Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Einbildung. Wie greulich die Poeten die/ wann sie mit deß Apollinis Geist Kriege
Von der Einbildung. Wie greulich die Poeten die/ wann ſie mit deß Apollinis Geiſt Kriege
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Von der Einbildung.
Wie greulich die Poeten die/ wann ſie mit deß Apollinis Geiſt
angezogen und erleuchtet werden/ auffhoͤren Menſchen zu ſeyn und
Goͤtter zu werden/ von der opinion vexiret werden/ iſt am hellen
Mittage/ daß mich ſchaͤme ein Poet zu heiſſen und genennet zu wer-
den. Dann es ſind derer viel/ die da meynen der Nam Poet und Narꝛ
ſeynd gleichfoͤrmig/ und es koͤnne ein jeder ein Poet ſeyn/ wann er ein
Maß guten Rheiniſchen Wein außtrincke/ dann Poëta komme her
von potate, herumb trincken. O ihr erbare Witztoͤlpel. Ein Poet ſol
alles wiſſen/ und wer alles weiß/ iſt drumb kein Poet. Die Burger-
meiſter werden zu Hamburg alle Jahr creirt, aber Koͤnige und Poe-
ten werden nicht alle Tage geboren. Was vor eitele opiniones herꝛ-
ſchen und regieren in der Redener Kunſt! Es unterwindet ſich man-
cher andere zu unterꝛichten wie und welcher geſtalt man den auffruͤh-
riſchen Poͤbel/ rebelliſche Kriegsfahnen ſtillen und tuſchen ſolle/ der
doch zu Hauß ſeine Margreta nicht weiß zuberuhigen/ und wann
man etwas reden ſolte das nicht alles Ciceronianiſch/ das were die
Majeſtaͤten gelaͤſtert. Eraſmus wurde einsmals gefraget/ wem er
imitirete im peroriren? antworte den Eraſmum: nach meiner
Meynunge iſt der dem Redener Ciceroni am allerehnlichſten/ der da
auß einer rechten Schlußrede ſeine Sache behaupte. Es kan ein Ci-
cero wol geboren/ aber nicht gemacht werden. Und ſind die jenige
außlachens werth/ und ſchaden ihnen und ihren ſtudiis, die da in deß
Ciceronis Wort gleichſam geſchworen haben; alles was in Cicero-
ne ſtehet iſt gut Latein: allein nit alles Latein ſtehet in Cicerone. Eins-
mals kam ein junger Student zu einem erfahrnen Juriſten/ begehrte
ihme zu zeigen wie er wol und gluͤcklich die Rechten zuerlernen ver-
fahren ſolte? da nahm der Juriſt ſein Corpus Juris in die Hand/
und laſe etliche Blaͤtter darauß abe/ ſagte endlich zu dem Studenten/
Fac quod me vides facere, er ſolte dergleichen auch thun. Wann
ihr mich fraget/ wie in der Oratori und Redenerkunſt ihr wol zuneh-
men koͤntet/ ſo thut/ was ihr mich thun ſehet/ das iſt viel leſen/ Hi-
ſtorien ſchreiben und andere. Jene ſeynd die gluͤckſeligſten Menſchen.
Wann wir im Garten der Hiſtorien und Geſchichten ſpatzieren ge-
hen/ ſehen und mercken wir/ wie das wanckende Gluͤck ſpielet/ einen er-
hoͤhet/ den andern zu Boden ſtoͤſſet. Es moͤgen dieſe oder jene dem fa-
vor und Gunſt groſſer Herren Hoͤffe ruͤhmen; andere die beſuchen
frembde Voͤlcker und Laͤnder. Der Geſchichtſchreiber beſiehet und be-
trachtet dieſes alles in ſeiner Studierſtuben. Die Hiſtorien ver-
wechslen die Sterbligkeit mit der Unſterbligkeit/ welches der groſſe
Alexander ein Miracul der Welt/ nicht thun noch geben konte.
Wil man wiſſen und erforſchen groſſer Potentaten/ maͤchtiger Staͤd-
te und Laͤnder Verrichtung? Jſt jemand begierig zuerforſchẽ gefuͤhꝛter
Kriege
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