Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Einbildung. worben/ hat er sich in die Gestalt des armen/ erschrockenen von Re-gen und Wind halb erfrornen und erstorbenen Cucucs verwandelt. Du wenn du gescheut bist/ ja daß du gescheut werdest/ mache es eben also und folge diesem nach/ daß du je zu weilen die Gunst durch gnten Verstand erkauffest; jeweilen stelle dich/ absonderlich bey de- nen/ die ihres gleichen nicht leiden noch vertragen können/ als wäre- stu halb dum und dutzig/ jeweilen mache dir einen Zutritt durch Dienst und Gehorsam bey denen die knechtische Gemühter lieben und suchen: Denn wisse auch daß das nicht das geringste Stück seye der Welt Weißheit und bey Leuten fort zukommen/ nemlich/ daß man nicht allzu witzig und witziger seyn wölle als andere Leute. Denn gemeiniglich diejenige/ die etwas neues anfangen und sich dar- innen zuviel versteigen/ in Schimpff und Spott und in eusserste Noth kommen und gerahten/ und andern Leuten zum Schauspiel werden. Als ich ihn mit solchen und dergleichen auffrichtete und tröstete/ ersahe ich einen jungen Schnautzhan/ der die Baaß im Hau- se/ die sich denn nicht sonderlich wegerte/ bey der Hand ergriffe/ die er folgender massen anredete. Allerschönste Jungfrau. Jndeme ich verliere/ gewinne ich/ und in deme ich gewinne/ verliere ich. Jn dem ich verliere sc. meine vorige Gesellschafft/ gewin ich euer längst gewünfchte Gegenwart/ und in dem ich eure Gegenwart gewinne/ verliere ich meine libertet. Euer Schönheit/ welche weit/ weit über den Horizont der Vollkommenheit gestiegen/ hat mein Hertz und Verstand so gefangen/ daß ich wol hiebevor die scharffe Pfeile des Cupidinis verlacht/ so muß ich doch jetzo vor dem Altar euerer extraordinar qualiteten niederknien/ und euch mein inbrünstiges Hertz in tieffer Demuth auffopffern. O ihr allerschönste Venus, die ihr viel schöner seyd/ als die Venus auß Cypern/ was für super- lativos sol ich doch brauchen/ damit ich euch bezeigen könne/ wie hoch ich eure perfection venerire. Ach madamoiselle die ihr so schön seyd als unbarmhertzig/ und so unbarmhertzig als schön/ ich könte euch billich vergleichen mit dem Käyser Nerone, welcher seinen Lust dran hatte/ daß er von einem Thurn die Stadt Rom brennen sahe. Dann ihr sehet auch oben von dem Thurn euer hohen meriten bren- nen/ nicht alleine die Stadt und Vorstadt meines Zucker verliebten Hertzens/ sondern auch die Kirche/ so ich euch darein gebauet und consecriret. Es stehet in eurer Macht mich in dieser Flam zu sal- viren; und warlich werdet ihr mich zu der desperation bringen/ und werdet euch nicht als eine schöne Rose lassen abbrechen von mir/ der ich auß dem Fonte Nympharum Caballino so manchen Trunck hausticos gethan/ so wil ich den Phoebum bitten/ daß er euch in eine Distel
Von der Einbildung. worben/ hat er ſich in die Geſtalt des armen/ erſchrockenen von Re-gen und Wind halb erfrornen und erſtorbenen Cucucs verwandelt. Du wenn du geſcheut biſt/ ja daß du geſcheut werdeſt/ mache es eben alſo und folge dieſem nach/ daß du je zu weilen die Gunſt durch gnten Verſtand erkauffeſt; jeweilen ſtelle dich/ abſonderlich bey de- nen/ die ihres gleichen nicht leiden noch vertragen koͤnnen/ als waͤre- ſtu halb dum und dutzig/ jeweilen mache dir einen Zutritt durch Dienſt und Gehorſam bey denen die knechtiſche Gemuͤhter lieben und ſuchen: Denn wiſſe auch daß das nicht das geringſte Stuͤck ſeye der Welt Weißheit und bey Leuten fort zukommen/ nemlich/ daß man nicht allzu witzig und witziger ſeyn woͤlle als andere Leute. Denn gemeiniglich diejenige/ die etwas neues anfangen und ſich dar- innen zuviel verſteigen/ in Schimpff und Spott und in euſſerſte Noth kommen und gerahten/ und andern Leuten zum Schauſpiel werden. Als ich ihn mit ſolchen und dergleichen auffrichtete und troͤſtete/ erſahe ich einen jungen Schnautzhan/ der die Baaß im Hau- ſe/ die ſich denn nicht ſonderlich wegerte/ bey der Hand ergriffe/ die er folgender maſſen anredete. Allerſchoͤnſte Jungfrau. Jndeme ich verliere/ gewinne ich/ und in deme ich gewinne/ verliere ich. Jn dem ich verliere ſc. meine vorige Geſellſchafft/ gewin ich euer laͤngſt gewuͤnfchte Gegenwart/ und in dem ich eure Gegenwart gewinne/ verliere ich meine libertet. Euer Schoͤnheit/ welche weit/ weit uͤber den Horizont der Vollkommenheit geſtiegen/ hat mein Hertz und Verſtand ſo gefangen/ daß ich wol hiebevor die ſcharffe Pfeile des Cupidinis verlacht/ ſo muß ich doch jetzo vor dem Altar euerer extraordinar qualiteten niederknien/ und euch mein inbruͤnſtiges Hertz in tieffer Demuth auffopffern. O ihr allerſchoͤnſte Venus, die ihr viel ſchoͤner ſeyd/ als die Venus auß Cypern/ was fuͤr ſuper- lativos ſol ich doch brauchen/ damit ich euch bezeigen koͤnne/ wie hoch ich eure perfection venerire. Ach madamoiſelle die ihr ſo ſchoͤn ſeyd als unbarmhertzig/ und ſo unbarmhertzig als ſchoͤn/ ich koͤnte euch billich vergleichen mit dem Kaͤyſer Nerone, welcher ſeinen Luſt dran hatte/ daß er von einem Thurn die Stadt Rom brennen ſahe. Dann ihr ſehet auch oben von dem Thurn euer hohen meriten bren- nen/ nicht alleine die Stadt und Vorſtadt meines Zucker verliebten Hertzens/ ſondern auch die Kirche/ ſo ich euch darein gebauet und conſecriret. Es ſtehet in eurer Macht mich in dieſer Flam zu ſal- viren; und warlich werdet ihr mich zu der deſperation bringen/ und werdet euch nicht als eine ſchoͤne Roſe laſſen abbrechen von mir/ der ich auß dem Fonte Nympharum Caballino ſo manchen Trunck hauſticos gethan/ ſo wil ich den Phœbum bitten/ daß er euch in eine Diſtel
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Von der Einbildung.
worben/ hat er ſich in die Geſtalt des armen/ erſchrockenen von Re-
gen und Wind halb erfrornen und erſtorbenen Cucucs verwandelt.
Du wenn du geſcheut biſt/ ja daß du geſcheut werdeſt/ mache es
eben alſo und folge dieſem nach/ daß du je zu weilen die Gunſt durch
gnten Verſtand erkauffeſt; jeweilen ſtelle dich/ abſonderlich bey de-
nen/ die ihres gleichen nicht leiden noch vertragen koͤnnen/ als waͤre-
ſtu halb dum und dutzig/ jeweilen mache dir einen Zutritt durch
Dienſt und Gehorſam bey denen die knechtiſche Gemuͤhter lieben
und ſuchen: Denn wiſſe auch daß das nicht das geringſte Stuͤck
ſeye der Welt Weißheit und bey Leuten fort zukommen/ nemlich/
daß man nicht allzu witzig und witziger ſeyn woͤlle als andere Leute.
Denn gemeiniglich diejenige/ die etwas neues anfangen und ſich dar-
innen zuviel verſteigen/ in Schimpff und Spott und in euſſerſte
Noth kommen und gerahten/ und andern Leuten zum Schauſpiel
werden. Als ich ihn mit ſolchen und dergleichen auffrichtete und
troͤſtete/ erſahe ich einen jungen Schnautzhan/ der die Baaß im Hau-
ſe/ die ſich denn nicht ſonderlich wegerte/ bey der Hand ergriffe/ die
er folgender maſſen anredete. Allerſchoͤnſte Jungfrau. Jndeme
ich verliere/ gewinne ich/ und in deme ich gewinne/ verliere ich. Jn
dem ich verliere ſc. meine vorige Geſellſchafft/ gewin ich euer laͤngſt
gewuͤnfchte Gegenwart/ und in dem ich eure Gegenwart gewinne/
verliere ich meine libertet. Euer Schoͤnheit/ welche weit/ weit
uͤber den Horizont der Vollkommenheit geſtiegen/ hat mein Hertz
und Verſtand ſo gefangen/ daß ich wol hiebevor die ſcharffe Pfeile
des Cupidinis verlacht/ ſo muß ich doch jetzo vor dem Altar euerer
extraordinar qualiteten niederknien/ und euch mein inbruͤnſtiges
Hertz in tieffer Demuth auffopffern. O ihr allerſchoͤnſte Venus,
die ihr viel ſchoͤner ſeyd/ als die Venus auß Cypern/ was fuͤr ſuper-
lativos ſol ich doch brauchen/ damit ich euch bezeigen koͤnne/ wie hoch
ich eure perfection venerire. Ach madamoiſelle die ihr ſo ſchoͤn
ſeyd als unbarmhertzig/ und ſo unbarmhertzig als ſchoͤn/ ich koͤnte
euch billich vergleichen mit dem Kaͤyſer Nerone, welcher ſeinen Luſt
dran hatte/ daß er von einem Thurn die Stadt Rom brennen ſahe.
Dann ihr ſehet auch oben von dem Thurn euer hohen meriten bren-
nen/ nicht alleine die Stadt und Vorſtadt meines Zucker verliebten
Hertzens/ ſondern auch die Kirche/ ſo ich euch darein gebauet und
conſecriret. Es ſtehet in eurer Macht mich in dieſer Flam zu ſal-
viren; und warlich werdet ihr mich zu der deſperation bringen/ und
werdet euch nicht als eine ſchoͤne Roſe laſſen abbrechen von mir/ der
ich auß dem Fonte Nympharum Caballino ſo manchen Trunck
hauſticos gethan/ ſo wil ich den Phœbum bitten/ daß er euch in eine
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/592>, abgerufen am 15.06.2024. |