Rosse, die eben den Uebergang suchten, zusammt dem Wagen, dem Seher und seinem Genossen verschlang.
Der Brüder Zweikampf.
Auf solche Weise endete der Sturm auf die Stadt Thebe. Als Kreon und Eteokles mit den Ihrigen in die Mauern zurückgekehrt waren, ordnete sich das geschlagene Heer der Argiver wieder, und bald war es von Neuem im Stande, der belagerten Stadt näher zu rücken. Als dieß die Thebaner inne wurden, und die Hoffnung, das zwei¬ temal zu widerstehen, nachdem auch ihre Kräfte durch den ersten Angriff nicht wenig geschwächt worden, ziem¬ lich gesunken war, faßte der König Eteokles einen großen Entschluß. Er sandte seinen Herold zur Stadt hinaus nach dem Argiverheere, das, wieder dicht um die Mauern Thebe's gelagert, am Rande des Stadtgrabens lag, und ließ sich Stille erbitten. Dann rief er, auf der obersten Höhe der Burg stehend, seinen eigenen, inner¬ halb der Stadt aufgestellten Schaaren, und den die Stadt umringenden Argivern mit lauter Stimme zu: "Ihr Da¬ naer und Argiver alle, die ihr hierher gezogen seyd, und ihr Völker Thebe's, gebet doch so vielfaches Leben nicht, ihr Einen, dem Polynices -- noch mir, seinem Bruder, ihr Anderen, Preis! Laßt vielmehr mich selbst die Gefahr dieses Kampfes übernehmen, und so allein im Gefechte mit meinem Bruder Polynices mich messen. Tödte ich ihn, so laßt mich allein den Herrn im Hause bleiben: fall' ich von seiner Hand, so sey ihm das Scepter überlassen, und ihr Argiver senket dann die Waffen und kehret in euer
Roſſe, die eben den Uebergang ſuchten, zuſammt dem Wagen, dem Seher und ſeinem Genoſſen verſchlang.
Der Brüder Zweikampf.
Auf ſolche Weiſe endete der Sturm auf die Stadt Thebe. Als Kreon und Eteokles mit den Ihrigen in die Mauern zurückgekehrt waren, ordnete ſich das geſchlagene Heer der Argiver wieder, und bald war es von Neuem im Stande, der belagerten Stadt näher zu rücken. Als dieß die Thebaner inne wurden, und die Hoffnung, das zwei¬ temal zu widerſtehen, nachdem auch ihre Kräfte durch den erſten Angriff nicht wenig geſchwächt worden, ziem¬ lich geſunken war, faßte der König Eteokles einen großen Entſchluß. Er ſandte ſeinen Herold zur Stadt hinaus nach dem Argiverheere, das, wieder dicht um die Mauern Thebe's gelagert, am Rande des Stadtgrabens lag, und ließ ſich Stille erbitten. Dann rief er, auf der oberſten Höhe der Burg ſtehend, ſeinen eigenen, inner¬ halb der Stadt aufgeſtellten Schaaren, und den die Stadt umringenden Argivern mit lauter Stimme zu: „Ihr Da¬ naer und Argiver alle, die ihr hierher gezogen ſeyd, und ihr Völker Thebe's, gebet doch ſo vielfaches Leben nicht, ihr Einen, dem Polynices — noch mir, ſeinem Bruder, ihr Anderen, Preis! Laßt vielmehr mich ſelbſt die Gefahr dieſes Kampfes übernehmen, und ſo allein im Gefechte mit meinem Bruder Polynices mich meſſen. Tödte ich ihn, ſo laßt mich allein den Herrn im Hauſe bleiben: fall' ich von ſeiner Hand, ſo ſey ihm das Scepter überlaſſen, und ihr Argiver ſenket dann die Waffen und kehret in euer
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Roſſe, die eben den Uebergang ſuchten, zuſammt dem
Wagen, dem Seher und ſeinem Genoſſen verſchlang.
Der Brüder Zweikampf .
Auf ſolche Weiſe endete der Sturm auf die Stadt
Thebe. Als Kreon und Eteokles mit den Ihrigen in die
Mauern zurückgekehrt waren, ordnete ſich das geſchlagene
Heer der Argiver wieder, und bald war es von Neuem im
Stande, der belagerten Stadt näher zu rücken. Als dieß
die Thebaner inne wurden, und die Hoffnung, das zwei¬
temal zu widerſtehen, nachdem auch ihre Kräfte durch
den erſten Angriff nicht wenig geſchwächt worden, ziem¬
lich geſunken war, faßte der König Eteokles einen
großen Entſchluß. Er ſandte ſeinen Herold zur Stadt
hinaus nach dem Argiverheere, das, wieder dicht um die
Mauern Thebe's gelagert, am Rande des Stadtgrabens
lag, und ließ ſich Stille erbitten. Dann rief er, auf der
oberſten Höhe der Burg ſtehend, ſeinen eigenen, inner¬
halb der Stadt aufgeſtellten Schaaren, und den die Stadt
umringenden Argivern mit lauter Stimme zu: „Ihr Da¬
naer und Argiver alle, die ihr hierher gezogen ſeyd, und
ihr Völker Thebe's, gebet doch ſo vielfaches Leben nicht,
ihr Einen, dem Polynices — noch mir, ſeinem Bruder, ihr
Anderen, Preis! Laßt vielmehr mich ſelbſt die Gefahr
dieſes Kampfes übernehmen, und ſo allein im Gefechte
mit meinem Bruder Polynices mich meſſen. Tödte ich ihn,
ſo laßt mich allein den Herrn im Hauſe bleiben: fall' ich
von ſeiner Hand, ſo ſey ihm das Scepter überlaſſen, und
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/389>, abgerufen am 24.11.2024.
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