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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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laubniß, nach eigener Wahl Einen der Gefangenen in
Freiheit zu setzen. Sie wählte ihren Bruder Podarkes.
"Es ist recht, er sey dein," sagte Herkules, "aber er
muß vorher die Schmach erlitten haben, und Sclave ge¬
wesen seyn: dann magst du ihn um den Preis, den du
für ihn geben willst, hinnehmen!" Als der Knabe nun
wirklich zum Sclaven verkauft war, riß Hesione ihren
königlichen Schmuck vom Haupte, und gab ihn als Löse¬
geld für den Bruder hin, daher trug dieser den Namen
Priamus (der Losgekaufte) davon. Von ihm wird die
Sage Vieles zu erzählen haben.

Juno gönnte dem Halbgotte diesen Triumph nicht.
Auf der Heimfahrt von Troja begriffen, wurde er durch
ihre Schickung von schweren Ungewittern überfallen, bis
der ergrimmte Zeus ihrem Schalten Einhalt that. Nach
mancherlei Abentheuern beschloß der Held eine zweite
Rache am König Augias zu nehmen, der ihm auch einst den
versprochenen Lohn vorenthalten hatte, nahm seine Stadt
Elis ein, und tödtete ihn mit sammt seinen Söhnen.
Dem Phyleus aber, der einst wegen seiner Freundschaft
für Herkules vertrieben worden war, übergab er das
Königreich Elis. Nach diesem Siege setzte Herkules die
olympischen Spiele ein, und weihte ihrem ersten Stifter,
Pelops, einen Altar, auch den zwölf Göttern Altäre, je
zweien Einen. Damals soll selbst Jupiter in Menschen¬
gestalt mit Herkules gerungen, und, überwunden, sei¬
nem Sohn zur Götterstärke Glück gewünscht haben.
Dann zog Herkules gegen Pylus und den König Pe¬
leus, der ihm einst die Entsündigung verweigert hatte;
er überfiel seine Stadt, und machte ihn mit zehn seiner
Söhne nieder. Nur der junge Nestor, der in der Ferne

laubniß, nach eigener Wahl Einen der Gefangenen in
Freiheit zu ſetzen. Sie wählte ihren Bruder Podarkes.
„Es iſt recht, er ſey dein,“ ſagte Herkules, „aber er
muß vorher die Schmach erlitten haben, und Sclave ge¬
weſen ſeyn: dann magſt du ihn um den Preis, den du
für ihn geben willſt, hinnehmen!“ Als der Knabe nun
wirklich zum Sclaven verkauft war, riß Heſione ihren
königlichen Schmuck vom Haupte, und gab ihn als Löſe¬
geld für den Bruder hin, daher trug dieſer den Namen
Priamus (der Losgekaufte) davon. Von ihm wird die
Sage Vieles zu erzählen haben.

Juno gönnte dem Halbgotte dieſen Triumph nicht.
Auf der Heimfahrt von Troja begriffen, wurde er durch
ihre Schickung von ſchweren Ungewittern überfallen, bis
der ergrimmte Zeus ihrem Schalten Einhalt that. Nach
mancherlei Abentheuern beſchloß der Held eine zweite
Rache am König Augias zu nehmen, der ihm auch einſt den
verſprochenen Lohn vorenthalten hatte, nahm ſeine Stadt
Elis ein, und tödtete ihn mit ſammt ſeinen Söhnen.
Dem Phyleus aber, der einſt wegen ſeiner Freundſchaft
für Herkules vertrieben worden war, übergab er das
Königreich Elis. Nach dieſem Siege ſetzte Herkules die
olympiſchen Spiele ein, und weihte ihrem erſten Stifter,
Pelops, einen Altar, auch den zwölf Göttern Altäre, je
zweien Einen. Damals ſoll ſelbſt Jupiter in Menſchen¬
geſtalt mit Herkules gerungen, und, überwunden, ſei¬
nem Sohn zur Götterſtärke Glück gewünſcht haben.
Dann zog Herkules gegen Pylus und den König Pe¬
leus, der ihm einſt die Entſündigung verweigert hatte;
er überfiel ſeine Stadt, und machte ihn mit zehn ſeiner
Söhne nieder. Nur der junge Neſtor, der in der Ferne

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[254/0280] laubniß, nach eigener Wahl Einen der Gefangenen in Freiheit zu ſetzen. Sie wählte ihren Bruder Podarkes. „Es iſt recht, er ſey dein,“ ſagte Herkules, „aber er muß vorher die Schmach erlitten haben, und Sclave ge¬ weſen ſeyn: dann magſt du ihn um den Preis, den du für ihn geben willſt, hinnehmen!“ Als der Knabe nun wirklich zum Sclaven verkauft war, riß Heſione ihren königlichen Schmuck vom Haupte, und gab ihn als Löſe¬ geld für den Bruder hin, daher trug dieſer den Namen Priamus (der Losgekaufte) davon. Von ihm wird die Sage Vieles zu erzählen haben. Juno gönnte dem Halbgotte dieſen Triumph nicht. Auf der Heimfahrt von Troja begriffen, wurde er durch ihre Schickung von ſchweren Ungewittern überfallen, bis der ergrimmte Zeus ihrem Schalten Einhalt that. Nach mancherlei Abentheuern beſchloß der Held eine zweite Rache am König Augias zu nehmen, der ihm auch einſt den verſprochenen Lohn vorenthalten hatte, nahm ſeine Stadt Elis ein, und tödtete ihn mit ſammt ſeinen Söhnen. Dem Phyleus aber, der einſt wegen ſeiner Freundſchaft für Herkules vertrieben worden war, übergab er das Königreich Elis. Nach dieſem Siege ſetzte Herkules die olympiſchen Spiele ein, und weihte ihrem erſten Stifter, Pelops, einen Altar, auch den zwölf Göttern Altäre, je zweien Einen. Damals ſoll ſelbſt Jupiter in Menſchen¬ geſtalt mit Herkules gerungen, und, überwunden, ſei¬ nem Sohn zur Götterſtärke Glück gewünſcht haben. Dann zog Herkules gegen Pylus und den König Pe¬ leus, der ihm einſt die Entſündigung verweigert hatte; er überfiel ſeine Stadt, und machte ihn mit zehn ſeiner Söhne nieder. Nur der junge Neſtor, der in der Ferne

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/280>, abgerufen am 22.11.2024.