Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Antrit sind längst gestorben. Wer wolte sich mit Eicheln lassen speissen/nachdem die Saat erfunden ist? Wer wolte den Trunck des Was- sers dem füssen Rebensaffte vorziehen? Wer wolte an der Taffel den Kramets Vogel/ der doch unter allen Vögeln der Trefflichste ist/ von sich stossen/ und nach einem Raben Beliebung tragen? Soltet ihr mich nicht für unsinnig halten/ wann ich in einer offentlichen Predigt das Gebet des Herren auff solche Gestalt her betete/ wie es vor langer Zeit/ und zwar vor achthundert Jahren bey dem Leben Karls des Grossen/ ist außgesprochen worden; Gewiß ihr würdet mich so we- nig verstehen/ als wenn ich euch in Schwedischer/ oder Dännemärcki- scher Sprach anredete. Hin mit denen zu den Sauromatischen Völ- ckern/ die das für Römisch außschreyen/ welches von den Römern schon längst verworffen/ und dessen sie sich in ihrer Rede nicht ein- mahl gebrauchen würden/ das jene doch so eifrig nach ahmen. Ge- het aber meine Söhne/ und leset jene Geschicht-Beschreiber/ welche zur Zeit des Augustus gelebt/ da so mancher herrlicher Kopff Tag nnd Nacht studieret/ da nebenst andern Wissenschafften auch die Wohlre- denheit/ und die Majestät deß Römischen Reichs/ seinen grösten Zuwachs empfangen hat. Entweder ihr werdet daselbst/ die rechte Art und Tugend der Beredsamkeit/ und den Zierath und die Stär- cke derselben finden/ oder nirgends wo. Wie solte sie dann ihre Krafft nicht mercken lassen/ wenn der Soldat an der Spitze des Treffens stehet/ und nichts so sehr durch Schild und Waffen/ als durch die Stimme seines Feld-Herren auffgemuntert voller Lust und als ein Siegender/ ehe er noch gestritten/ auff den Feind zufällt/ als wie in die Armen seines Freundes/ und das Leben durch den Todt wieder fodert. Wolan/ ihr edle Gemüther/ lasset uns etwas wagen/ lasset uns ein Versuch anstellen dieser Mannlichen Wolre- denheit. Dieser Wolredenheit/ sag ich/ Krafft welcher wir die Bewegungen können ein- und außtreiben/ welcher sich so viel wie- derspenstigen Seelen/ so viel Reiche/ so viel Fürstenthümer un- terworffen. Welche das verrichtet/ was das Eisen nicht thun kan/ und welche die Natur selbes weichen müste/ wenn sie könte beweget werden. Gleich wie ein kluger Feld-Herr seine Soldaten in steter Musterung vnterhält: Also wollen wir auch in diesen Schulwe- sen das jenige zu reden/ uns unterfangen/ dessen wir dermaleins in dem Regiment/ oder auff der Cantzel werden benötigt seyn. Nun wollen wir anklagen der alten Könige Freyheit so wol als den Na- men. Nun wollen wir dichten/ als weren wir alle Catilinen/ und von dem Cicero angeklagt: Nun wollen wir sagen/ als weren wir von dem Hannibal gefangen/ und wollen die Gefangenen in das Capi- tolium verweisen; Nun wollen wir andere Gelegenheiten suchen/ durch
Antrit ſind laͤngſt geſtorben. Wer wolte ſich mit Eicheln laſſen ſpeiſſen/nachdem die Saat erfunden iſt? Wer wolte den Trunck des Waſ- ſers dem fuͤſſen Rebenſaffte vorziehen? Wer wolte an der Taffel den Kramets Vogel/ der doch unter allen Voͤgeln der Trefflichſte iſt/ von ſich ſtoſſen/ und nach einem Raben Beliebung tragen? Soltet ihr mich nicht fuͤr unſinnig halten/ wann ich in einer offentlichen Predigt das Gebet des Herren auff ſolche Geſtalt her betete/ wie es vor langer Zeit/ und zwar vor achthundert Jahren bey dem Leben Karls des Groſſen/ iſt außgeſprochen worden; Gewiß ihr wuͤrdet mich ſo we- nig verſtehen/ als wenn ich euch in Schwediſcher/ oder Daͤnnemaͤrcki- ſcher Sprach anredete. Hin mit denen zu den Sauromatiſchen Voͤl- ckern/ die das fuͤr Roͤmiſch außſchreyen/ welches von den Roͤmern ſchon laͤngſt verworffen/ und deſſen ſie ſich in ihrer Rede nicht ein- mahl gebrauchen wuͤrden/ das jene doch ſo eifrig nach ahmen. Ge- het aber meine Soͤhne/ und leſet jene Geſchicht-Beſchreiber/ welche zur Zeit des Auguſtus gelebt/ da ſo mancher herꝛlicher Kopff Tag nnd Nacht ſtudieret/ da nebenſt andern Wiſſenſchafften auch die Wohlre- denheit/ und die Majeſtaͤt deß Roͤmiſchen Reichs/ ſeinen groͤſten Zuwachs empfangen hat. Entweder ihr werdet daſelbſt/ die rechte Art und Tugend der Beredſamkeit/ und den Zierath und die Staͤr- cke derſelben finden/ oder nirgends wo. Wie ſolte ſie dann ihre Krafft nicht mercken laſſen/ wenn der Soldat an der Spitze des Treffens ſtehet/ und nichts ſo ſehr durch Schild und Waffen/ als durch die Stimme ſeines Feld-Herꝛen auffgemuntert voller Luſt und als ein Siegender/ ehe er noch geſtritten/ auff den Feind zufaͤllt/ als wie in die Armen ſeines Freundes/ und das Leben durch den Todt wieder fodert. Wolan/ ihr edle Gemuͤther/ laſſet uns etwas wagen/ laſſet uns ein Verſuch anſtellen dieſer Mannlichen Wolre- denheit. Dieſer Wolredenheit/ ſag ich/ Krafft welcher wir die Bewegungen koͤnnen ein- und außtreiben/ welcher ſich ſo viel wie- derſpenſtigen Seelen/ ſo viel Reiche/ ſo viel Fuͤrſtenthuͤmer un- terworffen. Welche das verrichtet/ was das Eiſen nicht thun kan/ und welche die Natur ſelbes weichen muͤſte/ wenn ſie koͤnte beweget werden. Gleich wie ein kluger Feld-Herꝛ ſeine Soldaten in ſteter Muſterung vnterhaͤlt: Alſo wollen wir auch in dieſen Schulwe- ſen das jenige zu reden/ uns unterfangen/ deſſen wir dermaleins in dem Regiment/ oder auff der Cantzel werden benoͤtigt ſeyn. Nun wollen wir anklagen der alten Koͤnige Freyheit ſo wol als den Na- men. Nun wollen wir dichten/ als weren wir alle Catilinen/ und von dem Cicero angeklagt: Nun wollen wir ſagen/ als weren wir von dem Hannibal gefangen/ und wollen die Gefangenen in das Capi- tolium verweiſen; Nun wollen wir andere Gelegenheiten ſuchen/ durch
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Antrit
ſind laͤngſt geſtorben. Wer wolte ſich mit Eicheln laſſen ſpeiſſen/
nachdem die Saat erfunden iſt? Wer wolte den Trunck des Waſ-
ſers dem fuͤſſen Rebenſaffte vorziehen? Wer wolte an der Taffel den
Kramets Vogel/ der doch unter allen Voͤgeln der Trefflichſte iſt/
von ſich ſtoſſen/ und nach einem Raben Beliebung tragen? Soltet ihr
mich nicht fuͤr unſinnig halten/ wann ich in einer offentlichen Predigt
das Gebet des Herren auff ſolche Geſtalt her betete/ wie es vor langer
Zeit/ und zwar vor achthundert Jahren bey dem Leben Karls des
Groſſen/ iſt außgeſprochen worden; Gewiß ihr wuͤrdet mich ſo we-
nig verſtehen/ als wenn ich euch in Schwediſcher/ oder Daͤnnemaͤrcki-
ſcher Sprach anredete. Hin mit denen zu den Sauromatiſchen Voͤl-
ckern/ die das fuͤr Roͤmiſch außſchreyen/ welches von den Roͤmern
ſchon laͤngſt verworffen/ und deſſen ſie ſich in ihrer Rede nicht ein-
mahl gebrauchen wuͤrden/ das jene doch ſo eifrig nach ahmen. Ge-
het aber meine Soͤhne/ und leſet jene Geſchicht-Beſchreiber/ welche
zur Zeit des Auguſtus gelebt/ da ſo mancher herꝛlicher Kopff Tag nnd
Nacht ſtudieret/ da nebenſt andern Wiſſenſchafften auch die Wohlre-
denheit/ und die Majeſtaͤt deß Roͤmiſchen Reichs/ ſeinen groͤſten
Zuwachs empfangen hat. Entweder ihr werdet daſelbſt/ die rechte
Art und Tugend der Beredſamkeit/ und den Zierath und die Staͤr-
cke derſelben finden/ oder nirgends wo. Wie ſolte ſie dann ihre
Krafft nicht mercken laſſen/ wenn der Soldat an der Spitze des
Treffens ſtehet/ und nichts ſo ſehr durch Schild und Waffen/ als
durch die Stimme ſeines Feld-Herꝛen auffgemuntert voller Luſt
und als ein Siegender/ ehe er noch geſtritten/ auff den Feind zufaͤllt/
als wie in die Armen ſeines Freundes/ und das Leben durch den
Todt wieder fodert. Wolan/ ihr edle Gemuͤther/ laſſet uns etwas
wagen/ laſſet uns ein Verſuch anſtellen dieſer Mannlichen Wolre-
denheit. Dieſer Wolredenheit/ ſag ich/ Krafft welcher wir die
Bewegungen koͤnnen ein- und außtreiben/ welcher ſich ſo viel wie-
derſpenſtigen Seelen/ ſo viel Reiche/ ſo viel Fuͤrſtenthuͤmer un-
terworffen. Welche das verrichtet/ was das Eiſen nicht thun kan/
und welche die Natur ſelbes weichen muͤſte/ wenn ſie koͤnte beweget
werden. Gleich wie ein kluger Feld-Herꝛ ſeine Soldaten in ſteter
Muſterung vnterhaͤlt: Alſo wollen wir auch in dieſen Schulwe-
ſen das jenige zu reden/ uns unterfangen/ deſſen wir dermaleins in
dem Regiment/ oder auff der Cantzel werden benoͤtigt ſeyn. Nun
wollen wir anklagen der alten Koͤnige Freyheit ſo wol als den Na-
men. Nun wollen wir dichten/ als weren wir alle Catilinen/ und
von dem Cicero angeklagt: Nun wollen wir ſagen/ als weren wir von
dem Hannibal gefangen/ und wollen die Gefangenen in das Capi-
tolium verweiſen; Nun wollen wir andere Gelegenheiten ſuchen/
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 850. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/892>, abgerufen am 25.07.2024. |