heuer zum Fraß ausgesetzt. Ihrem Vater hatte Neptun die Mauern von Troja erbaut und den Lohn nicht erhal¬ ten; dafür verwüstete ein Seeunthier Trojas Gebiet so lange, bis der verzweifelnde Laomedon ihm seine eigene Tochter preisgab. Als Herkules vorüberfuhr, rief ihn der jammernde Vater zu Hülfe, und versprach ihm, für die Rettung der Tochter die herrlichen Rosse zu geben, die sein Vater von Jupiter zum Geschenke bekommen hatte. Herkules legte an, und erwartete das Ungethüm. Als es kam und den Rachen aufsperrte, die Jungfrau zu verschlingen, sprang er in den Rachen des Thieres, zer¬ schnitt ihm alle Eingeweide, und stieg aus dem Getödteten, wie aus einer Mördergrube, wieder hervor. Aber Lao¬ medon hielt auch dießmal sein Wort nicht, und Herkules fuhr unter Drohungen davon.
Die drei letzten Arbeiten des Herkules.
Als der Held das Wehrgehenk der Königin Hippo¬ lyta zu Eurystheus Füßen niedergelegt hatte, gönnte dieser ihm keine Rast, sondern schickte ihn sogleich wieder aus, die Rinder des Riesen Geryones herbeizuschaffen. Dieser besaß auf der Insel Erythia, im Meerbusen von Gadira (Cadix), eine Herde schöner braunrother Rinder, die ein andrer Riese und ein zweiköpfiger Hund ihm hüteten. Geryones selbst war ungeheuer groß, hatte drei Leiber, drei Köpfe, sechs Arme und sechs Füße. Kein Erden¬ sohn hatte sich je an ihn gewagt; Herkules sah wohl, wie viele Vorbereitungen dieses beschwerliche Unternehmen erforderte. Es war weltbekannt, daß des Geryones Va¬
heuer zum Fraß ausgeſetzt. Ihrem Vater hatte Neptun die Mauern von Troja erbaut und den Lohn nicht erhal¬ ten; dafür verwüſtete ein Seeunthier Trojas Gebiet ſo lange, bis der verzweifelnde Laomedon ihm ſeine eigene Tochter preisgab. Als Herkules vorüberfuhr, rief ihn der jammernde Vater zu Hülfe, und verſprach ihm, für die Rettung der Tochter die herrlichen Roſſe zu geben, die ſein Vater von Jupiter zum Geſchenke bekommen hatte. Herkules legte an, und erwartete das Ungethüm. Als es kam und den Rachen aufſperrte, die Jungfrau zu verſchlingen, ſprang er in den Rachen des Thieres, zer¬ ſchnitt ihm alle Eingeweide, und ſtieg aus dem Getödteten, wie aus einer Mördergrube, wieder hervor. Aber Lao¬ medon hielt auch dießmal ſein Wort nicht, und Herkules fuhr unter Drohungen davon.
Die drei letzten Arbeiten des Herkules.
Als der Held das Wehrgehenk der Königin Hippo¬ lyta zu Euryſtheus Füßen niedergelegt hatte, gönnte dieſer ihm keine Raſt, ſondern ſchickte ihn ſogleich wieder aus, die Rinder des Rieſen Geryones herbeizuſchaffen. Dieſer beſaß auf der Inſel Erythia, im Meerbuſen von Gadira (Cadix), eine Herde ſchöner braunrother Rinder, die ein andrer Rieſe und ein zweiköpfiger Hund ihm hüteten. Geryones ſelbſt war ungeheuer groß, hatte drei Leiber, drei Köpfe, ſechs Arme und ſechs Füße. Kein Erden¬ ſohn hatte ſich je an ihn gewagt; Herkules ſah wohl, wie viele Vorbereitungen dieſes beſchwerliche Unternehmen erforderte. Es war weltbekannt, daß des Geryones Va¬
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heuer zum Fraß ausgeſetzt. Ihrem Vater hatte Neptun
die Mauern von Troja erbaut und den Lohn nicht erhal¬
ten; dafür verwüſtete ein Seeunthier Trojas Gebiet ſo
lange, bis der verzweifelnde Laomedon ihm ſeine eigene
Tochter preisgab. Als Herkules vorüberfuhr, rief ihn
der jammernde Vater zu Hülfe, und verſprach ihm, für
die Rettung der Tochter die herrlichen Roſſe zu geben,
die ſein Vater von Jupiter zum Geſchenke bekommen
hatte. Herkules legte an, und erwartete das Ungethüm.
Als es kam und den Rachen aufſperrte, die Jungfrau zu
verſchlingen, ſprang er in den Rachen des Thieres, zer¬
ſchnitt ihm alle Eingeweide, und ſtieg aus dem Getödteten,
wie aus einer Mördergrube, wieder hervor. Aber Lao¬
medon hielt auch dießmal ſein Wort nicht, und Herkules
fuhr unter Drohungen davon.
Die drei letzten Arbeiten des Herkules.
Als der Held das Wehrgehenk der Königin Hippo¬
lyta zu Euryſtheus Füßen niedergelegt hatte, gönnte dieſer
ihm keine Raſt, ſondern ſchickte ihn ſogleich wieder aus,
die Rinder des Rieſen Geryones herbeizuſchaffen. Dieſer
beſaß auf der Inſel Erythia, im Meerbuſen von Gadira
(Cadix), eine Herde ſchöner braunrother Rinder, die ein
andrer Rieſe und ein zweiköpfiger Hund ihm hüteten.
Geryones ſelbſt war ungeheuer groß, hatte drei Leiber,
drei Köpfe, ſechs Arme und ſechs Füße. Kein Erden¬
ſohn hatte ſich je an ihn gewagt; Herkules ſah wohl,
wie viele Vorbereitungen dieſes beſchwerliche Unternehmen
erforderte. Es war weltbekannt, daß des Geryones Va¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/255>, abgerufen am 22.11.2024.
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