der den Stiefsohn als ein Geschenk Jupiters betrachtete und lieb hatte, eilte erschrocken herbei, das bloße Schwerdt in der Hand. Da stand er vor der Wiege, sah und hörte was geschehen war; Lust, mit Entsetzen gemischt, durch¬ bebte ihn über der unerhörten Kraft des kaum gebornen Sohnes. Er betrachtete die That als ein großes Wun¬ derzeichen und rief den Propheten des großen Jupiter, den Wahrsager Tiresias, herbei. Dieser weissagte dem Könige, der Königin und allen Anwesenden den Lebens¬ lauf des Knaben: wie viele Ungeheuer auf Erden, wie viele Ungethüme des Meeres er hinwegräumen, wie er mit den Giganten selbst im Kampfe zusammenstoßen und sie besiegen werde und wie ihn am Ende seines mühe¬ vollen Erdenlebens das ewige Leben bei den Göttern und Hebe, die ewige Jugend, als himmlische Gemahlin erwarte.
Die Erziehung des Herkules.
Als Amphitruo das hohe Geschick des Knaben aus dem Munde des Sehers vernahm, beschloß er, ihm eine würdige Heldenerziehung zu geben, und Heroen aller Ge¬ genden versammelten sich, den jungen Herkules in allen Wissenschaften zu unterrichten. Sein Vater selbst unter¬ wies ihn in der Kunst einen Wagen zu regieren; den Bogen spannen und mit Pfeilen zielen, lehrte ihn Eury¬ tus; die Künste der Ringer und Faustkämpfer Harpaly¬ kus. Eumolpus lehrte ihn den Gesang und den zierlichen Schlag der Leyer; Kastor, der Jupiterszwilling, die Kunst schwerbewaffnet und geordnet im Felde zu fechten.
der den Stiefſohn als ein Geſchenk Jupiters betrachtete und lieb hatte, eilte erſchrocken herbei, das bloße Schwerdt in der Hand. Da ſtand er vor der Wiege, ſah und hörte was geſchehen war; Luſt, mit Entſetzen gemiſcht, durch¬ bebte ihn über der unerhörten Kraft des kaum gebornen Sohnes. Er betrachtete die That als ein großes Wun¬ derzeichen und rief den Propheten des großen Jupiter, den Wahrſager Tireſias, herbei. Dieſer weiſſagte dem Könige, der Königin und allen Anweſenden den Lebens¬ lauf des Knaben: wie viele Ungeheuer auf Erden, wie viele Ungethüme des Meeres er hinwegräumen, wie er mit den Giganten ſelbſt im Kampfe zuſammenſtoßen und ſie beſiegen werde und wie ihn am Ende ſeines mühe¬ vollen Erdenlebens das ewige Leben bei den Göttern und Hebe, die ewige Jugend, als himmliſche Gemahlin erwarte.
Die Erziehung des Herkules.
Als Amphitruo das hohe Geſchick des Knaben aus dem Munde des Sehers vernahm, beſchloß er, ihm eine würdige Heldenerziehung zu geben, und Heroen aller Ge¬ genden verſammelten ſich, den jungen Herkules in allen Wiſſenſchaften zu unterrichten. Sein Vater ſelbſt unter¬ wies ihn in der Kunſt einen Wagen zu regieren; den Bogen ſpannen und mit Pfeilen zielen, lehrte ihn Eury¬ tus; die Künſte der Ringer und Fauſtkämpfer Harpaly¬ kus. Eumolpus lehrte ihn den Geſang und den zierlichen Schlag der Leyer; Kaſtor, der Jupiterszwilling, die Kunſt ſchwerbewaffnet und geordnet im Felde zu fechten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0229"n="203"/>
der den Stiefſohn als ein Geſchenk Jupiters betrachtete<lb/>
und lieb hatte, eilte erſchrocken herbei, das bloße Schwerdt<lb/>
in der Hand. Da ſtand er vor der Wiege, ſah und hörte<lb/>
was geſchehen war; Luſt, mit Entſetzen gemiſcht, durch¬<lb/>
bebte ihn über der unerhörten Kraft des kaum gebornen<lb/>
Sohnes. Er betrachtete die That als ein großes Wun¬<lb/>
derzeichen und rief den Propheten des großen Jupiter,<lb/>
den Wahrſager Tireſias, herbei. Dieſer weiſſagte dem<lb/>
Könige, der Königin und allen Anweſenden den Lebens¬<lb/>
lauf des Knaben: wie viele Ungeheuer auf Erden, wie<lb/>
viele Ungethüme des Meeres er hinwegräumen, wie er<lb/>
mit den Giganten ſelbſt im Kampfe zuſammenſtoßen und<lb/>ſie beſiegen werde und wie ihn am Ende ſeines mühe¬<lb/>
vollen Erdenlebens das ewige Leben bei den Göttern<lb/>
und Hebe, die ewige Jugend, als himmliſche Gemahlin<lb/>
erwarte.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="3"><head><hirendition="#fr #g">Die Erziehung des Herkules</hi><hirendition="#g">.</hi><lb/></head><p>Als Amphitruo das hohe Geſchick des Knaben aus<lb/>
dem Munde des Sehers vernahm, beſchloß er, ihm eine<lb/>
würdige Heldenerziehung zu geben, und Heroen aller Ge¬<lb/>
genden verſammelten ſich, den jungen Herkules in allen<lb/>
Wiſſenſchaften zu unterrichten. Sein Vater ſelbſt unter¬<lb/>
wies ihn in der Kunſt einen Wagen zu regieren; den<lb/>
Bogen ſpannen und mit Pfeilen zielen, lehrte ihn Eury¬<lb/>
tus; die Künſte der Ringer und Fauſtkämpfer Harpaly¬<lb/>
kus. Eumolpus lehrte ihn den Geſang und den zierlichen<lb/>
Schlag der Leyer; Kaſtor, der Jupiterszwilling, die<lb/>
Kunſt ſchwerbewaffnet und geordnet im Felde zu fechten.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[203/0229]
der den Stiefſohn als ein Geſchenk Jupiters betrachtete
und lieb hatte, eilte erſchrocken herbei, das bloße Schwerdt
in der Hand. Da ſtand er vor der Wiege, ſah und hörte
was geſchehen war; Luſt, mit Entſetzen gemiſcht, durch¬
bebte ihn über der unerhörten Kraft des kaum gebornen
Sohnes. Er betrachtete die That als ein großes Wun¬
derzeichen und rief den Propheten des großen Jupiter,
den Wahrſager Tireſias, herbei. Dieſer weiſſagte dem
Könige, der Königin und allen Anweſenden den Lebens¬
lauf des Knaben: wie viele Ungeheuer auf Erden, wie
viele Ungethüme des Meeres er hinwegräumen, wie er
mit den Giganten ſelbſt im Kampfe zuſammenſtoßen und
ſie beſiegen werde und wie ihn am Ende ſeines mühe¬
vollen Erdenlebens das ewige Leben bei den Göttern
und Hebe, die ewige Jugend, als himmliſche Gemahlin
erwarte.
Die Erziehung des Herkules .
Als Amphitruo das hohe Geſchick des Knaben aus
dem Munde des Sehers vernahm, beſchloß er, ihm eine
würdige Heldenerziehung zu geben, und Heroen aller Ge¬
genden verſammelten ſich, den jungen Herkules in allen
Wiſſenſchaften zu unterrichten. Sein Vater ſelbſt unter¬
wies ihn in der Kunſt einen Wagen zu regieren; den
Bogen ſpannen und mit Pfeilen zielen, lehrte ihn Eury¬
tus; die Künſte der Ringer und Fauſtkämpfer Harpaly¬
kus. Eumolpus lehrte ihn den Geſang und den zierlichen
Schlag der Leyer; Kaſtor, der Jupiterszwilling, die
Kunſt ſchwerbewaffnet und geordnet im Felde zu fechten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/229>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.