Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

ter, Chrysaor, der den Namen Goldschwert von seinem
Reichthum hatte, König von ganz Iberien (Spanien) war,
daß außer Geryones noch drei tapfere und riesige Söhne
für ihn stritten, und jeder Sohn ein zahlreiches Heer
von streitbaren Männern unter seinem Befehle hatte.
Eben darum hatte Eurystheus dem Herkules jene Arbeit
aufgetragen, denn er hoffte, auf einem Kriegszug in ein
solches Land werde er sein verhaßtes Leben doch endlich
lassen müssen. Doch Herkules ging den Gefahren nicht
erschrockener entgegen, als allen seinen frühern Thaten. Er
sammelte seine Heere auf der Insel Kreta, die er von
wilden Thieren befreit hatte, und landete zuerst in Libyen.
Hier rang er mit dem Riesen Antäus, der neue Kräfte
erhielt, so oft er die Erde berührte; aber Herkules hielt
ihn in die freie Luft empor und drückte ihn da zu Tode.
Auch reinigte er Libyen von den Raubthieren; denn er
haßte wilde Thiere und ruchlose Menschen, weil er in
ihnen allen das Bild des übermüthigen und ungerechten
Herrschers erblickte, dem er so lange dienstbar gewesen
war.

Nach einer langen Wandrung durch wasserlose Gegenden
kam er endlich in ein fruchtbares, von Flüssen durchström¬
tes Gebiet. Hier gründete er eine Stadt von ungeheurer
Größe, und nannte sie Hekatompylos (Hundertthor).
Zuletzt gelangte er an den atlantischen Ocean, gegenüber
von Gadira; hier pflanzte er die beiden berühmten Her¬
kulessäulen auf. Die Sonne brannte entsetzlich, Herku¬
les ertrug es nicht länger, er richtete seine Augen nach
dem Himmel, und drohte mit aufgehobenem Bogen, den
Sonnengott niederzuschießen. Dieser bewunderte seinen

ter, Chryſaor, der den Namen Goldſchwert von ſeinem
Reichthum hatte, König von ganz Iberien (Spanien) war,
daß außer Geryones noch drei tapfere und rieſige Söhne
für ihn ſtritten, und jeder Sohn ein zahlreiches Heer
von ſtreitbaren Männern unter ſeinem Befehle hatte.
Eben darum hatte Euryſtheus dem Herkules jene Arbeit
aufgetragen, denn er hoffte, auf einem Kriegszug in ein
ſolches Land werde er ſein verhaßtes Leben doch endlich
laſſen müſſen. Doch Herkules ging den Gefahren nicht
erſchrockener entgegen, als allen ſeinen frühern Thaten. Er
ſammelte ſeine Heere auf der Inſel Kreta, die er von
wilden Thieren befreit hatte, und landete zuerſt in Libyen.
Hier rang er mit dem Rieſen Antäus, der neue Kräfte
erhielt, ſo oft er die Erde berührte; aber Herkules hielt
ihn in die freie Luft empor und drückte ihn da zu Tode.
Auch reinigte er Libyen von den Raubthieren; denn er
haßte wilde Thiere und ruchloſe Menſchen, weil er in
ihnen allen das Bild des übermüthigen und ungerechten
Herrſchers erblickte, dem er ſo lange dienſtbar geweſen
war.

Nach einer langen Wandrung durch waſſerloſe Gegenden
kam er endlich in ein fruchtbares, von Flüſſen durchſtröm¬
tes Gebiet. Hier gründete er eine Stadt von ungeheurer
Größe, und nannte ſie Hekatompylos (Hundertthor).
Zuletzt gelangte er an den atlantiſchen Ocean, gegenüber
von Gadira; hier pflanzte er die beiden berühmten Her¬
kulesſäulen auf. Die Sonne brannte entſetzlich, Herku¬
les ertrug es nicht länger, er richtete ſeine Augen nach
dem Himmel, und drohte mit aufgehobenem Bogen, den
Sonnengott niederzuſchießen. Dieſer bewunderte ſeinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0256" n="230"/>
ter, Chry&#x017F;aor, der den Namen Gold&#x017F;chwert von &#x017F;einem<lb/>
Reichthum hatte, König von ganz Iberien (Spanien) war,<lb/>
daß außer Geryones noch drei tapfere und rie&#x017F;ige Söhne<lb/>
für ihn &#x017F;tritten, und jeder Sohn ein zahlreiches Heer<lb/>
von &#x017F;treitbaren Männern unter &#x017F;einem Befehle hatte.<lb/>
Eben darum hatte Eury&#x017F;theus dem Herkules jene Arbeit<lb/>
aufgetragen, denn er hoffte, auf einem Kriegszug in ein<lb/>
&#x017F;olches Land werde er &#x017F;ein verhaßtes Leben doch endlich<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en mü&#x017F;&#x017F;en. Doch Herkules ging den Gefahren nicht<lb/>
er&#x017F;chrockener entgegen, als allen &#x017F;einen frühern Thaten. Er<lb/>
&#x017F;ammelte &#x017F;eine Heere auf der In&#x017F;el Kreta, die er von<lb/>
wilden Thieren befreit hatte, und landete zuer&#x017F;t in Libyen.<lb/>
Hier rang er mit dem Rie&#x017F;en Antäus, der neue Kräfte<lb/>
erhielt, &#x017F;o oft er die Erde berührte; aber Herkules hielt<lb/>
ihn in die freie Luft empor und drückte ihn da zu Tode.<lb/>
Auch reinigte er Libyen von den Raubthieren; denn er<lb/>
haßte wilde Thiere und ruchlo&#x017F;e Men&#x017F;chen, weil er in<lb/>
ihnen allen das Bild des übermüthigen und ungerechten<lb/>
Herr&#x017F;chers erblickte, dem er &#x017F;o lange dien&#x017F;tbar gewe&#x017F;en<lb/>
war.</p><lb/>
            <p>Nach einer langen Wandrung durch wa&#x017F;&#x017F;erlo&#x017F;e Gegenden<lb/>
kam er endlich in ein fruchtbares, von Flü&#x017F;&#x017F;en durch&#x017F;tröm¬<lb/>
tes Gebiet. Hier gründete er eine Stadt von ungeheurer<lb/>
Größe, und nannte &#x017F;ie Hekatompylos (Hundertthor).<lb/>
Zuletzt gelangte er an den atlanti&#x017F;chen Ocean, gegenüber<lb/>
von Gadira; hier pflanzte er die beiden berühmten Her¬<lb/>
kules&#x017F;äulen auf. Die Sonne brannte ent&#x017F;etzlich, Herku¬<lb/>
les ertrug es nicht länger, er richtete &#x017F;eine Augen nach<lb/>
dem Himmel, und drohte mit aufgehobenem Bogen, den<lb/>
Sonnengott niederzu&#x017F;chießen. Die&#x017F;er bewunderte &#x017F;einen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0256] ter, Chryſaor, der den Namen Goldſchwert von ſeinem Reichthum hatte, König von ganz Iberien (Spanien) war, daß außer Geryones noch drei tapfere und rieſige Söhne für ihn ſtritten, und jeder Sohn ein zahlreiches Heer von ſtreitbaren Männern unter ſeinem Befehle hatte. Eben darum hatte Euryſtheus dem Herkules jene Arbeit aufgetragen, denn er hoffte, auf einem Kriegszug in ein ſolches Land werde er ſein verhaßtes Leben doch endlich laſſen müſſen. Doch Herkules ging den Gefahren nicht erſchrockener entgegen, als allen ſeinen frühern Thaten. Er ſammelte ſeine Heere auf der Inſel Kreta, die er von wilden Thieren befreit hatte, und landete zuerſt in Libyen. Hier rang er mit dem Rieſen Antäus, der neue Kräfte erhielt, ſo oft er die Erde berührte; aber Herkules hielt ihn in die freie Luft empor und drückte ihn da zu Tode. Auch reinigte er Libyen von den Raubthieren; denn er haßte wilde Thiere und ruchloſe Menſchen, weil er in ihnen allen das Bild des übermüthigen und ungerechten Herrſchers erblickte, dem er ſo lange dienſtbar geweſen war. Nach einer langen Wandrung durch waſſerloſe Gegenden kam er endlich in ein fruchtbares, von Flüſſen durchſtröm¬ tes Gebiet. Hier gründete er eine Stadt von ungeheurer Größe, und nannte ſie Hekatompylos (Hundertthor). Zuletzt gelangte er an den atlantiſchen Ocean, gegenüber von Gadira; hier pflanzte er die beiden berühmten Her¬ kulesſäulen auf. Die Sonne brannte entſetzlich, Herku¬ les ertrug es nicht länger, er richtete ſeine Augen nach dem Himmel, und drohte mit aufgehobenem Bogen, den Sonnengott niederzuſchießen. Dieſer bewunderte ſeinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/256
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/256>, abgerufen am 23.11.2024.