Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

Da stürzte der Arkadier Parthenopäus wie ein Sturm¬
wind auf sein Thor, und rief nach Feuer und Aexten, um
es in den Grund zu hauen. Ein thebanischer Held, der
auf der Mauer nicht ferne seinen Posten hatte, Perikly¬
menus, beobachtete seine Anstrengungen, und riß, als es
höchste Zeit war, ein Stück der steinernen Brustwehr von
der Mauer, so groß, daß es eine ganze Wagenlast aus¬
gemacht hätte; dieser Wurf zermalmte dem Stürmer sein
blondgelocktes Haupt und zerriß ihm die Knochen, daß
er zerschmettert zu Boden stürzte. Sobald nun Eteokles
dieses Thor gesichert sah, flog er den andern zu. Am vier¬
ten traf er den Tydeus, der wüthete wie ein Drache,
den die Sonne sticht; er schüttelte sein Haupt unter
dem fliegenden Helmbusch, und sein Schild, den er über
dasselbe hielt, tönte von gellenden Glocken, die den
Rand umgaben; er selbst schwang mit der Rechten die
Lanze hoch nach der Mauer, und eine ganze Schaar
Schildträger umgab ihn, die einen Hagel von Speeren
auf den höchsten Burgsaum aufwärts schleuderten, so daß
die Thebaner sich von dem Rande der Brustwehr flüchten
mußten. In diesem Augenblicke erschien Eteokles, sammelte
sie, wie ein Jäger zerstreute Hunde, und führte sie auf
die Mauerzinne zurück. Dann eilte er weiter von Thor
zu Thor. Da stieß er auch auf den tobenden Kapaneus,
der eine vielsprossige Sturmleiter wider die Stadt heran¬
trug, und prahlend ausrief, selbst Jupiters Blitz solle
ihn nicht aufhalten, die Grundveste der eroberten Stadt
zu brechen. Mit solchen Trotzworten legte er die Leiter
an, und klomm unter seinem Schilde, umsaust von Stei¬
nen, die glatten Sprossen empor. Aber ihn für seinen
Frevelmuth zu züchtigen, blieb nicht den Thebanern über¬

Da ſtürzte der Arkadier Parthenopäus wie ein Sturm¬
wind auf ſein Thor, und rief nach Feuer und Aexten, um
es in den Grund zu hauen. Ein thebaniſcher Held, der
auf der Mauer nicht ferne ſeinen Poſten hatte, Perikly¬
menus, beobachtete ſeine Anſtrengungen, und riß, als es
höchſte Zeit war, ein Stück der ſteinernen Bruſtwehr von
der Mauer, ſo groß, daß es eine ganze Wagenlaſt aus¬
gemacht hätte; dieſer Wurf zermalmte dem Stürmer ſein
blondgelocktes Haupt und zerriß ihm die Knochen, daß
er zerſchmettert zu Boden ſtürzte. Sobald nun Eteokles
dieſes Thor geſichert ſah, flog er den andern zu. Am vier¬
ten traf er den Tydeus, der wüthete wie ein Drache,
den die Sonne ſticht; er ſchüttelte ſein Haupt unter
dem fliegenden Helmbuſch, und ſein Schild, den er über
daſſelbe hielt, tönte von gellenden Glocken, die den
Rand umgaben; er ſelbſt ſchwang mit der Rechten die
Lanze hoch nach der Mauer, und eine ganze Schaar
Schildträger umgab ihn, die einen Hagel von Speeren
auf den höchſten Burgſaum aufwärts ſchleuderten, ſo daß
die Thebaner ſich von dem Rande der Bruſtwehr flüchten
mußten. In dieſem Augenblicke erſchien Eteokles, ſammelte
ſie, wie ein Jäger zerſtreute Hunde, und führte ſie auf
die Mauerzinne zurück. Dann eilte er weiter von Thor
zu Thor. Da ſtieß er auch auf den tobenden Kapaneus,
der eine vielſproſſige Sturmleiter wider die Stadt heran¬
trug, und prahlend ausrief, ſelbſt Jupiters Blitz ſolle
ihn nicht aufhalten, die Grundveſte der eroberten Stadt
zu brechen. Mit ſolchen Trotzworten legte er die Leiter
an, und klomm unter ſeinem Schilde, umſaust von Stei¬
nen, die glatten Sproſſen empor. Aber ihn für ſeinen
Frevelmuth zu züchtigen, blieb nicht den Thebanern über¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0387" n="361"/>
Da &#x017F;türzte der Arkadier Parthenopäus wie ein Sturm¬<lb/>
wind auf &#x017F;ein Thor, und rief nach Feuer und Aexten, um<lb/>
es in den Grund zu hauen. Ein thebani&#x017F;cher Held, der<lb/>
auf der Mauer nicht ferne &#x017F;einen Po&#x017F;ten hatte, Perikly¬<lb/>
menus, beobachtete &#x017F;eine An&#x017F;trengungen, und riß, als es<lb/>
höch&#x017F;te Zeit war, ein Stück der &#x017F;teinernen Bru&#x017F;twehr von<lb/>
der Mauer, &#x017F;o groß, daß es eine ganze Wagenla&#x017F;t aus¬<lb/>
gemacht hätte; die&#x017F;er Wurf zermalmte dem Stürmer &#x017F;ein<lb/>
blondgelocktes Haupt und zerriß ihm die Knochen, daß<lb/>
er zer&#x017F;chmettert zu Boden &#x017F;türzte. Sobald nun Eteokles<lb/>
die&#x017F;es Thor ge&#x017F;ichert &#x017F;ah, flog er den andern zu. Am vier¬<lb/>
ten traf er den Tydeus, der wüthete wie ein Drache,<lb/>
den die Sonne &#x017F;ticht; er &#x017F;chüttelte &#x017F;ein Haupt unter<lb/>
dem fliegenden Helmbu&#x017F;ch, und &#x017F;ein Schild, den er über<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe hielt, tönte von gellenden Glocken, die den<lb/>
Rand umgaben; er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chwang mit der Rechten die<lb/>
Lanze hoch nach der Mauer, und eine ganze Schaar<lb/>
Schildträger umgab ihn, die einen Hagel von Speeren<lb/>
auf den höch&#x017F;ten Burg&#x017F;aum aufwärts &#x017F;chleuderten, &#x017F;o daß<lb/>
die Thebaner &#x017F;ich von dem Rande der Bru&#x017F;twehr flüchten<lb/>
mußten. In die&#x017F;em Augenblicke er&#x017F;chien Eteokles, &#x017F;ammelte<lb/>
&#x017F;ie, wie ein Jäger zer&#x017F;treute Hunde, und führte &#x017F;ie auf<lb/>
die Mauerzinne zurück. Dann eilte er weiter von Thor<lb/>
zu Thor. Da &#x017F;tieß er auch auf den tobenden Kapaneus,<lb/>
der eine viel&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;ige Sturmleiter wider die Stadt heran¬<lb/>
trug, und prahlend ausrief, &#x017F;elb&#x017F;t Jupiters Blitz &#x017F;olle<lb/>
ihn nicht aufhalten, die Grundve&#x017F;te der eroberten Stadt<lb/>
zu brechen. Mit &#x017F;olchen Trotzworten legte er die Leiter<lb/>
an, und klomm unter &#x017F;einem Schilde, um&#x017F;aust von Stei¬<lb/>
nen, die glatten Spro&#x017F;&#x017F;en empor. Aber ihn für &#x017F;einen<lb/>
Frevelmuth zu züchtigen, blieb nicht den Thebanern über¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0387] Da ſtürzte der Arkadier Parthenopäus wie ein Sturm¬ wind auf ſein Thor, und rief nach Feuer und Aexten, um es in den Grund zu hauen. Ein thebaniſcher Held, der auf der Mauer nicht ferne ſeinen Poſten hatte, Perikly¬ menus, beobachtete ſeine Anſtrengungen, und riß, als es höchſte Zeit war, ein Stück der ſteinernen Bruſtwehr von der Mauer, ſo groß, daß es eine ganze Wagenlaſt aus¬ gemacht hätte; dieſer Wurf zermalmte dem Stürmer ſein blondgelocktes Haupt und zerriß ihm die Knochen, daß er zerſchmettert zu Boden ſtürzte. Sobald nun Eteokles dieſes Thor geſichert ſah, flog er den andern zu. Am vier¬ ten traf er den Tydeus, der wüthete wie ein Drache, den die Sonne ſticht; er ſchüttelte ſein Haupt unter dem fliegenden Helmbuſch, und ſein Schild, den er über daſſelbe hielt, tönte von gellenden Glocken, die den Rand umgaben; er ſelbſt ſchwang mit der Rechten die Lanze hoch nach der Mauer, und eine ganze Schaar Schildträger umgab ihn, die einen Hagel von Speeren auf den höchſten Burgſaum aufwärts ſchleuderten, ſo daß die Thebaner ſich von dem Rande der Bruſtwehr flüchten mußten. In dieſem Augenblicke erſchien Eteokles, ſammelte ſie, wie ein Jäger zerſtreute Hunde, und führte ſie auf die Mauerzinne zurück. Dann eilte er weiter von Thor zu Thor. Da ſtieß er auch auf den tobenden Kapaneus, der eine vielſproſſige Sturmleiter wider die Stadt heran¬ trug, und prahlend ausrief, ſelbſt Jupiters Blitz ſolle ihn nicht aufhalten, die Grundveſte der eroberten Stadt zu brechen. Mit ſolchen Trotzworten legte er die Leiter an, und klomm unter ſeinem Schilde, umſaust von Stei¬ nen, die glatten Sproſſen empor. Aber ihn für ſeinen Frevelmuth zu züchtigen, blieb nicht den Thebanern über¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/387
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/387>, abgerufen am 17.05.2024.