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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Der Teutsche LVCIANVS.

VOn Trummel und Trompeten-Schall/ von
Krieg und Krieges-Geschrey/ hörte man allenthalben/
Copiae conscribebantur in Academiis, wie M. Bernhard
Schmid/ Capitain de armis, aus Dresden vom 4 Octobr.
1658. berichtet. Es wolte bald dieser bald jener Gram-
matica
lische Held Antenorn ans Leder/ und wolte einen Grammatica-
lischen Krieg mit ihm anfangen/ als Simplicius Christianus zu Jhme
kam/ und fragte was Lucianus für ein Mann gewesen seye? Dann er
viel Reden höre von Lucianischen Speivögeln. Antenor antwortete/
Lucianus ist ein hochgelehrter Philosophus gewesen/ welcher in seinem
äusserlichen Leben und Wandel sich der Tugend und Erbarkeit so wol
beflissen hat/ als Plato, Socrates oder Seneca, wie man unter andern
sihet auß der Praefation deß hoch gelehrten Frantzosen/ Ioannes Bour-
delotij ad opera Luciani.
Es hat aber dieser Lucianus die Welt be-
schrieben/ nicht wie sie seyn soll/ sondern wie sie vor Zeiten gewesen ist.
Die Regenten waren damals Tyrannen/ und man konte ihn die War-
heit nicht beybringen/ wann sie nicht gleichsam mit Zucker überzogen
war. Jhre Räthe und Diener waren Fuchsschwäntzer und eigennü-
tzige Leute. Unter dem gemeinen Mann giengen alle Laster im schwang.
Die Philosophi in den Schulen wolten für weise Leute gehalten seyn/
aber im Werck selbsten/ und wann es zum Treffen gieng/ waren sie
grosse Narren. Die Pythagoraei dörfften in fünff Jahren mit keinem
Menschen reden Was war das für eine Weisheit? Was ist es/ das
den Menschen underscheidet von einem unvernünfftigen Thier? Jst
es nicht die Vernunfft und die Rede? Zu Marpurg wolte einesmals
einer Magister werden. Als er nun in das Examen rigorosum kam/
und von vielen Dingen gefraget wurde/ da schwieg er gantz still. End-
lich sagte der alte Poet Conradus Bachmannus: Herr Candidate,
das ist schön Tuch/ davon euer Mantel gemachet ist/ wo habt ihr das
Tuch gekaufft/ und was kostet eine Ele? Der Candidatus antworte-
te: Herr Professor, ich habe es bey Heinrich Holstein in der Wetter-
Gasse gekauffet/ die Ele kostet 2. Reichsthal. und ein halb Kopffstück.
Da antwortet der alte Bachmann/ das ist mir von Hertzen lieb/ daß
ich höre/ daß ihr noch reden könnet/ ich hatte Sorge/ ihr würdet
gantz Stumm und Sprachlos worden seyn/ seit ihr bey uns gewesen
seyt. Was meynt ihr wol/ legte ein Vatter sein Gelt nicht wolan/
wann er einen Sohn ein Jahr oder 3. in eine Schule schickte/ und der

Sohn


Der Teutſche LVCIANVS.

VOn Trummel und Trompeten-Schall/ von
Krieg und Krieges-Geſchrey/ hoͤrte man allenthalben/
Copiæ conſcribebantur in Academiis, wie M. Bernhard
Schmid/ Capitain de armis, aus Dreſden vom 4 Octobr.
1658. berichtet. Es wolte bald dieſer bald jener Gram-
matica
liſche Held Antenorn ans Leder/ und wolte einen Grammatica-
liſchen Krieg mit ihm anfangen/ als Simplicius Christianus zu Jhme
kam/ und fragte was Lucianus fuͤr ein Mann geweſen ſeye? Dann er
viel Reden hoͤre von Lucianiſchen Speivoͤgeln. Antenor antwortete/
Lucianus iſt ein hochgelehrter Philoſophus geweſen/ welcher in ſeinem
aͤuſſerlichen Leben und Wandel ſich der Tugend und Erbarkeit ſo wol
befliſſen hat/ als Plato, Socrates oder Seneca, wie man unter andern
ſihet auß der Præfation deß hoch gelehrten Frantzoſen/ Ioannes Bour-
delotij ad opera Luciani.
Es hat aber dieſer Lucianus die Welt be-
ſchrieben/ nicht wie ſie ſeyn ſoll/ ſondern wie ſie vor Zeiten geweſen iſt.
Die Regenten waren damals Tyrannen/ und man konte ihn die War-
heit nicht beybringen/ wann ſie nicht gleichſam mit Zucker uͤberzogen
war. Jhre Raͤthe und Diener waren Fuchsſchwaͤntzer und eigennuͤ-
tzige Leute. Unter dem gemeinen Mann giengen alle Laſter im ſchwang.
Die Philoſophi in den Schulen wolten fuͤr weiſe Leute gehalten ſeyn/
aber im Werck ſelbſten/ und wann es zum Treffen gieng/ waren ſie
groſſe Narren. Die Pythagoræi doͤrfften in fuͤnff Jahren mit keinem
Menſchen reden Was war das fuͤr eine Weisheit? Was iſt es/ das
den Menſchen underſcheidet von einem unvernuͤnfftigen Thier? Jſt
es nicht die Vernunfft und die Rede? Zu Marpurg wolte einesmals
einer Magister werden. Als er nun in das Examen rigoroſum kam/
und von vielen Dingen gefraget wurde/ da ſchwieg er gantz ſtill. End-
lich ſagte der alte Poet Conradus Bachmannus: Herr Candidate,
das iſt ſchoͤn Tuch/ davon euer Mantel gemachet iſt/ wo habt ihr das
Tuch gekaufft/ und was koſtet eine Ele? Der Candidatus antworte-
te: Herr Profeſſor, ich habe es bey Heinrich Holſtein in der Wetter-
Gaſſe gekauffet/ die Ele koſtet 2. Reichsthal. und ein halb Kopffſtuͤck.
Da antwortet der alte Bachmann/ das iſt mir von Hertzen lieb/ daß
ich hoͤre/ daß ihr noch reden koͤnnet/ ich hatte Sorge/ ihr wuͤrdet
gantz Stumm und Sprachlos worden ſeyn/ ſeit ihr bey uns geweſen
ſeyt. Was meynt ihr wol/ legte ein Vatter ſein Gelt nicht wolan/
wann er einen Sohn ein Jahr oder 3. in eine Schule ſchickte/ und der

Sohn
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[811/0853] Der Teutſche LVCIANVS. VOn Trummel und Trompeten-Schall/ von Krieg und Krieges-Geſchrey/ hoͤrte man allenthalben/ Copiæ conſcribebantur in Academiis, wie M. Bernhard Schmid/ Capitain de armis, aus Dreſden vom 4 Octobr. 1658. berichtet. Es wolte bald dieſer bald jener Gram- maticaliſche Held Antenorn ans Leder/ und wolte einen Grammatica- liſchen Krieg mit ihm anfangen/ als Simplicius Christianus zu Jhme kam/ und fragte was Lucianus fuͤr ein Mann geweſen ſeye? Dann er viel Reden hoͤre von Lucianiſchen Speivoͤgeln. Antenor antwortete/ Lucianus iſt ein hochgelehrter Philoſophus geweſen/ welcher in ſeinem aͤuſſerlichen Leben und Wandel ſich der Tugend und Erbarkeit ſo wol befliſſen hat/ als Plato, Socrates oder Seneca, wie man unter andern ſihet auß der Præfation deß hoch gelehrten Frantzoſen/ Ioannes Bour- delotij ad opera Luciani. Es hat aber dieſer Lucianus die Welt be- ſchrieben/ nicht wie ſie ſeyn ſoll/ ſondern wie ſie vor Zeiten geweſen iſt. Die Regenten waren damals Tyrannen/ und man konte ihn die War- heit nicht beybringen/ wann ſie nicht gleichſam mit Zucker uͤberzogen war. Jhre Raͤthe und Diener waren Fuchsſchwaͤntzer und eigennuͤ- tzige Leute. Unter dem gemeinen Mann giengen alle Laſter im ſchwang. Die Philoſophi in den Schulen wolten fuͤr weiſe Leute gehalten ſeyn/ aber im Werck ſelbſten/ und wann es zum Treffen gieng/ waren ſie groſſe Narren. Die Pythagoræi doͤrfften in fuͤnff Jahren mit keinem Menſchen reden Was war das fuͤr eine Weisheit? Was iſt es/ das den Menſchen underſcheidet von einem unvernuͤnfftigen Thier? Jſt es nicht die Vernunfft und die Rede? Zu Marpurg wolte einesmals einer Magister werden. Als er nun in das Examen rigoroſum kam/ und von vielen Dingen gefraget wurde/ da ſchwieg er gantz ſtill. End- lich ſagte der alte Poet Conradus Bachmannus: Herr Candidate, das iſt ſchoͤn Tuch/ davon euer Mantel gemachet iſt/ wo habt ihr das Tuch gekaufft/ und was koſtet eine Ele? Der Candidatus antworte- te: Herr Profeſſor, ich habe es bey Heinrich Holſtein in der Wetter- Gaſſe gekauffet/ die Ele koſtet 2. Reichsthal. und ein halb Kopffſtuͤck. Da antwortet der alte Bachmann/ das iſt mir von Hertzen lieb/ daß ich hoͤre/ daß ihr noch reden koͤnnet/ ich hatte Sorge/ ihr wuͤrdet gantz Stumm und Sprachlos worden ſeyn/ ſeit ihr bey uns geweſen ſeyt. Was meynt ihr wol/ legte ein Vatter ſein Gelt nicht wolan/ wann er einen Sohn ein Jahr oder 3. in eine Schule ſchickte/ und der Sohn

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 811. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/853>, abgerufen am 02.06.2024.