lassen; Jupiter selbst übernahm es, und traf ihn, als er schon über den Mauerkranz drang, mit seinem Don¬ nerkeule. Es war ein Schlag, daß die Erde dröhnte; seine zerrissenen Gliedmassen flogen weit umher von der Leiter, das entflammte Haar flatterte gen Himmel, das Blut floß auf die Erde; Hände und Füße rollten im Kreise wie ein Rad; der Rumpf stürzte endlich feurig auf den Boden nieder.
Der König Adrast erkannte aus diesem Zeichen, daß der Göttervater seinem Vorhaben feindselig sey; er führte seine Schaaren aus dem Stadtgraben heraus und wich mit ihnen rückwärts. Die Thebaner dagegen, als sie das Glück bringende Zeichen, das ihnen Jupiter gesandt hat¬ te, erkannten, brachen zu Fuß und zu Wagen aus der Stadt hervor; ihr Fußvolk stürzte mitten unter die argi¬ vische Heerschaar, Wagen rannten an gegen Wagen, Leichname lagen zu Haufen; der Sieg blieb den Theba¬ nern und erst nachdem sie die Feinde auf eine gute Strecke von der Stadt zurückgeworfen, kehrten sie in dieselbe zu¬ rück. Auf dieser Flucht der Argiver geschah es auch, daß der Thebanische Held Periklymenus den Seher Amphia¬ raus nach dem Strande des Flusses Ismenus verfolgte. Hier hemmte den mit Roß und Wagen Fliehenden das Wasser. Der Thebaner war ihm auf den Fersen. In der Verzweiflung hieß der Seher seinen Wagenlenker die Pferde ihren Weg durch die tiefe Fuhrt suchen, aber ehe er im Wasser war, hatte der Feind das Ufer erreicht und sein Speer drohte seinem Nacken. Da spaltete Ju¬ piter, der seinen Seher nicht auf unrühmlicher Flucht umkommen lassen wollte, mit einem Blitze den Boden, daß er sich aufthat, wie eine schwarze Höhle, und die
laſſen; Jupiter ſelbſt übernahm es, und traf ihn, als er ſchon über den Mauerkranz drang, mit ſeinem Don¬ nerkeule. Es war ein Schlag, daß die Erde dröhnte; ſeine zerriſſenen Gliedmaſſen flogen weit umher von der Leiter, das entflammte Haar flatterte gen Himmel, das Blut floß auf die Erde; Hände und Füße rollten im Kreiſe wie ein Rad; der Rumpf ſtürzte endlich feurig auf den Boden nieder.
Der König Adraſt erkannte aus dieſem Zeichen, daß der Göttervater ſeinem Vorhaben feindſelig ſey; er führte ſeine Schaaren aus dem Stadtgraben heraus und wich mit ihnen rückwärts. Die Thebaner dagegen, als ſie das Glück bringende Zeichen, das ihnen Jupiter geſandt hat¬ te, erkannten, brachen zu Fuß und zu Wagen aus der Stadt hervor; ihr Fußvolk ſtürzte mitten unter die argi¬ viſche Heerſchaar, Wagen rannten an gegen Wagen, Leichname lagen zu Haufen; der Sieg blieb den Theba¬ nern und erſt nachdem ſie die Feinde auf eine gute Strecke von der Stadt zurückgeworfen, kehrten ſie in dieſelbe zu¬ rück. Auf dieſer Flucht der Argiver geſchah es auch, daß der Thebaniſche Held Periklymenus den Seher Amphia¬ raus nach dem Strande des Fluſſes Ismenus verfolgte. Hier hemmte den mit Roß und Wagen Fliehenden das Waſſer. Der Thebaner war ihm auf den Ferſen. In der Verzweiflung hieß der Seher ſeinen Wagenlenker die Pferde ihren Weg durch die tiefe Fuhrt ſuchen, aber ehe er im Waſſer war, hatte der Feind das Ufer erreicht und ſein Speer drohte ſeinem Nacken. Da ſpaltete Ju¬ piter, der ſeinen Seher nicht auf unrühmlicher Flucht umkommen laſſen wollte, mit einem Blitze den Boden, daß er ſich aufthat, wie eine ſchwarze Höhle, und die
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laſſen; Jupiter ſelbſt übernahm es, und traf ihn, als
er ſchon über den Mauerkranz drang, mit ſeinem Don¬
nerkeule. Es war ein Schlag, daß die Erde dröhnte;
ſeine zerriſſenen Gliedmaſſen flogen weit umher von der
Leiter, das entflammte Haar flatterte gen Himmel, das
Blut floß auf die Erde; Hände und Füße rollten im
Kreiſe wie ein Rad; der Rumpf ſtürzte endlich feurig
auf den Boden nieder.
Der König Adraſt erkannte aus dieſem Zeichen, daß der
Göttervater ſeinem Vorhaben feindſelig ſey; er führte ſeine
Schaaren aus dem Stadtgraben heraus und wich mit
ihnen rückwärts. Die Thebaner dagegen, als ſie das
Glück bringende Zeichen, das ihnen Jupiter geſandt hat¬
te, erkannten, brachen zu Fuß und zu Wagen aus der
Stadt hervor; ihr Fußvolk ſtürzte mitten unter die argi¬
viſche Heerſchaar, Wagen rannten an gegen Wagen,
Leichname lagen zu Haufen; der Sieg blieb den Theba¬
nern und erſt nachdem ſie die Feinde auf eine gute Strecke
von der Stadt zurückgeworfen, kehrten ſie in dieſelbe zu¬
rück. Auf dieſer Flucht der Argiver geſchah es auch, daß
der Thebaniſche Held Periklymenus den Seher Amphia¬
raus nach dem Strande des Fluſſes Ismenus verfolgte.
Hier hemmte den mit Roß und Wagen Fliehenden das
Waſſer. Der Thebaner war ihm auf den Ferſen. In
der Verzweiflung hieß der Seher ſeinen Wagenlenker die
Pferde ihren Weg durch die tiefe Fuhrt ſuchen, aber ehe
er im Waſſer war, hatte der Feind das Ufer erreicht
und ſein Speer drohte ſeinem Nacken. Da ſpaltete Ju¬
piter, der ſeinen Seher nicht auf unrühmlicher Flucht
umkommen laſſen wollte, mit einem Blitze den Boden,
daß er ſich aufthat, wie eine ſchwarze Höhle, und die
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/388>, abgerufen am 27.11.2024.
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