Linus aber, der greise Sohn Apollo's, lehrte ihn die Buch¬ stabenschrift. Herkules zeigte sich als gelehrigen Knaben; aber Härte konnte er nicht ertragen; der alte Linus war ein grämlicher Lehrer. Als er ihn einst mit ungerechten Schlägen zurecht wies, griff der Knabe nach seinem Zitherspiel und warf es dem Hofmeister an den Kopf, daß dieser todt zu Boden fiel. Herkules, obgleich voll Reue, wurde dieser Mordthat halber vor Gericht gefor¬ dert; aber der berühmte, gerechte Richter Rhadamanthys sprach ihn frei und stellte das Gesetz auf, daß wenn ein Todtschlag Folge der Selbstvertheidigung gewesen, Blut¬ rache nicht stattfinde. Doch fürchtete Amphitruo, sein überkräftiger Sohn möchte sich wieder Aehnliches zu Schul¬ den kommen lassen, und schickte ihn deswegen auf das Land zu seinen Ochsenheerden. Hier wuchs er auf und that sich durch Größe und Stärke vor Allen hervor. Als ein Sohn des Zeus war er furchtbar anzusehen. Er war vier Ellen lang, und Feuerglanz entströmte seinen Augen. Nie fehlte er im Schießen des Pfeils und im Werfen des Spießes. Als er achtzehn Jahre alt geworden, war er der schönste und stärkste Mann Griechenlands und es sollte sich jetzt entscheiden, ob er diese Kraft zum Guten oder zum Schlimmen anwenden werde.
Herkules am Scheidewege.
Herkules selbst begab sich um diese Zeit von Hirten und Herden weg in eine einsame Gegend, und überlegte bei sich, welche Lebensbahn er einschlagen sollte. Als er so sinnend da saß, sah er auf einmal zwei Frauen von
Linus aber, der greiſe Sohn Apollo's, lehrte ihn die Buch¬ ſtabenſchrift. Herkules zeigte ſich als gelehrigen Knaben; aber Härte konnte er nicht ertragen; der alte Linus war ein grämlicher Lehrer. Als er ihn einſt mit ungerechten Schlägen zurecht wies, griff der Knabe nach ſeinem Zitherſpiel und warf es dem Hofmeiſter an den Kopf, daß dieſer todt zu Boden fiel. Herkules, obgleich voll Reue, wurde dieſer Mordthat halber vor Gericht gefor¬ dert; aber der berühmte, gerechte Richter Rhadamanthys ſprach ihn frei und ſtellte das Geſetz auf, daß wenn ein Todtſchlag Folge der Selbſtvertheidigung geweſen, Blut¬ rache nicht ſtattfinde. Doch fürchtete Amphitruo, ſein überkräftiger Sohn möchte ſich wieder Aehnliches zu Schul¬ den kommen laſſen, und ſchickte ihn deswegen auf das Land zu ſeinen Ochſenheerden. Hier wuchs er auf und that ſich durch Größe und Stärke vor Allen hervor. Als ein Sohn des Zeus war er furchtbar anzuſehen. Er war vier Ellen lang, und Feuerglanz entſtrömte ſeinen Augen. Nie fehlte er im Schießen des Pfeils und im Werfen des Spießes. Als er achtzehn Jahre alt geworden, war er der ſchönſte und ſtärkſte Mann Griechenlands und es ſollte ſich jetzt entſcheiden, ob er dieſe Kraft zum Guten oder zum Schlimmen anwenden werde.
Herkules am Scheidewege.
Herkules ſelbſt begab ſich um dieſe Zeit von Hirten und Herden weg in eine einſame Gegend, und überlegte bei ſich, welche Lebensbahn er einſchlagen ſollte. Als er ſo ſinnend da ſaß, ſah er auf einmal zwei Frauen von
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Linus aber, der greiſe Sohn Apollo's, lehrte ihn die Buch¬
ſtabenſchrift. Herkules zeigte ſich als gelehrigen Knaben;
aber Härte konnte er nicht ertragen; der alte Linus war
ein grämlicher Lehrer. Als er ihn einſt mit ungerechten
Schlägen zurecht wies, griff der Knabe nach ſeinem
Zitherſpiel und warf es dem Hofmeiſter an den Kopf,
daß dieſer todt zu Boden fiel. Herkules, obgleich voll
Reue, wurde dieſer Mordthat halber vor Gericht gefor¬
dert; aber der berühmte, gerechte Richter Rhadamanthys
ſprach ihn frei und ſtellte das Geſetz auf, daß wenn ein
Todtſchlag Folge der Selbſtvertheidigung geweſen, Blut¬
rache nicht ſtattfinde. Doch fürchtete Amphitruo, ſein
überkräftiger Sohn möchte ſich wieder Aehnliches zu Schul¬
den kommen laſſen, und ſchickte ihn deswegen auf das
Land zu ſeinen Ochſenheerden. Hier wuchs er auf und
that ſich durch Größe und Stärke vor Allen hervor. Als
ein Sohn des Zeus war er furchtbar anzuſehen. Er war
vier Ellen lang, und Feuerglanz entſtrömte ſeinen Augen.
Nie fehlte er im Schießen des Pfeils und im Werfen
des Spießes. Als er achtzehn Jahre alt geworden, war
er der ſchönſte und ſtärkſte Mann Griechenlands und es
ſollte ſich jetzt entſcheiden, ob er dieſe Kraft zum Guten
oder zum Schlimmen anwenden werde.
Herkules am Scheidewege.
Herkules ſelbſt begab ſich um dieſe Zeit von Hirten
und Herden weg in eine einſame Gegend, und überlegte
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/230>, abgerufen am 25.11.2024.
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