Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Einbildung.
zu verstehen geben/ wie Frau Schultz in respectiret werden solte/ da
wehrete sie mit Händen und Füssen ab/ sagte/ sitzt still/ sitzt still/ es
denckt mir noch wol der Tag/ daß ich euers gleichen war/ und die Noll-
Plon
hieß/ allein denckt nicht mehr wer ich war/ sondern wer ich jetzo
bin; es gehet mir auch wie jenem Schulmeister/ der Mist außführet/
und ein Stimm höret/ die sprach: Gregori laß den Mist stehen/ du
bist zu höhern Dingen beruffen.

Es saget ein Jurist zu Jena/ die gantze Welt werde regieret
durch die vier Contractus, die man innominatos nennet/ weil sie
keinen eigentlichen Namen/ gleich andere haben/ als do ut des, ich ge-
be/ daß du auch gebest/ do ut facias, ich gebe/ daß du etwas hergegen
thust: facio ut facias, ich thue das/ damit du auch thust: ich thue/ auff
das du gebest. Wer nicht glaubet daß alle Dinge auch von den Uber-
heiligsten umb dieser vier Stücke und Contractus willen geschehen
und verrichtet werden/ der wird von der Opinion betrogen.

Haltet ihr die vor glückselige Leute/ die hoch angesehen/ und
hoch am Brete sitzen? Opinio betrüget euch. Dem viel anvertrauet/
von dem wird auch viel gefordert. Glückselig ist der/ der sein Pfund/
so klein es auch immer ist/ wol anwendet und gebrauchet. Warumb
legen die Höcker ein höltzern Käß/ als wäre es ein rechter/ dem vorü-
bergehenden in das Gesichte? Warum thun die Politici alles auff
den Schein/ und pro Forma? Resp. Mundus vult decipi, die
Welt wil betrogen seyn.

Man saget der Wein solle alle fünff Sinne ergetzen; das Ge-
sicht durch eine helle schöne Farbe; den Geruch und den Geschmack
durch seine Lieblichkeit; das Fühlen durch die Kälte. Was thut aber
das Gehör darbey? Resp, Mundus fallitur opinionibus. Die
Einbildung wie auch die inclination der Leute thut viel bey der
Sache.

Jch muß hier kurtzweilitatis gratia erzehlen/ was sich mit
mir zugetragen/ als ich zu Königsberg studirte; und nach dem ich mit
vornehmen Bürgern bekant worden/ wurde ich je zuweilen mit Er-
lustirens halber in ihre Lusthäuser ansser der Stadt geführet/ und
wenn sie ihre Flaschenfutter uffthäten/ war dieses allezeit die erste
Frage/ wie mir der Wein schmeckte? und weil sie wusten/ das ich an
solchem Orte geboren/ daß der Bachus vor allen andern geliebet
und gezieret/ und ich denn den sauren Wein/ so halber Krautlache/
lobete/ soffen sie sich so voll/ als die Birstenbinder/ und wurden von
lauterer Opinion voll und toll.

Es ist mit der Opinion so bewand/ daß gleich ein Regenbogen
und ein Sonnen-Circul den andern/ also auch eine Opinion die an-
dere zeiget und gebühret. Wer ist wol unter uns der nicht von der

Opinion

Von der Einbildung.
zu verſtehen geben/ wie Frau Schultz in reſpectiret werden ſolte/ da
wehrete ſie mit Haͤnden und Fuͤſſen ab/ ſagte/ ſitzt ſtill/ ſitzt ſtill/ es
denckt mir noch wol der Tag/ daß ich euers gleichen war/ uñ die Noll-
Plon
hieß/ allein denckt nicht mehr wer ich war/ ſondern wer ich jetzo
bin; es gehet mir auch wie jenem Schulmeiſter/ der Miſt außfuͤhret/
und ein Stimm hoͤret/ die ſprach: Gregori laß den Miſt ſtehen/ du
biſt zu hoͤhern Dingen beruffen.

Es ſaget ein Juriſt zu Jena/ die gantze Welt werde regieret
durch die vier Contractus, die man innominatos nennet/ weil ſie
keinen eigentlichen Namen/ gleich andere haben/ als do ut des, ich ge-
be/ daß du auch gebeſt/ do ut facias, ich gebe/ daß du etwas hergegen
thuſt: facio ut facias, ich thue das/ damit du auch thuſt: ich thue/ auff
das du gebeſt. Wer nicht glaubet daß alle Dinge auch von den Uber-
heiligſten umb dieſer vier Stuͤcke und Contractus willen geſchehen
und verrichtet werden/ der wird von der Opinion betrogen.

Haltet ihr die vor gluͤckſelige Leute/ die hoch angeſehen/ und
hoch am Brete ſitzen? Opinio betruͤget euch. Dem viel anvertrauet/
von dem wird auch viel gefordert. Gluͤckſelig iſt der/ der ſein Pfund/
ſo klein es auch immer iſt/ wol anwendet und gebrauchet. Warumb
legen die Hoͤcker ein hoͤltzern Kaͤß/ als waͤre es ein rechter/ dem voruͤ-
bergehenden in das Geſichte? Warum thun die Politici alles auff
den Schein/ und pro Forma? Reſp. Mundus vult decipi, die
Welt wil betrogen ſeyn.

Man ſaget der Wein ſolle alle fuͤnff Sinne ergetzen; das Ge-
ſicht durch eine helle ſchoͤne Farbe; den Geruch und den Geſchmack
durch ſeine Lieblichkeit; das Fuͤhlen durch die Kaͤlte. Was thut aber
das Gehoͤr darbey? Reſp, Mundus fallitur opinionibus. Die
Einbildung wie auch die inclination der Leute thut viel bey der
Sache.

Jch muß hier kurtzweilitatis gratiá erzehlen/ was ſich mit
mir zugetragen/ als ich zu Koͤnigsberg ſtudirte; und nach dem ich mit
vornehmen Buͤrgern bekant worden/ wurde ich je zuweilen mit Er-
luſtirens halber in ihre Luſthaͤuſer anſſer der Stadt gefuͤhret/ und
wenn ſie ihre Flaſchenfutter uffthaͤten/ war dieſes allezeit die erſte
Frage/ wie mir der Wein ſchmeckte? und weil ſie wuſten/ das ich an
ſolchem Orte geboren/ daß der Bachus vor allen andern geliebet
und gezieret/ und ich denn den ſauren Wein/ ſo halber Krautlache/
lobete/ ſoffen ſie ſich ſo voll/ als die Birſtenbinder/ und wurden von
lauterer Opinion voll und toll.

Es iſt mit der Opinion ſo bewand/ daß gleich ein Regenbogen
und ein Sonnen-Circul den andern/ alſo auch eine Opinion die an-
dere zeiget und gebuͤhret. Wer iſt wol unter uns der nicht von der

Opinion
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0585" n="543"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Einbildung.</hi></fw><lb/>
zu ver&#x017F;tehen geben/ wie Frau Schultz in re&#x017F;pectiret werden &#x017F;olte/ da<lb/>
wehrete &#x017F;ie mit Ha&#x0364;nden und Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ab/ &#x017F;agte/ &#x017F;itzt &#x017F;till/ &#x017F;itzt &#x017F;till/ es<lb/>
denckt mir noch wol der Tag/ daß ich euers gleichen war/ un&#x0303; die <hi rendition="#fr">Noll-<lb/>
Plon</hi> hieß/ allein denckt nicht mehr wer ich war/ &#x017F;ondern wer ich jetzo<lb/>
bin; es gehet mir auch wie jenem Schulmei&#x017F;ter/ der Mi&#x017F;t außfu&#x0364;hret/<lb/>
und ein Stimm ho&#x0364;ret/ die &#x017F;prach: <hi rendition="#aq">Gregori</hi> laß den Mi&#x017F;t &#x017F;tehen/ du<lb/>
bi&#x017F;t zu ho&#x0364;hern Dingen beruffen.</p><lb/>
        <p>Es &#x017F;aget ein Juri&#x017F;t zu Jena/ die gantze Welt werde regieret<lb/>
durch die vier <hi rendition="#aq">Contractus,</hi> die man <hi rendition="#aq">innominatos</hi> nennet/ weil &#x017F;ie<lb/>
keinen eigentlichen Namen/ gleich andere haben/ als <hi rendition="#aq">do ut des,</hi> ich ge-<lb/>
be/ daß du auch gebe&#x017F;t/ <hi rendition="#aq">do ut facias,</hi> ich gebe/ daß du etwas hergegen<lb/>
thu&#x017F;t: <hi rendition="#aq">facio ut facias,</hi> ich thue das/ damit du auch thu&#x017F;t: ich thue/ auff<lb/>
das du gebe&#x017F;t. Wer nicht glaubet daß alle Dinge auch von den Uber-<lb/>
heilig&#x017F;ten umb die&#x017F;er vier Stu&#x0364;cke und <hi rendition="#aq">Contractus</hi> willen ge&#x017F;chehen<lb/>
und verrichtet werden/ der wird von der Opinion betrogen.</p><lb/>
        <p>Haltet ihr die vor glu&#x0364;ck&#x017F;elige Leute/ die hoch ange&#x017F;ehen/ und<lb/>
hoch am Brete &#x017F;itzen? <hi rendition="#aq">Opinio</hi> betru&#x0364;get euch. Dem viel anvertrauet/<lb/>
von dem wird auch viel gefordert. Glu&#x0364;ck&#x017F;elig i&#x017F;t der/ der &#x017F;ein Pfund/<lb/>
&#x017F;o klein es auch immer i&#x017F;t/ wol anwendet und gebrauchet. Warumb<lb/>
legen die Ho&#x0364;cker ein ho&#x0364;ltzern Ka&#x0364;ß/ als wa&#x0364;re es ein rechter/ dem voru&#x0364;-<lb/>
bergehenden in das Ge&#x017F;ichte? Warum thun die Politici alles auff<lb/>
den Schein/ und <hi rendition="#aq">pro Forma? Re&#x017F;p. Mundus vult decipi,</hi> die<lb/>
Welt wil betrogen &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Man &#x017F;aget der Wein &#x017F;olle alle fu&#x0364;nff Sinne ergetzen; das Ge-<lb/>
&#x017F;icht durch eine helle &#x017F;cho&#x0364;ne Farbe; den Geruch und den Ge&#x017F;chmack<lb/>
durch &#x017F;eine Lieblichkeit; das Fu&#x0364;hlen durch die Ka&#x0364;lte. Was thut aber<lb/>
das Geho&#x0364;r darbey? <hi rendition="#aq">Re&#x017F;p, Mundus fallitur opinionibus.</hi> Die<lb/>
Einbildung wie auch die <hi rendition="#aq">inclination</hi> der Leute thut viel bey der<lb/>
Sache.</p><lb/>
        <p>Jch muß hier kurtzweili<hi rendition="#aq">tatis gratiá</hi> erzehlen/ was &#x017F;ich mit<lb/>
mir zugetragen/ als ich zu Ko&#x0364;nigsberg &#x017F;tudirte; und nach dem ich mit<lb/>
vornehmen Bu&#x0364;rgern bekant worden/ wurde ich je zuweilen mit Er-<lb/>
lu&#x017F;tirens halber in ihre Lu&#x017F;tha&#x0364;u&#x017F;er an&#x017F;&#x017F;er der Stadt gefu&#x0364;hret/ und<lb/>
wenn &#x017F;ie ihre Fla&#x017F;chenfutter ufftha&#x0364;ten/ war die&#x017F;es allezeit die er&#x017F;te<lb/>
Frage/ wie mir der Wein &#x017F;chmeckte? und weil &#x017F;ie wu&#x017F;ten/ das ich an<lb/>
&#x017F;olchem Orte geboren/ daß der <hi rendition="#aq">Bachus</hi> vor allen andern geliebet<lb/>
und gezieret/ und ich denn den &#x017F;auren Wein/ &#x017F;o halber Krautlache/<lb/>
lobete/ &#x017F;offen &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o voll/ als die Bir&#x017F;tenbinder/ und wurden von<lb/>
lauterer Opinion voll und toll.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t mit der Opinion &#x017F;o bewand/ daß gleich ein Regenbogen<lb/>
und ein Sonnen-Circul den andern/ al&#x017F;o auch eine Opinion die an-<lb/>
dere zeiget und gebu&#x0364;hret. Wer i&#x017F;t wol unter uns der nicht von der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Opinion</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[543/0585] Von der Einbildung. zu verſtehen geben/ wie Frau Schultz in reſpectiret werden ſolte/ da wehrete ſie mit Haͤnden und Fuͤſſen ab/ ſagte/ ſitzt ſtill/ ſitzt ſtill/ es denckt mir noch wol der Tag/ daß ich euers gleichen war/ uñ die Noll- Plon hieß/ allein denckt nicht mehr wer ich war/ ſondern wer ich jetzo bin; es gehet mir auch wie jenem Schulmeiſter/ der Miſt außfuͤhret/ und ein Stimm hoͤret/ die ſprach: Gregori laß den Miſt ſtehen/ du biſt zu hoͤhern Dingen beruffen. Es ſaget ein Juriſt zu Jena/ die gantze Welt werde regieret durch die vier Contractus, die man innominatos nennet/ weil ſie keinen eigentlichen Namen/ gleich andere haben/ als do ut des, ich ge- be/ daß du auch gebeſt/ do ut facias, ich gebe/ daß du etwas hergegen thuſt: facio ut facias, ich thue das/ damit du auch thuſt: ich thue/ auff das du gebeſt. Wer nicht glaubet daß alle Dinge auch von den Uber- heiligſten umb dieſer vier Stuͤcke und Contractus willen geſchehen und verrichtet werden/ der wird von der Opinion betrogen. Haltet ihr die vor gluͤckſelige Leute/ die hoch angeſehen/ und hoch am Brete ſitzen? Opinio betruͤget euch. Dem viel anvertrauet/ von dem wird auch viel gefordert. Gluͤckſelig iſt der/ der ſein Pfund/ ſo klein es auch immer iſt/ wol anwendet und gebrauchet. Warumb legen die Hoͤcker ein hoͤltzern Kaͤß/ als waͤre es ein rechter/ dem voruͤ- bergehenden in das Geſichte? Warum thun die Politici alles auff den Schein/ und pro Forma? Reſp. Mundus vult decipi, die Welt wil betrogen ſeyn. Man ſaget der Wein ſolle alle fuͤnff Sinne ergetzen; das Ge- ſicht durch eine helle ſchoͤne Farbe; den Geruch und den Geſchmack durch ſeine Lieblichkeit; das Fuͤhlen durch die Kaͤlte. Was thut aber das Gehoͤr darbey? Reſp, Mundus fallitur opinionibus. Die Einbildung wie auch die inclination der Leute thut viel bey der Sache. Jch muß hier kurtzweilitatis gratiá erzehlen/ was ſich mit mir zugetragen/ als ich zu Koͤnigsberg ſtudirte; und nach dem ich mit vornehmen Buͤrgern bekant worden/ wurde ich je zuweilen mit Er- luſtirens halber in ihre Luſthaͤuſer anſſer der Stadt gefuͤhret/ und wenn ſie ihre Flaſchenfutter uffthaͤten/ war dieſes allezeit die erſte Frage/ wie mir der Wein ſchmeckte? und weil ſie wuſten/ das ich an ſolchem Orte geboren/ daß der Bachus vor allen andern geliebet und gezieret/ und ich denn den ſauren Wein/ ſo halber Krautlache/ lobete/ ſoffen ſie ſich ſo voll/ als die Birſtenbinder/ und wurden von lauterer Opinion voll und toll. Es iſt mit der Opinion ſo bewand/ daß gleich ein Regenbogen und ein Sonnen-Circul den andern/ alſo auch eine Opinion die an- dere zeiget und gebuͤhret. Wer iſt wol unter uns der nicht von der Opinion

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/585
Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/585>, abgerufen am 15.06.2024.