Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Einbildung. Distel verwandeln solle/ damit ihr endlich den groben Eseln zur Spei-se werdet. Noch andere Schwüre und Wünsche thät er auß dem Amadis und der Arcadia, und wo er sie zusammen suchen konte/ hin- zu. Konte ich mich des Lachens länger nit enthalten/ denn ich mein- te/ es solte mir die Blase bersten/ da er es hörte/ verlohr er sich/ daß ich nicht weiß/ wo er mit Jungfer Ketten hinkommen. Da ich nun mich also allein zu sein befande/ examinirte und Die Leute halten den Zipphusium (der Wäschen für seine Frater Johannes ligt offters im Bette/ und recitiret sein Pa- Mancher Student/ gehet den Tag durch spatziren/ des Nach- Was thut die Opinion heutig es Tages bey den mehrern Theil der Schiff- M m iiij
Von der Einbildung. Diſtel verwandeln ſolle/ damit ihr endlich den groben Eſeln zur Spei-ſe werdet. Noch andere Schwuͤre und Wuͤnſche thaͤt er auß dem Amadis und der Arcadia, und wo er ſie zuſammen ſuchen konte/ hin- zu. Konte ich mich des Lachens laͤnger nit enthalten/ denn ich mein- te/ es ſolte mir die Blaſe berſten/ da er es hoͤrte/ verlohr er ſich/ daß ich nicht weiß/ wo er mit Jungfer Ketten hinkommen. Da ich nun mich alſo allein zu ſein befande/ examinirte und Die Leute halten den Zipphuſium (der Waͤſchen fuͤr ſeine Frater Johannes ligt offters im Bette/ und recitiret ſein Pa- Mancher Student/ gehet den Tag durch ſpatziren/ des Nach- Was thut die Opinion heutig es Tages bey den mehrern Theil der Schiff- M m iiij
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Von der Einbildung.
Diſtel verwandeln ſolle/ damit ihr endlich den groben Eſeln zur Spei-
ſe werdet. Noch andere Schwuͤre und Wuͤnſche thaͤt er auß dem
Amadis und der Arcadia, und wo er ſie zuſammen ſuchen konte/ hin-
zu. Konte ich mich des Lachens laͤnger nit enthalten/ denn ich mein-
te/ es ſolte mir die Blaſe berſten/ da er es hoͤrte/ verlohr er ſich/ daß
ich nicht weiß/ wo er mit Jungfer Ketten hinkommen.
Da ich nun mich alſo allein zu ſein befande/ examinirte und
betrachtete ich genau die groſſe Thorheit der Jugend/ die dafuͤr haͤlt/
daß alle Zierde der teutſchen Sprache beſtehe in den Loͤffelbuͤchern.
Und hieruͤber erwachte ich/ und ſahe daß dieſes alles ein vergeblicher
Traum/ Phantaſten und Einbildunge waͤren/ doch ſehe ich/ daß die
Opiniones noch an allen Orten herꝛſcheten.
Die Leute halten den Zipphuſium (der Waͤſchen fuͤr ſeine
groͤſte Kunſt haͤlt/ und dem Stillſchweigen eine groſſe Straffe) fuͤr
einen beredten Mann; gerade als wenn der Acker/ der nichts als Un-
kraut traͤgt fuͤr fruchtbar zu halten ſeye: Hingegen wird das Still-
ſchweigen und wenig Reden fuͤr eine Faul- und Traͤgheit geachtet/
aber die werden von der Opinion betrogen.
Frater Johannes ligt offters im Bette/ und recitiret ſein Pa-
ter noſter, da er doch vor Schlaffen kaum die Augen nicht kan auff-
thun/ bildet ihme doch ein/ ſein Gebet ſeye gar lieb und angenehm bey
Gott/ wird aber von der Opinion betrogen/ denn wer da betet als be-
tet er nicht/ den erhoͤret auch Gott/ als erhoͤret er ihn nicht
Mancher Student/ gehet den Tag durch ſpatziren/ des Nach-
tes brennet er Licht/ daß man meynen ſolle/ er ſeye ſo embſig in ſeinem
Studiren/ fallitur opinione. Es beſchriebe einer den Schlaff/ daß
er waͤre ein Bruder des Todes/ der thaͤte nichts als ſchlaffen/ damit er
ſich allezeit des Todes erinnerte/ ja er gieng offt mit verſchloſſenen
Augen fuͤr den Spiegel zu ſehen/ wie des ſchlaffenden Bildnuͤß Ge-
ſtalt ware/ ward von der Opinion betrogen. Werden nicht auch die
von der Opinion betrogen/ die/ damit ſie ſich fuͤr den Leutẽ groß machẽ
uñ ſehen laſſen/ mit anderer Leute Guͤtern prangen/ da bey ihnen doch
nichts als bittere Armuth regieret: Streichen ihre Eltern und Vor-
fahren herauß/ ruͤhmen ſich/ daß dieſe von den Trojanern ihren
Urſprung genommen/ oder gar vor der Suͤndfluth ſi diis placet
hinter ſich kratzen die Huͤner/ gelebet haben.
Was thut die Opinion heutig es Tages bey den mehrern Theil der
Leute/ es wil alles Edel ſeyn. Zwar iſt es zu Dantzig nichts neues
und wuͤrde einer uͤbel anlauffen/ wenn er nicht einen jeden
Schiff-
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