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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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Heimathland zurück, ohne vor diesen Mauern euer Leben
nutzlos zu verbluten." Aus den Reihen der Argiver sprang
jetzt Polynices hervor, und rief zur Burg empor, daß er
den Vorschlag seines Bruders anzunehmen bereit sey.
Von beiden Seiten war man des blutigen Krieges, der
nur Einem von zwei Männern zu Gute kommen sollte,
schon lange müde. Daher klatschten beide Heere dem
gerechten Gedanken Beifall. Es wurde ein Vertrag dar¬
über abgeschlossen und der Eid der Führer bekräftigte
ihn von beiden Seiten auf dem Felde, das zwischen bei¬
den Heeren lag. Jetzt hüllten sich die Söhne des Oedi¬
pus in ihre vollen Waffenrüstungen; den Beherrscher
Thebens schmückten die edelsten Thebaner, den vertriebe¬
nen Polynices die Häupter der Argiver. So standen
beide im Stahle prangend da, stark und festen Blickes.
"Bedenke," riefen die Freunde dem Polynices zu, "daß
Jupiter von dir ein Siegesdenkmal zu Argos erwartet!"
Die Thebaner aber ermunterten ihren Fürsten Eteokles:
"du kämpfest für die Vaterstadt und für den Scepter;
dieser doppelte Gedanke verleihe dir den Sieg!" Ehe der
verhängnißvolle Kampf begann, opferten auch noch die
Seher aus beiden Heeren zusammentretend, um aus den
Gestaltungen der Opferflamme den Ausgang des Strei¬
tes zu muthmaßen. Das Zeichen war zweideutig, es
schien Sieg oder Untergang Beiden zugleich zu ver¬
künden. Als das Opfer vorbei war und die beiden
Brüder noch immer zwischen beiden Heeren einander
gegenüber in kampfbereiter Stellung sich befanden,
erhob Polynices flehend seine Hände, drehte sein
Haupt rückwärts dem Argiverlande zu und betete: "Juno,
Beherrscherin von Argos, aus Deinem Lande habe ich ein

Heimathland zurück, ohne vor dieſen Mauern euer Leben
nutzlos zu verbluten.“ Aus den Reihen der Argiver ſprang
jetzt Polynices hervor, und rief zur Burg empor, daß er
den Vorſchlag ſeines Bruders anzunehmen bereit ſey.
Von beiden Seiten war man des blutigen Krieges, der
nur Einem von zwei Männern zu Gute kommen ſollte,
ſchon lange müde. Daher klatſchten beide Heere dem
gerechten Gedanken Beifall. Es wurde ein Vertrag dar¬
über abgeſchloſſen und der Eid der Führer bekräftigte
ihn von beiden Seiten auf dem Felde, das zwiſchen bei¬
den Heeren lag. Jetzt hüllten ſich die Söhne des Oedi¬
pus in ihre vollen Waffenrüſtungen; den Beherrſcher
Thebens ſchmückten die edelſten Thebaner, den vertriebe¬
nen Polynices die Häupter der Argiver. So ſtanden
beide im Stahle prangend da, ſtark und feſten Blickes.
„Bedenke,“ riefen die Freunde dem Polynices zu, „daß
Jupiter von dir ein Siegesdenkmal zu Argos erwartet!“
Die Thebaner aber ermunterten ihren Fürſten Eteokles:
„du kämpfeſt für die Vaterſtadt und für den Scepter;
dieſer doppelte Gedanke verleihe dir den Sieg!“ Ehe der
verhängnißvolle Kampf begann, opferten auch noch die
Seher aus beiden Heeren zuſammentretend, um aus den
Geſtaltungen der Opferflamme den Ausgang des Strei¬
tes zu muthmaßen. Das Zeichen war zweideutig, es
ſchien Sieg oder Untergang Beiden zugleich zu ver¬
künden. Als das Opfer vorbei war und die beiden
Brüder noch immer zwiſchen beiden Heeren einander
gegenüber in kampfbereiter Stellung ſich befanden,
erhob Polynices flehend ſeine Hände, drehte ſein
Haupt rückwärts dem Argiverlande zu und betete: „Juno,
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[364/0390] Heimathland zurück, ohne vor dieſen Mauern euer Leben nutzlos zu verbluten.“ Aus den Reihen der Argiver ſprang jetzt Polynices hervor, und rief zur Burg empor, daß er den Vorſchlag ſeines Bruders anzunehmen bereit ſey. Von beiden Seiten war man des blutigen Krieges, der nur Einem von zwei Männern zu Gute kommen ſollte, ſchon lange müde. Daher klatſchten beide Heere dem gerechten Gedanken Beifall. Es wurde ein Vertrag dar¬ über abgeſchloſſen und der Eid der Führer bekräftigte ihn von beiden Seiten auf dem Felde, das zwiſchen bei¬ den Heeren lag. Jetzt hüllten ſich die Söhne des Oedi¬ pus in ihre vollen Waffenrüſtungen; den Beherrſcher Thebens ſchmückten die edelſten Thebaner, den vertriebe¬ nen Polynices die Häupter der Argiver. So ſtanden beide im Stahle prangend da, ſtark und feſten Blickes. „Bedenke,“ riefen die Freunde dem Polynices zu, „daß Jupiter von dir ein Siegesdenkmal zu Argos erwartet!“ Die Thebaner aber ermunterten ihren Fürſten Eteokles: „du kämpfeſt für die Vaterſtadt und für den Scepter; dieſer doppelte Gedanke verleihe dir den Sieg!“ Ehe der verhängnißvolle Kampf begann, opferten auch noch die Seher aus beiden Heeren zuſammentretend, um aus den Geſtaltungen der Opferflamme den Ausgang des Strei¬ tes zu muthmaßen. Das Zeichen war zweideutig, es ſchien Sieg oder Untergang Beiden zugleich zu ver¬ künden. Als das Opfer vorbei war und die beiden Brüder noch immer zwiſchen beiden Heeren einander gegenüber in kampfbereiter Stellung ſich befanden, erhob Polynices flehend ſeine Hände, drehte ſein Haupt rückwärts dem Argiverlande zu und betete: „Juno, Beherrſcherin von Argos, aus Deinem Lande habe ich ein

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/390>, abgerufen am 23.11.2024.