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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.

Vorzeiten haben in Diensten des Jovis sich befunden und aus-
gehalten/ Labor & virtus, die Arbeit und die Tugend/ und weil die
Tugend sehr schön war/ begehret die Arbeit sie zu heyrahten/ Jupiter
verwilligts/ und ward das Beylager mit grossem Gepräng verrich-
tet/ die beyde lebten friedlich und wohl beyeinander/ aber die Tugend
bliebe lange Zeit unfruchtbar/ daß auch solcher Ursach halber sie von
andern Weibern sehr gehasset worden/ biß endlich die Lucina sich
über sie erbarmet/ und den Jupiter bittlich ersuchte/ daß er doch die
verachtete und verlassene Tugend wolte mit Leibesfrucht segnen; Ju-
piter
von solcher Bitte überwunden/ ließ dieses zu/ daß die Tugend
schwanger und Honorem die Ehre gebahr/ also hat die Ehre allezeit
der Tugend Schatten seyn wollen/ wann dann dieser Schatte A-
bends Zeit die Tugend begleitete/ ist er allezeit länger.

Wie wurde jener von Würtzburg von der Einbildung so greu-
lich betrogen/ der von dem Pflug/ gleich wieder König in Polen/ zum
Schultheisen-Ampt erwehlet worden? Der sich einbildete/ als lege
des gantzen Römischen Reichs Wohlfart auff jhn; daß als er eins-
mals in seiner Grandeza einher reitend seinen Nachbar Hansen be-
gegnete/ der sich über die grosse Veränderung und auffgeblasenen
Schultzen zum höchsten verwunderte/ fieng an zu fragen: Ey Hans
du lieber Hans/ kennestu mich auch noch? Der neue Herr Schultheis
reisspelte und striche den Bart gar ernstlich/ und sprach/ wie solt ich
dich kennen/ da ich mich selbst nicht kenne; Du ungehobelter Tölpel/
du soltest deine Obrigkeit wol besser respectiren. Die Frau Schultzen
muste bald ihre vorige Kleider ändern und abschaffen/ und sich wie
Frau Schultzen gebühret/ nach der Modo kleiden. Er sagte/ liebe An-
na/ gedencke daß du jetzo im Dorff Frau Schultzin bist/ die Gesetz und
Ordnung gibt/ aber nicht annimbt. Frau Anna eylete geschwind zum
Meister Hansen dem Schneider/ daß er ihre Kleider änderte/ und da-
mit er sie förderte/ hat er wenig Ruhe/ biß Frau Annen wilfahret
ward; da er nun die Kleider andern Sontags frühe brachte/ und am
Spiegel mangelte/ hieß sie geschwind ein Zuber Wasser/ ihr freund-
lich Angesicht zu bespiegeln/ bringen/ da nun alles Haußgesind umb
Frau Anna stehet/ und eins dieses das andere ein anders begaffete und
betrachtete/ und im Außputzen so geschäfftig waren/ als die Jungen
bey dem Tölponiren/ Deponiren wolte ich sagen/ die man Sponleser
nennete/ da nun alles so voller Geschäffte/ als wann ein neuer Bapst
zu Rom solte gewehlet werden/ gienge die Predigt zu End/ da schrien
alle/ Frau Anna es ist Zeit/ die Kirch ist bald auß/ als sie nun eylete/
kam sie eben zum Beschluß/ da alle Leute auffstunden. Frau Anna ver-
metuete/ solches geschehe ihr zu Ehren/ und das jeder wolte eusserlich

zu
Von der Einbildung.

Vorzeiten haben in Dienſten des Jovis ſich befunden und auſ-
gehalten/ Labor & virtus, die Arbeit und die Tugend/ und weil die
Tugend ſehr ſchoͤn war/ begehret die Arbeit ſie zu heyrahten/ Jupiter
verwilligts/ und ward das Beylager mit groſſem Gepraͤng verrich-
tet/ die beyde lebten friedlich und wohl beyeinander/ aber die Tugend
bliebe lange Zeit unfruchtbar/ daß auch ſolcher Urſach halber ſie von
andern Weibern ſehr gehaſſet worden/ biß endlich die Lucina ſich
uͤber ſie erbarmet/ und den Jupiter bittlich erſuchte/ daß er doch die
verachtete und verlaſſene Tugend wolte mit Leibesfrucht ſegnen; Ju-
piter
von ſolcher Bitte uͤberwunden/ ließ dieſes zu/ daß die Tugend
ſchwanger und Honorem die Ehre gebahr/ alſo hat die Ehre allezeit
der Tugend Schatten ſeyn wollen/ wann dann dieſer Schatte A-
bends Zeit die Tugend begleitete/ iſt er allezeit laͤnger.

Wie wurde jener von Wuͤrtzburg von der Einbildung ſo greu-
lich betrogen/ der von dem Pflug/ gleich wieder Koͤnig in Polen/ zum
Schultheiſen-Ampt erwehlet worden? Der ſich einbildete/ als lege
des gantzen Roͤmiſchen Reichs Wohlfart auff jhn; daß als er eins-
mals in ſeiner Grandeza einher reitend ſeinen Nachbar Hanſen be-
gegnete/ der ſich uͤber die groſſe Veraͤnderung und auffgeblaſenen
Schultzen zum hoͤchſten verwunderte/ fieng an zu fragen: Ey Hans
du lieber Hans/ kenneſtu mich auch noch? Der neue Herr Schultheis
reisſpelte und ſtriche den Bart gar ernſtlich/ und ſprach/ wie ſolt ich
dich kennen/ da ich mich ſelbſt nicht kenne; Du ungehobelter Toͤlpel/
du ſolteſt deine Obrigkeit wol beſſer reſpectiren. Die Frau Schultzen
muſte bald ihre vorige Kleider aͤndern und abſchaffen/ und ſich wie
Frau Schultzen gebuͤhret/ nach der Modo kleiden. Er ſagte/ liebe An-
na/ gedencke daß du jetzo im Dorff Frau Schultzin biſt/ die Geſetz und
Ordnung gibt/ aber nicht annimbt. Frau Anna eylete geſchwind zum
Meiſter Hanſen dem Schneider/ daß er ihre Kleider aͤnderte/ und da-
mit er ſie foͤrderte/ hat er wenig Ruhe/ biß Frau Annen wilfahret
ward; da er nun die Kleider andern Sontags fruͤhe brachte/ und am
Spiegel mangelte/ hieß ſie geſchwind ein Zuber Waſſer/ ihr freund-
lich Angeſicht zu beſpiegeln/ bringen/ da nun alles Haußgeſind umb
Frau Anna ſtehet/ und eins dieſes das andere ein anders begaffete uñ
betrachtete/ und im Außputzen ſo geſchaͤfftig waren/ als die Jungen
bey dem Toͤlponiren/ Deponiren wolte ich ſagen/ die man Sponleſer
nennete/ da nun alles ſo voller Geſchaͤffte/ als wann ein neuer Bapſt
zu Rom ſolte gewehlet werden/ gienge die Predigt zu End/ da ſchrien
alle/ Frau Anna es iſt Zeit/ die Kirch iſt bald auß/ als ſie nun eylete/
kam ſie eben zum Beſchluß/ da alle Leute auffſtunden. Frau Anna ver-
metuete/ ſolches geſchehe ihr zu Ehren/ und das jeder wolte euſſerlich

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[542/0584] Von der Einbildung. Vorzeiten haben in Dienſten des Jovis ſich befunden und auſ- gehalten/ Labor & virtus, die Arbeit und die Tugend/ und weil die Tugend ſehr ſchoͤn war/ begehret die Arbeit ſie zu heyrahten/ Jupiter verwilligts/ und ward das Beylager mit groſſem Gepraͤng verrich- tet/ die beyde lebten friedlich und wohl beyeinander/ aber die Tugend bliebe lange Zeit unfruchtbar/ daß auch ſolcher Urſach halber ſie von andern Weibern ſehr gehaſſet worden/ biß endlich die Lucina ſich uͤber ſie erbarmet/ und den Jupiter bittlich erſuchte/ daß er doch die verachtete und verlaſſene Tugend wolte mit Leibesfrucht ſegnen; Ju- piter von ſolcher Bitte uͤberwunden/ ließ dieſes zu/ daß die Tugend ſchwanger und Honorem die Ehre gebahr/ alſo hat die Ehre allezeit der Tugend Schatten ſeyn wollen/ wann dann dieſer Schatte A- bends Zeit die Tugend begleitete/ iſt er allezeit laͤnger. Wie wurde jener von Wuͤrtzburg von der Einbildung ſo greu- lich betrogen/ der von dem Pflug/ gleich wieder Koͤnig in Polen/ zum Schultheiſen-Ampt erwehlet worden? Der ſich einbildete/ als lege des gantzen Roͤmiſchen Reichs Wohlfart auff jhn; daß als er eins- mals in ſeiner Grandeza einher reitend ſeinen Nachbar Hanſen be- gegnete/ der ſich uͤber die groſſe Veraͤnderung und auffgeblaſenen Schultzen zum hoͤchſten verwunderte/ fieng an zu fragen: Ey Hans du lieber Hans/ kenneſtu mich auch noch? Der neue Herr Schultheis reisſpelte und ſtriche den Bart gar ernſtlich/ und ſprach/ wie ſolt ich dich kennen/ da ich mich ſelbſt nicht kenne; Du ungehobelter Toͤlpel/ du ſolteſt deine Obrigkeit wol beſſer reſpectiren. Die Frau Schultzen muſte bald ihre vorige Kleider aͤndern und abſchaffen/ und ſich wie Frau Schultzen gebuͤhret/ nach der Modo kleiden. Er ſagte/ liebe An- na/ gedencke daß du jetzo im Dorff Frau Schultzin biſt/ die Geſetz und Ordnung gibt/ aber nicht annimbt. Frau Anna eylete geſchwind zum Meiſter Hanſen dem Schneider/ daß er ihre Kleider aͤnderte/ und da- mit er ſie foͤrderte/ hat er wenig Ruhe/ biß Frau Annen wilfahret ward; da er nun die Kleider andern Sontags fruͤhe brachte/ und am Spiegel mangelte/ hieß ſie geſchwind ein Zuber Waſſer/ ihr freund- lich Angeſicht zu beſpiegeln/ bringen/ da nun alles Haußgeſind umb Frau Anna ſtehet/ und eins dieſes das andere ein anders begaffete uñ betrachtete/ und im Außputzen ſo geſchaͤfftig waren/ als die Jungen bey dem Toͤlponiren/ Deponiren wolte ich ſagen/ die man Sponleſer nennete/ da nun alles ſo voller Geſchaͤffte/ als wann ein neuer Bapſt zu Rom ſolte gewehlet werden/ gienge die Predigt zu End/ da ſchrien alle/ Frau Anna es iſt Zeit/ die Kirch iſt bald auß/ als ſie nun eylete/ kam ſie eben zum Beſchluß/ da alle Leute auffſtunden. Frau Anna ver- metuete/ ſolches geſchehe ihr zu Ehren/ und das jeder wolte euſſerlich zu

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/584>, abgerufen am 22.11.2024.