Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Einbildung. die Gemüther und das Vermögen aufflöset und voneinander tren-net. Wer da einen sonderlichen herrlichen Namen zuerlangen geden- cket/ der befleissige sich solches durch löbliche Künste und Wissen- schafften außzurichten. Viele rühmen sich grosses Dinges/ grosser Kunst und Geschickligkeiten/ und bauen auff die grosse Gunst ihrer hohen Patronen als auff ein sandigten Grund gleichsam grosse Häu- ser und Schlösser ihrer fortun und Hohheit/ meynen sie aber daß es Bestand und auff die posteritet kommen werde? werden sie von der opinion betrogen. Der lebet und gehet sicher/ der sich auff sich/ und nicht auff andere verlassen darff. Meynest du es seye dir von der Natur versaget/ das was etwan andern geben worden/ betrüget dich opinio. Bedencke und sehe dich umb/ in welchem Stand du geden- ckest und hoffest herfür und andern vorzukommen: Es seye nun gleich im Geistlichen oder Weltlichen/ wann du dich mit gantzem Fleiß auff ein Gewisses befleissigen/ und deme dich gantz ergeben wirst/ es ist nicht zu sagen/ was ohn unterbrochener Fleiß außrichten kan/ auch bey einem halbmessigen/ geschweige was bey einem sonderlichen und herrlichen ingenio. Es kan auch eine rechte wolgegründete Wissen- schafft nicht lange verborgen ligen/ sondern gleichwie das Feuer nicht kan gedämpfft werden/ svndern übersich steiget/ und die Höhe suchet; also führet die Wissenschafft ihren Liebhaber endlichen zu hohen Eh- ren. Hoffest du dergleichen im Kriege zu erlangen/ kan solches gesche- hen VIGILANDO ET AUDENDO, das ist/ durch sorgfältige Vorsicht und Tapfferkeit. Trägestu Lust und Belieben zu dem Hofle- ben/ kanstu an das Bret zu kommen hoffen/ wann du zu allem willig/ und alles zu vertragen geflissen bist/ wann du Hohn und Schmach vor Wolthat/ Schmeicheley vor Ernst und Trügerey vor sonderli- che Freundschafft erkennen und annehmen wirst/ und der da meynet der neidischen Mißgunst zu entfliehen/ wird von der opiniou betro- gen/ dann gleichwie der Schatten dem Cörper/ also folgt Mißgunst der Tugend und Glückseligkeit. Zum Exempel/ man hat wenig Mit- leiden mit dem/ der durch siätiges Vollsauffen oder andern Lastern sei- nen Verstand und Gesundheit verwüstet und vergeidet. Es ist auch nicht Mitleiden zu tragen mit dem Mulcasse König von Tuneto/ dem nicht zu viel war/ unangesehen er von Carolo V. Römischen Käyser auß Käyserlichen Gnaden unterhalten wurde/ daß er hun- dert Ducaten vor einen elenden gebratenen Pfau gabe. Die Miß- gunst differiret und entscheidet sich von Lastern so weit/ als sich ent- scheidet/ das Löbliche von dem Lasterhafften. Es ist die Mißgunst nicht zu fliehen/ sondern noch wol als der Tugend Nachfolgerin zu begeh- ren/ und ist der glorwürdig zu schätzen/ der die Mißgunst vertra- gen kan. Wie M m v
Von der Einbildung. die Gemuͤther und das Vermoͤgen auffloͤſet und voneinander tren-net. Wer da einen ſonderlichen herꝛlichen Namen zuerlangen geden- cket/ der befleiſſige ſich ſolches durch loͤbliche Kuͤnſte und Wiſſen- ſchafften außzurichten. Viele ruͤhmen ſich groſſes Dinges/ groſſer Kunſt und Geſchickligkeiten/ und bauen auff die groſſe Gunſt ihrer hohen Patronen als auff ein ſandigten Grund gleichſam groſſe Haͤu- ſer und Schloͤſſer ihrer fortun und Hohheit/ meynen ſie aber daß es Beſtand und auff die poſteritet kommen werde? werden ſie von der opinion betrogen. Der lebet und gehet ſicher/ der ſich auff ſich/ und nicht auff andere verlaſſen darff. Meyneſt du es ſeye dir von der Natur verſaget/ das was etwan andern geben worden/ betruͤget dich opinio. Bedencke und ſehe dich umb/ in welchem Stand du geden- ckeſt und hoffeſt herfuͤr und andern vorzukommen: Es ſeye nun gleich im Geiſtlichen oder Weltlichen/ wann du dich mit gantzem Fleiß auff ein Gewiſſes befleiſſigen/ und deme dich gantz ergeben wirſt/ es iſt nicht zu ſagen/ was ohn unterbrochener Fleiß außrichten kan/ auch bey einem halbmeſſigen/ geſchweige was bey einem ſonderlichen und herꝛlichen ingenio. Es kan auch eine rechte wolgegruͤndete Wiſſen- ſchafft nicht lange verborgen ligen/ ſondern gleichwie das Feuer nicht kan gedaͤmpfft werden/ ſvndern uͤberſich ſteiget/ und die Hoͤhe ſuchet; alſo fuͤhret die Wiſſenſchafft ihren Liebhaber endlichen zu hohen Eh- ren. Hoffeſt du dergleichen im Kriege zu erlangen/ kan ſolches geſche- hen VIGILANDO ET AUDENDO, das iſt/ durch ſorgfaͤltige Vorſicht und Tapfferkeit. Traͤgeſtu Luſt und Belieben zu dem Hofle- ben/ kanſtu an das Bret zu kommen hoffen/ wann du zu allem willig/ und alles zu vertragen gefliſſen biſt/ wann du Hohn und Schmach vor Wolthat/ Schmeicheley vor Ernſt und Truͤgerey vor ſonderli- che Freundſchafft erkennen und annehmen wirſt/ und der da meynet der neidiſchen Mißgunſt zu entfliehen/ wird von der opiniou betro- gen/ dann gleichwie der Schatten dem Coͤrper/ alſo folgt Mißgunſt der Tugend und Gluͤckſeligkeit. Zum Exempel/ man hat wenig Mit- leiden mit dem/ der durch ſiaͤtiges Vollſauffen oder andern Laſtern ſei- nen Verſtand und Geſundheit verwuͤſtet und vergeidet. Es iſt auch nicht Mitleiden zu tragen mit dem Mulcaſſe Koͤnig von Tuneto/ dem nicht zu viel war/ unangeſehen er von Carolo V. Roͤmiſchen Kaͤyſer auß Kaͤyſerlichen Gnaden unterhalten wurde/ daß er hun- dert Ducaten vor einen elenden gebratenen Pfau gabe. Die Miß- gunſt differiret und entſcheidet ſich von Laſtern ſo weit/ als ſich ent- ſcheidet/ das Loͤbliche von dem Laſterhafften. Es iſt die Mißgunſt nicht zu fliehen/ ſondern noch wol als der Tugend Nachfolgerin zu begeh- ren/ und iſt der glorwuͤrdig zu ſchaͤtzen/ der die Mißgunſt vertra- gen kan. Wie M m v
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Von der Einbildung.
die Gemuͤther und das Vermoͤgen auffloͤſet und voneinander tren-
net. Wer da einen ſonderlichen herꝛlichen Namen zuerlangen geden-
cket/ der befleiſſige ſich ſolches durch loͤbliche Kuͤnſte und Wiſſen-
ſchafften außzurichten. Viele ruͤhmen ſich groſſes Dinges/ groſſer
Kunſt und Geſchickligkeiten/ und bauen auff die groſſe Gunſt ihrer
hohen Patronen als auff ein ſandigten Grund gleichſam groſſe Haͤu-
ſer und Schloͤſſer ihrer fortun und Hohheit/ meynen ſie aber daß es
Beſtand und auff die poſteritet kommen werde? werden ſie von
der opinion betrogen. Der lebet und gehet ſicher/ der ſich auff ſich/
und nicht auff andere verlaſſen darff. Meyneſt du es ſeye dir von der
Natur verſaget/ das was etwan andern geben worden/ betruͤget dich
opinio. Bedencke und ſehe dich umb/ in welchem Stand du geden-
ckeſt und hoffeſt herfuͤr und andern vorzukommen: Es ſeye nun gleich
im Geiſtlichen oder Weltlichen/ wann du dich mit gantzem Fleiß auff
ein Gewiſſes befleiſſigen/ und deme dich gantz ergeben wirſt/ es iſt
nicht zu ſagen/ was ohn unterbrochener Fleiß außrichten kan/ auch
bey einem halbmeſſigen/ geſchweige was bey einem ſonderlichen und
herꝛlichen ingenio. Es kan auch eine rechte wolgegruͤndete Wiſſen-
ſchafft nicht lange verborgen ligen/ ſondern gleichwie das Feuer nicht
kan gedaͤmpfft werden/ ſvndern uͤberſich ſteiget/ und die Hoͤhe ſuchet;
alſo fuͤhret die Wiſſenſchafft ihren Liebhaber endlichen zu hohen Eh-
ren. Hoffeſt du dergleichen im Kriege zu erlangen/ kan ſolches geſche-
hen VIGILANDO ET AUDENDO, das iſt/ durch ſorgfaͤltige
Vorſicht und Tapfferkeit. Traͤgeſtu Luſt und Belieben zu dem Hofle-
ben/ kanſtu an das Bret zu kommen hoffen/ wann du zu allem willig/
und alles zu vertragen gefliſſen biſt/ wann du Hohn und Schmach
vor Wolthat/ Schmeicheley vor Ernſt und Truͤgerey vor ſonderli-
che Freundſchafft erkennen und annehmen wirſt/ und der da meynet
der neidiſchen Mißgunſt zu entfliehen/ wird von der opiniou betro-
gen/ dann gleichwie der Schatten dem Coͤrper/ alſo folgt Mißgunſt
der Tugend und Gluͤckſeligkeit. Zum Exempel/ man hat wenig Mit-
leiden mit dem/ der durch ſiaͤtiges Vollſauffen oder andern Laſtern ſei-
nen Verſtand und Geſundheit verwuͤſtet und vergeidet. Es iſt auch
nicht Mitleiden zu tragen mit dem Mulcaſſe Koͤnig von Tuneto/
dem nicht zu viel war/ unangeſehen er von Carolo V. Roͤmiſchen
Kaͤyſer auß Kaͤyſerlichen Gnaden unterhalten wurde/ daß er hun-
dert Ducaten vor einen elenden gebratenen Pfau gabe. Die Miß-
gunſt differiret und entſcheidet ſich von Laſtern ſo weit/ als ſich ent-
ſcheidet/ das Loͤbliche von dem Laſterhafften. Es iſt die Mißgunſt nicht
zu fliehen/ ſondern noch wol als der Tugend Nachfolgerin zu begeh-
ren/ und iſt der glorwuͤrdig zu ſchaͤtzen/ der die Mißgunſt vertra-
gen kan.
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/595>, abgerufen am 21.06.2024. |