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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
Wahl zum Regiment besser seye/ als wann einer Erbnams Weise
regieret und so fort? aber sie werden von der opinion betrogen. Es
hat bißweilen auch der hinter dem Pflug gehet/ etwas gerathen/ und
ist der kein rechter Weltkluger/ der nicht auß andern Menschen Thun
und Vorhaben seinen Verstand sormiret. Wiewol in Weltsachen ich
wenig verstehe und versiret bin/ dannoch wann man mich fraget/
welches meine beste Lehrmeister darinnen gewesen? Antw. Die Welt.
Welches aber die Bücher? Antw. Vielerley ingenia, mit welchen
ich umbgehen und conversiren müssen. Von den Logisten (die mit
künstlichen Schlußreden umbgehen und geschäfftiger sind als die
Mauß in Kindelbett) ist besser wenig/ als viel zu reden/ die so hefftig
von nichtigen Dingen disputiren, als wann deß gantzen Röm. Reichs
Wolfahrt daran gelegen. Jch glaube daß eher der Persianer mit dem
Türcken versöhnet würde/ als der Aristoteles mit Petro Ramo. Es
gibt der distinctionen so viel bey ihnen als Juden zu Prag und zu
Franckfurt/ ja daß derer unzehlig mit dem Xerxe über Meer in Grie-
chenland marchiret sind. Doch wird solcher mühsamer Müssiggang
nicht getadelt/ sondern hoch geachtet. Doch wolte man gerne wissen/
worzu solche grosse Mühe und Arbeit dienete? als daß sie dem jungen
Creutz und dem alten ein lachen machen und zurichten. Petrus
Ramus
als er zu Paris wolte Magister werden/ brachte er ein
neu ungewöhnliche Frage auff die Bahn/ statuirte, daß alles was in
dem Aristotele enthalten würde/ erlogen were. Auß der Ursache ha-
ben die Herrn Scholarchen ihn Ramum tapffer hergenommen/ da-
durch er verursacht worden den Aristotelem wider wacker durch die
Banck zu ziehen/ uud eine neue Logica zu machen. Wie trefflich die
Metaphysici durch opinionen betrogen werden/ als die mit lauter
Entibus, oder wie jener saget/ mit Enten umbgehen. Zu der Zeit als
ich ein Knabe/ war zu Giesen ein Frantzösischer Schneider/ der einem
studioso ein Wams machen solte/ ich weiß aber nit auß was Unvor-
sichtigkeit er die Ermel zu kurtz geschnitten/ derowegen der Schneider ein
Lappetuch angesticket/ und die Nath mit Seiden wol beworffen/ und
seltzam verrigelt hatte; als dieses die andern gesehen/ meyneten sie es
were alamodo, und zerstückelten alle Ermel/ und heffteten sie wider
zusammen/ und stafirten es auffs beste mit Seide auß. Nicht anders
gehet es mit den Schullehrern heute zu Tage/ die gleichsam in der alten
die in der Barbarie gelebet seltzam gebrauchte Lehrwörter so geschwo-
ren haben/ daß sie sich darbey todtschlagen liessen/ eh sie davon wichen.
Die Antiquitet hat solche gleichsam geadelt/ daß der heute für einen
tapffern Philosaufaus gehalten und geehret wird der mit Thoma de
aquavino,
sage ich Aquino freye alte Phrazen an Tag geben kan. Der-
gleichen subtiliteten aber pflege ich den Nürnbergischen Leckkuchen
zu vergleichen/ welche an sich selbst gut/ wann sie messig gebrauchet/
wann sie aber zu viel gessen/ werden sie unangenehm.

Wie

Von der Einbildung.
Wahl zum Regiment beſſer ſeye/ als wann einer Erbnams Weiſe
regieret und ſo fort? aber ſie werden von der opinion betrogen. Es
hat bißweilen auch der hinter dem Pflug gehet/ etwas gerathen/ und
iſt der kein rechter Weltkluger/ der nicht auß andern Menſchen Thun
und Vorhaben ſeinen Verſtand ſormiret. Wiewol in Weltſachen ich
wenig verſtehe und verſiret bin/ dannoch wann man mich fraget/
welches meine beſte Lehrmeiſter darinnen geweſen? Antw. Die Welt.
Welches aber die Buͤcher? Antw. Vielerley ingenia, mit welchen
ich umbgehen und converſiren muͤſſen. Von den Logiſten (die mit
kuͤnſtlichen Schlußreden umbgehen und geſchaͤfftiger ſind als die
Mauß in Kindelbett) iſt beſſer wenig/ als viel zu reden/ die ſo hefftig
von nichtigen Dingen diſputiren, als wañ deß gantzen Roͤm. Reichs
Wolfahrt daran gelegen. Jch glaube daß eher der Perſianer mit dem
Tuͤrcken verſoͤhnet wuͤrde/ als der Ariſtoteles mit Petro Ramo. Es
gibt der diſtinctionen ſo viel bey ihnen als Juden zu Prag und zu
Franckfurt/ ja daß derer unzehlig mit dem Xerxe uͤber Meer in Grie-
chenland marchiret ſind. Doch wird ſolcher muͤhſamer Muͤſſiggang
nicht getadelt/ ſondern hoch geachtet. Doch wolte man gerne wiſſen/
worzu ſolche groſſe Muͤhe und Arbeit dienete? als daß ſie dem jungen
Creutz und dem alten ein lachen machen und zurichten. Petrus
Ramus
als er zu Paris wolte Magiſter werden/ brachte er ein
neu ungewoͤhnliche Frage auff die Bahn/ ſtatuirte, daß alles was in
dem Ariſtotele enthalten wuͤrde/ erlogen were. Auß der Urſache ha-
ben die Herꝛn Scholarchen ihn Ramum tapffer hergenommen/ da-
durch er verurſacht worden den Ariſtotelem wider wacker durch die
Banck zu ziehen/ uud eine neue Logica zu machen. Wie trefflich die
Metaphyſici durch opinionen betrogen werden/ als die mit lauter
Entibus, oder wie jener ſaget/ mit Enten umbgehen. Zu der Zeit als
ich ein Knabe/ war zu Gieſen ein Frantzoͤſiſcher Schneider/ der einem
ſtudioſo ein Wams machen ſolte/ ich weiß aber nit auß was Unvor-
ſichtigkeit er die Ermel zu kurtz geſchnittẽ/ derowegẽ der Schneider ein
Lappetuch angeſticket/ und die Nath mit Seiden wol beworffen/ und
ſeltzam verrigelt hatte; als dieſes die andern geſehen/ meyneten ſie es
were alamodo, und zerſtuͤckelten alle Ermel/ und heffteten ſie wider
zuſammen/ und ſtafirten es auffs beſte mit Seide auß. Nicht anders
gehet es mit den Schullehrern heute zu Tage/ die gleichſam in der altẽ
die in der Barbarie gelebet ſeltzam gebrauchte Lehrwoͤrter ſo geſchwo-
ren haben/ daß ſie ſich darbey todtſchlagen lieſſen/ eh ſie davon wichẽ.
Die Antiquitet hat ſolche gleichſam geadelt/ daß der heute fuͤr einen
tapffern Philoſaufaus gehalten und geehret wird der mit Thoma de
aquavino,
ſage ich Aquino freye alte Phrazen an Tag gebẽ kan. Der-
gleichen ſubtiliteten aber pflege ich den Nuͤrnbergiſchen Leckkuchen
zu vergleichen/ welche an ſich ſelbſt gut/ wann ſie meſſig gebrauchet/
wann ſie aber zu viel geſſen/ werden ſie unangenehm.

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[535/0577] Von der Einbildung. Wahl zum Regiment beſſer ſeye/ als wann einer Erbnams Weiſe regieret und ſo fort? aber ſie werden von der opinion betrogen. Es hat bißweilen auch der hinter dem Pflug gehet/ etwas gerathen/ und iſt der kein rechter Weltkluger/ der nicht auß andern Menſchen Thun und Vorhaben ſeinen Verſtand ſormiret. Wiewol in Weltſachen ich wenig verſtehe und verſiret bin/ dannoch wann man mich fraget/ welches meine beſte Lehrmeiſter darinnen geweſen? Antw. Die Welt. Welches aber die Buͤcher? Antw. Vielerley ingenia, mit welchen ich umbgehen und converſiren muͤſſen. Von den Logiſten (die mit kuͤnſtlichen Schlußreden umbgehen und geſchaͤfftiger ſind als die Mauß in Kindelbett) iſt beſſer wenig/ als viel zu reden/ die ſo hefftig von nichtigen Dingen diſputiren, als wañ deß gantzen Roͤm. Reichs Wolfahrt daran gelegen. Jch glaube daß eher der Perſianer mit dem Tuͤrcken verſoͤhnet wuͤrde/ als der Ariſtoteles mit Petro Ramo. Es gibt der diſtinctionen ſo viel bey ihnen als Juden zu Prag und zu Franckfurt/ ja daß derer unzehlig mit dem Xerxe uͤber Meer in Grie- chenland marchiret ſind. Doch wird ſolcher muͤhſamer Muͤſſiggang nicht getadelt/ ſondern hoch geachtet. Doch wolte man gerne wiſſen/ worzu ſolche groſſe Muͤhe und Arbeit dienete? als daß ſie dem jungen Creutz und dem alten ein lachen machen und zurichten. Petrus Ramus als er zu Paris wolte Magiſter werden/ brachte er ein neu ungewoͤhnliche Frage auff die Bahn/ ſtatuirte, daß alles was in dem Ariſtotele enthalten wuͤrde/ erlogen were. Auß der Urſache ha- ben die Herꝛn Scholarchen ihn Ramum tapffer hergenommen/ da- durch er verurſacht worden den Ariſtotelem wider wacker durch die Banck zu ziehen/ uud eine neue Logica zu machen. Wie trefflich die Metaphyſici durch opinionen betrogen werden/ als die mit lauter Entibus, oder wie jener ſaget/ mit Enten umbgehen. Zu der Zeit als ich ein Knabe/ war zu Gieſen ein Frantzoͤſiſcher Schneider/ der einem ſtudioſo ein Wams machen ſolte/ ich weiß aber nit auß was Unvor- ſichtigkeit er die Ermel zu kurtz geſchnittẽ/ derowegẽ der Schneider ein Lappetuch angeſticket/ und die Nath mit Seiden wol beworffen/ und ſeltzam verrigelt hatte; als dieſes die andern geſehen/ meyneten ſie es were alamodo, und zerſtuͤckelten alle Ermel/ und heffteten ſie wider zuſammen/ und ſtafirten es auffs beſte mit Seide auß. Nicht anders gehet es mit den Schullehrern heute zu Tage/ die gleichſam in der altẽ die in der Barbarie gelebet ſeltzam gebrauchte Lehrwoͤrter ſo geſchwo- ren haben/ daß ſie ſich darbey todtſchlagen lieſſen/ eh ſie davon wichẽ. Die Antiquitet hat ſolche gleichſam geadelt/ daß der heute fuͤr einen tapffern Philoſaufaus gehalten und geehret wird der mit Thoma de aquavino, ſage ich Aquino freye alte Phrazen an Tag gebẽ kan. Der- gleichen ſubtiliteten aber pflege ich den Nuͤrnbergiſchen Leckkuchen zu vergleichen/ welche an ſich ſelbſt gut/ wann ſie meſſig gebrauchet/ wann ſie aber zu viel geſſen/ werden ſie unangenehm. Wie

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/577>, abgerufen am 22.11.2024.