünkt es dir, hier im Heereslager ſein Geſchenk dem zu entwenden, der es wagt, dir zu widerſprechen! Aber ich ſchwöre dir bei dieſem Fürſtenſcepter, ſo gewiß er nie wieder als Baumaſt grünen wird, hinfort ſieheſt du den Sohn des Peleus nicht mehr in der Schlacht; umſonſt wirſt du Rettung ſuchen, wenn der Männer mor¬ dende Hektor die Griechen ſchaarenweiſe niederwirft; um¬ ſonſt wird alsdann an deiner Seele der Gram freſſen, daß du den edelſten der Danaer keiner Ehre werth geach¬ tet haſt!“ So ſprach Achilles, warf ſeinen Scepter auf die Erde und ſetzte ſich nieder. Vergebens ſuchte der

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/111>, abgerufen am 25.11.2024.