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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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soll sein Name seyn, weithin gewaltig im Werke des
Kriegsgotts." So sprach er, und setzte sich wieder nie¬
der zum Schmause; dann zogen sie, Telamon und Her¬
kules, vereint mit den andern Helden, in den Krieg gegen
Troja. Als sie dort ans Land gestiegen, übertrug Her¬
kules die Wache bei den Schiffen dem Oikleus; er selbst
mit den übrigen Helden rückte gegen die Stadt vor.
Inzwischen hatte Laomedon mit eilig zusammengerafftem
Volke die Schiffe der Heroen überfallen und den Oikleus
im Kampfe getödtet; aber als er sich wieder entfernen
wollte, wurde er von den Gefährten des Herkules um¬
ringt. Die Belagerung wurde unterdessen scharf betrie¬
ben; Telamon durchbrach die Mauer, und war der erste,
der in die Stadt eindrang. Erst hinter ihm kam Her¬
kules. Es war das erstemal in seinem Leben, daß der
Held sich in Tapferkeit von einem Andern übertroffen
sah; die schwarze Eifersucht bemächtigte sich seines Geistes
und ein böser Gedanke stieg in seinem Herzen auf:
er zückte das Schwert, und war im Begriffe, den vor
ihm herschreitenden Telamon niederzuhauen. Dieser blick¬
te um sich, und errieth das Vorhaben des Herkules an
seiner Gebärde. Schnell besonnen las er die nächst ge¬
legenen Steine zusammen, und auf des Nebenbuhlers
Frage, was er hier mache, erwiederte er: "Ich baue
Herkules, dem Sieger, einen Altar!" Diese Antwort
entwaffnete den eifersüchtigen Zorn des Helden. Sie kämpf¬
ten wieder gemeinsam, und Herkules erlegte den Laome¬
don sammt allen seinen Söhnen, mit Ausnahme eines
einzigen, mit seinen Pfeilen. Als die Stadt erobert war,
schenkte er Laomedon's Tochter Hesione seinem Freunde
Telamon als Siegesbeute. Zugleich gab er ihr die Er¬

ſoll ſein Name ſeyn, weithin gewaltig im Werke des
Kriegsgotts.“ So ſprach er, und ſetzte ſich wieder nie¬
der zum Schmauſe; dann zogen ſie, Telamon und Her¬
kules, vereint mit den andern Helden, in den Krieg gegen
Troja. Als ſie dort ans Land geſtiegen, übertrug Her¬
kules die Wache bei den Schiffen dem Oïkleus; er ſelbſt
mit den übrigen Helden rückte gegen die Stadt vor.
Inzwiſchen hatte Laomedon mit eilig zuſammengerafftem
Volke die Schiffe der Heroen überfallen und den Oïkleus
im Kampfe getödtet; aber als er ſich wieder entfernen
wollte, wurde er von den Gefährten des Herkules um¬
ringt. Die Belagerung wurde unterdeſſen ſcharf betrie¬
ben; Telamon durchbrach die Mauer, und war der erſte,
der in die Stadt eindrang. Erſt hinter ihm kam Her¬
kules. Es war das erſtemal in ſeinem Leben, daß der
Held ſich in Tapferkeit von einem Andern übertroffen
ſah; die ſchwarze Eiferſucht bemächtigte ſich ſeines Geiſtes
und ein böſer Gedanke ſtieg in ſeinem Herzen auf:
er zückte das Schwert, und war im Begriffe, den vor
ihm herſchreitenden Telamon niederzuhauen. Dieſer blick¬
te um ſich, und errieth das Vorhaben des Herkules an
ſeiner Gebärde. Schnell beſonnen las er die nächſt ge¬
legenen Steine zuſammen, und auf des Nebenbuhlers
Frage, was er hier mache, erwiederte er: „Ich baue
Herkules, dem Sieger, einen Altar!“ Dieſe Antwort
entwaffnete den eiferſüchtigen Zorn des Helden. Sie kämpf¬
ten wieder gemeinſam, und Herkules erlegte den Laome¬
don ſammt allen ſeinen Söhnen, mit Ausnahme eines
einzigen, mit ſeinen Pfeilen. Als die Stadt erobert war,
ſchenkte er Laomedon's Tochter Heſione ſeinem Freunde
Telamon als Siegesbeute. Zugleich gab er ihr die Er¬

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[253/0279] ſoll ſein Name ſeyn, weithin gewaltig im Werke des Kriegsgotts.“ So ſprach er, und ſetzte ſich wieder nie¬ der zum Schmauſe; dann zogen ſie, Telamon und Her¬ kules, vereint mit den andern Helden, in den Krieg gegen Troja. Als ſie dort ans Land geſtiegen, übertrug Her¬ kules die Wache bei den Schiffen dem Oïkleus; er ſelbſt mit den übrigen Helden rückte gegen die Stadt vor. Inzwiſchen hatte Laomedon mit eilig zuſammengerafftem Volke die Schiffe der Heroen überfallen und den Oïkleus im Kampfe getödtet; aber als er ſich wieder entfernen wollte, wurde er von den Gefährten des Herkules um¬ ringt. Die Belagerung wurde unterdeſſen ſcharf betrie¬ ben; Telamon durchbrach die Mauer, und war der erſte, der in die Stadt eindrang. Erſt hinter ihm kam Her¬ kules. Es war das erſtemal in ſeinem Leben, daß der Held ſich in Tapferkeit von einem Andern übertroffen ſah; die ſchwarze Eiferſucht bemächtigte ſich ſeines Geiſtes und ein böſer Gedanke ſtieg in ſeinem Herzen auf: er zückte das Schwert, und war im Begriffe, den vor ihm herſchreitenden Telamon niederzuhauen. Dieſer blick¬ te um ſich, und errieth das Vorhaben des Herkules an ſeiner Gebärde. Schnell beſonnen las er die nächſt ge¬ legenen Steine zuſammen, und auf des Nebenbuhlers Frage, was er hier mache, erwiederte er: „Ich baue Herkules, dem Sieger, einen Altar!“ Dieſe Antwort entwaffnete den eiferſüchtigen Zorn des Helden. Sie kämpf¬ ten wieder gemeinſam, und Herkules erlegte den Laome¬ don ſammt allen ſeinen Söhnen, mit Ausnahme eines einzigen, mit ſeinen Pfeilen. Als die Stadt erobert war, ſchenkte er Laomedon's Tochter Heſione ſeinem Freunde Telamon als Siegesbeute. Zugleich gab er ihr die Er¬

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/279>, abgerufen am 22.11.2024.