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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung

Wenn wir bey den Stoiquern in die Schule gehen/ finden wir
herrliche Weißheit und Lebens Reguln/ mit welchen wenn wir unter-
richtet/ können wir des gemeinen Mannes Opinionen und eingebil-
dete Grillen leichtlich verachten und in den Wind schlagen. Socra-
tes
hat nie geseufftzet/ nicht daß er kein Elend oder Unglück solte ge-
habt haben/ sondern weil er gewust/ daß alle Dinge sind/ wie einer sol-
che ihm einbildet. Umbsonst und vergebens klagen wir als blind das
Glück an Es ist in unsern Mächten/ solches zu überwinden/ und zu
unsern Füssen zu legen. Ein verständiger/ ist dem nit alleine gew ach-
sen/ sondern noch grösser als das Glück. Die Waffen/ damit wir es auß-
richten/ sind Unschuld und rechte Beständigkeit/ mit welchen wenn wir
wol verwahret sind/ werden wir diejenige Dinge/ die uns böse zu seyn
vorkommen/ gut und angenehm halten/ und was wir groß achten/
werden wir zehlen unter die verwerffliche. Was ist Schönheit? Um
solcher willen/ ist der Ganymedes entraubet und weggeführet wor-
den/ die Daphne ist in ein Lorberbaum; der Knabe Celmus in De-
mant/ die Venus in Fisch verändert und versetzet worden. Welches
zwar Fabeln: jedoch ist solchen heut zu Tage wol Glauben zuzustellen/
denn es Geheimnüsse der jenigen Republic/ derer Urheber und Anfän-
ger Homerus gewesen ist/ deme es also beliebet/ seine Weißheit un-
ter solche lächerliche Possen zu verdecken.

Jhr haltet und preiset die Reichen vor Glück- und selig. Opi-
nio
betrieget euch. Was wäre die rohte Erde das Gold/ wenn es den
Preiß von unserer Pracht und Thorheit nicht hätte? Was Güter/
wenn es nur Güter? Mydas war sehr reich/ hatte dargegen zwey
grosse Esels Ohren. Jhr opponiret und setzet/ doch ohne Ursach/
mirentgegen was einsmals dem Seneca uffgerücket ward/ von wel-
chem die Römer ihr Gespöt trieben/ als welcher den Reichthum ver-
achtete und die Armuth eusserlich mit Worten rühmete/ da er doch
unter dessen grosse und recht Königliche Schätze per fas & nefas
zusammen raffete/ kratzete/ und scharrete. Jhr wisset mein Reichthum
daß er nicht übermässig: Glaubet aber/ daß der wol mit wenigem le-
bet/ der etwann nur von seinen Eltern ein geringes Saltzfäßlein hat
und uff seinem Tisch stehen siehet. Das Gemüht so mit seinem Glück
vergnüget/ hat am wenigen genug: Die geitzige Einbildung aber an
nichts nicht.

Ein jeder folge seinem Sinn/
Jch halts mit meiner Schäferin/
und wechsel meinen Hirten-Stab/
Nicht mit einem Zepter ab.

Es sind/ die die Glückseligkeit im Kriege und bey der Trommel suchen/
werden aber von der Opinion betrogen. Wir lesen jenes Soldaten be-

trübte
Von der Einbildung

Wenn wir bey den Stoiquern in die Schule gehen/ finden wir
herꝛliche Weißheit und Lebens Reguln/ mit welchen wenn wir unter-
richtet/ koͤnnen wir des gemeinen Mannes Opinionen und eingebil-
dete Grillen leichtlich verachten und in den Wind ſchlagen. Socra-
tes
hat nie geſeufftzet/ nicht daß er kein Elend oder Ungluͤck ſolte ge-
habt haben/ ſondern weil er gewuſt/ daß alle Dinge ſind/ wie einer ſol-
che ihm einbildet. Umbſonſt und vergebens klagen wir als blind das
Gluͤck an Es iſt in unſern Maͤchten/ ſolches zu uͤberwinden/ und zu
unſern Fuͤſſen zu legen. Ein verſtaͤndiger/ iſt dem nit alleine gew ach-
ſen/ ſondern noch gꝛoͤſſer als das Gluͤck. Die Waffẽ/ damit wir es auß-
richtẽ/ ſind Unſchuld und rechte Beſtaͤndigkeit/ mit welchen weñ wir
wol verwahret ſind/ werden wir diejenige Dinge/ die uns boͤſe zu ſeyn
vorkommen/ gut und angenehm halten/ und was wir groß achten/
werden wir zehlen unter die verwerffliche. Was iſt Schoͤnheit? Um
ſolcher willen/ iſt der Ganymedes entraubet und weggefuͤhret wor-
den/ die Daphne iſt in ein Lorberbaum; der Knabe Celmus in De-
mant/ die Venus in Fiſch veraͤndert und verſetzet worden. Welches
zwar Fabeln: jedoch iſt ſolchen heut zu Tage wol Glauben zuzuſtellen/
denn es Geheimnuͤſſe der jenigen Republic/ derer Urheber und Anfaͤn-
ger Homerus geweſen iſt/ deme es alſo beliebet/ ſeine Weißheit un-
ter ſolche laͤcherliche Poſſen zu verdecken.

Jhr haltet und preiſet die Reichen vor Gluͤck- und ſelig. Opi-
nio
betrieget euch. Was waͤre die rohte Erde das Gold/ wenn es den
Preiß von unſerer Pracht und Thorheit nicht haͤtte? Was Guͤter/
wenn es nur Guͤter? Mydas war ſehr reich/ hatte dargegen zwey
groſſe Eſels Ohren. Jhr opponiret und ſetzet/ doch ohne Urſach/
mirentgegen was einsmals dem Seneca uffgeruͤcket ward/ von wel-
chem die Roͤmer ihr Geſpoͤt trieben/ als welcher den Reichthum ver-
achtete und die Armuth euſſerlich mit Worten ruͤhmete/ da er doch
unter deſſen groſſe und recht Koͤnigliche Schaͤtze per fas & nefas
zuſammen raffete/ kratzete/ und ſcharrete. Jhr wiſſet mein Reichthum
daß er nicht uͤbermaͤſſig: Glaubet aber/ daß der wol mit wenigem le-
bet/ der etwann nur von ſeinen Eltern ein geringes Saltzfaͤßlein hat
und uff ſeinem Tiſch ſtehen ſiehet. Das Gemuͤht ſo mit ſeinem Gluͤck
vergnuͤget/ hat am wenigen genug: Die geitzige Einbildung aber an
nichts nicht.

Ein jeder folge ſeinem Sinn/
Jch halts mit meiner Schaͤferin/
und wechſel meinen Hirten-Stab/
Nicht mit einem Zepter ab.

Es ſind/ die die Gluͤckſeligkeit im Kriege und bey der Trom̃el ſuchẽ/
werden aber von der Opinion betrogen. Wir leſen jenes Soldatẽ be-

truͤbte
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[540/0582] Von der Einbildung Wenn wir bey den Stoiquern in die Schule gehen/ finden wir herꝛliche Weißheit und Lebens Reguln/ mit welchen wenn wir unter- richtet/ koͤnnen wir des gemeinen Mannes Opinionen und eingebil- dete Grillen leichtlich verachten und in den Wind ſchlagen. Socra- tes hat nie geſeufftzet/ nicht daß er kein Elend oder Ungluͤck ſolte ge- habt haben/ ſondern weil er gewuſt/ daß alle Dinge ſind/ wie einer ſol- che ihm einbildet. Umbſonſt und vergebens klagen wir als blind das Gluͤck an Es iſt in unſern Maͤchten/ ſolches zu uͤberwinden/ und zu unſern Fuͤſſen zu legen. Ein verſtaͤndiger/ iſt dem nit alleine gew ach- ſen/ ſondern noch gꝛoͤſſer als das Gluͤck. Die Waffẽ/ damit wir es auß- richtẽ/ ſind Unſchuld und rechte Beſtaͤndigkeit/ mit welchen weñ wir wol verwahret ſind/ werden wir diejenige Dinge/ die uns boͤſe zu ſeyn vorkommen/ gut und angenehm halten/ und was wir groß achten/ werden wir zehlen unter die verwerffliche. Was iſt Schoͤnheit? Um ſolcher willen/ iſt der Ganymedes entraubet und weggefuͤhret wor- den/ die Daphne iſt in ein Lorberbaum; der Knabe Celmus in De- mant/ die Venus in Fiſch veraͤndert und verſetzet worden. Welches zwar Fabeln: jedoch iſt ſolchen heut zu Tage wol Glauben zuzuſtellen/ denn es Geheimnuͤſſe der jenigen Republic/ derer Urheber und Anfaͤn- ger Homerus geweſen iſt/ deme es alſo beliebet/ ſeine Weißheit un- ter ſolche laͤcherliche Poſſen zu verdecken. Jhr haltet und preiſet die Reichen vor Gluͤck- und ſelig. Opi- nio betrieget euch. Was waͤre die rohte Erde das Gold/ wenn es den Preiß von unſerer Pracht und Thorheit nicht haͤtte? Was Guͤter/ wenn es nur Guͤter? Mydas war ſehr reich/ hatte dargegen zwey groſſe Eſels Ohren. Jhr opponiret und ſetzet/ doch ohne Urſach/ mirentgegen was einsmals dem Seneca uffgeruͤcket ward/ von wel- chem die Roͤmer ihr Geſpoͤt trieben/ als welcher den Reichthum ver- achtete und die Armuth euſſerlich mit Worten ruͤhmete/ da er doch unter deſſen groſſe und recht Koͤnigliche Schaͤtze per fas & nefas zuſammen raffete/ kratzete/ und ſcharrete. Jhr wiſſet mein Reichthum daß er nicht uͤbermaͤſſig: Glaubet aber/ daß der wol mit wenigem le- bet/ der etwann nur von ſeinen Eltern ein geringes Saltzfaͤßlein hat und uff ſeinem Tiſch ſtehen ſiehet. Das Gemuͤht ſo mit ſeinem Gluͤck vergnuͤget/ hat am wenigen genug: Die geitzige Einbildung aber an nichts nicht. Ein jeder folge ſeinem Sinn/ Jch halts mit meiner Schaͤferin/ und wechſel meinen Hirten-Stab/ Nicht mit einem Zepter ab. Es ſind/ die die Gluͤckſeligkeit im Kriege und bey der Trom̃el ſuchẽ/ werden aber von der Opinion betrogen. Wir leſen jenes Soldatẽ be- truͤbte

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/582>, abgerufen am 22.11.2024.