Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Einbildung. Wolstand durch wütende Tollheit lange Zeit erhalten worden: die ge-glaubet die Sonne were nur eines Tellers groß/ und daß man durch Leitern und Stuffen Himmel auffsteigen könte. Unter dem albern Käy- ser Claudio war das Römische Käyserthumb fast glückselig. Zu der Zeit aber deß spitzfindigen Tiberli waren die Römer nicht anders als wie die lastbare Esels/ die alle Last und Schwerte/ die entweder deß Tiberii unersättlicher Geitz oder sein Hochmuth erdichteten/ tragen musten. Wann und so offt wir die alte Historien und Geschichte be- trachten/ müssen wir der Thorheiten/ durch welche der allbere Pöbel von den Weltklugen bethöret und umbgeführet worden ist/ heimlich lachen. Der Römische Regent Numa Pompilius hat vorgewandt/ er hätte die Göttinne Eugeriam durch heimliche Liebe dahin gebracht/ daß sie die Gesetze/ nach welchen die Römer seine Unterthanen zu le- ben und sich zu richten hätten/ selber gestellet und geordnet hätte. Da er doch die Eugeriam nimmermehr gesehen/ sondern die Gesetze selbst erdacht und erfunden hatte. Welcher Betrug dennoch so viel gefruch- tet und zuwege gebracht hat/ welches die höchste und grosse königliche Gewalt nicht thun und außrichten können. Wie offt und manchmal sind doch bey den Römern die Sybillinische Wahrsagerbücher her- für gesuchet und uffgeschlagen/ und darnach die Römische Regierung angeordnet. Da wir doch billich zweiffeln müssen/ ob jemalen solche Sybillen in der Welt gewesen und gefunden worden/ geschweigend/ daß sie ihre Bücher den Römern verkauffet hätten. Der Römische Käyser Tiberius hat in allen Stücken seines Regiments die bekante Form der alten Regierung vorgewendet/ da er doch solche gäntzlich außzutilgen und abzuschaffen sich höchstens bemühet/ und als ein all- gemeiner Beherrscher alles an sich zuziehen einig bemühet war. Der großmächtige Mahomet und grausame Türcke wordurch hat er an- ders so ein gewaltiges Reich befestiget/ als durch abscheuliches Lügen und Trügen? Lieber was ist doch die gantze Wissenschafft wol und zier- lich zu reden? Nichts anders als eine Kunst tapffer und artlich zu lügen. Die Egyptier und die Griechen mahleten den Meers-Gott mit einem dreyzacktchten Scepter/ den Gott deß Feuers mit einer brenneten Fa- ckeln/ die Liebsgöttin mit Pfeilen. Mit solchen und dergleichen nichtigen Gedichten führeten sie als durch das Narrenseil den Pöbel. Die gan- tze Welt wird betrogen durch Einbildung Wanndas jenige/ was jetzo annemlich ist/ allezeit angenehm seyn und bleiben werde/ betrieget uns die opinion. Ursach/ es ist nichts so immerdar neu blieb. Ent weder be- trieget uns die opinion, oder aber es seynd viele Kriege geführet wor- den/ nicht der religion sondern region, Gelds und Guts halber/ und wann dz Geld dem Vaterlande nit vorgezogen würde/ würden mehr treue Patrioten erfunden werden. Unter dem Gott Saturno wird gedichtet/ dz die güldene Zeit gewesen/ aber weit gefehlet. Wir leben in der güldenen Zeit
Von der Einbildung. Wolſtand durch wuͤtende Tollheit lange Zeit erhalten worden: die ge-glaubet die Sonne were nur eines Tellers groß/ und daß man durch Leitern und Stuffen Himmel auffſteigen koͤnte. Unter dem albern Kaͤy- ſer Claudio war das Roͤmiſche Kaͤyſerthumb faſt gluͤckſelig. Zu der Zeit aber deß ſpitzfindigen Tiberli waren die Roͤmer nicht anders als wie die laſtbare Eſels/ die alle Laſt und Schwerte/ die entweder deß Tiberii unerſaͤttlicher Geitz oder ſein Hochmuth erdichteten/ tragen muſten. Wann und ſo offt wir die alte Hiſtorien und Geſchichte be- trachten/ muͤſſen wir der Thorheiten/ durch welche der allbere Poͤbel von den Weltklugen bethoͤret und umbgefuͤhret worden iſt/ heimlich lachen. Der Roͤmiſche Regent Numa Pompilius hat vorgewandt/ er haͤtte die Goͤttiñe Eugeriam durch heimliche Liebe dahin gebracht/ daß ſie die Geſetze/ nach welchen die Roͤmer ſeine Unterthanen zu le- ben und ſich zu richten haͤtten/ ſelber geſtellet und geordnet haͤtte. Da er doch die Eugeriam nimmermehr geſehen/ ſondern die Geſetze ſelbſt erdacht und erfunden hatte. Welcher Betrug dennoch ſo viel gefruch- tet und zuwege gebracht hat/ welches die hoͤchſte und groſſe koͤnigliche Gewalt nicht thun und außrichten koͤnnen. Wie offt und manchmal ſind doch bey den Roͤmern die Sybilliniſche Wahrſagerbuͤcher her- fuͤr geſuchet und uffgeſchlagen/ und darnach die Roͤmiſche Regierung angeordnet. Da wir doch billich zweiffeln muͤſſen/ ob jemalen ſolche Sybillen in der Welt geweſen und gefunden worden/ geſchweigend/ daß ſie ihre Buͤcher den Roͤmern verkauffet haͤtten. Der Roͤmiſche Kaͤyſer Tiberius hat in allen Stuͤcken ſeines Regiments die bekante Form der alten Regierung vorgewendet/ da er doch ſolche gaͤntzlich außzutilgen und abzuſchaffen ſich hoͤchſtens bemuͤhet/ und als ein all- gemeiner Beherrſcher alles an ſich zuziehen einig bemuͤhet war. Der großmaͤchtige Mahomet und grauſame Tuͤrcke wordurch hat er an- ders ſo ein gewaltiges Reich befeſtiget/ als durch abſcheuliches Luͤgen und Truͤgen? Lieber was iſt doch die gantze Wiſſenſchafft wol und zier- lich zu reden? Nichts anders als eine Kunſt tapffer und artlich zu luͤgẽ. Die Egyptier und die Griechen mahleten den Meers-Gott mit einem dreyzacktchten Scepter/ den Gott deß Feuers mit einer brenneten Fa- ckeln/ die Liebsgoͤttin mit Pfeilen. Mit ſolchen und dergleichen nichtigẽ Gedichten fuͤhreten ſie als durch das Narrenſeil den Poͤbel. Die gan- tze Welt wird betrogen durch Einbildung Wañdas jenige/ was jetzo annemlich iſt/ allezeit angenehm ſeyn und bleiben werde/ betrieget uns die opinion. Urſach/ es iſt nichts ſo im̃erdar neu blieb. Ent weder be- trieget uns die opinion, oder aber es ſeynd viele Kriege gefuͤhret wor- den/ nicht der religion ſondern region, Gelds und Guts halber/ und wañ dz Geld dem Vaterlande nit vorgezogẽ wuͤrde/ wuͤrdẽ mehr treue Patrioten erfundẽ werden. Unter dem Gott Saturno wird gedichtet/ dz die guͤldene Zeit geweſen/ aber weit gefehlet. Wir lebẽ in der guͤldenẽ Zeit
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Von der Einbildung.
Wolſtand durch wuͤtende Tollheit lange Zeit erhalten worden: die ge-
glaubet die Sonne were nur eines Tellers groß/ und daß man durch
Leitern und Stuffen Himmel auffſteigen koͤnte. Unter dem albern Kaͤy-
ſer Claudio war das Roͤmiſche Kaͤyſerthumb faſt gluͤckſelig. Zu der
Zeit aber deß ſpitzfindigen Tiberli waren die Roͤmer nicht anders als
wie die laſtbare Eſels/ die alle Laſt und Schwerte/ die entweder deß
Tiberii unerſaͤttlicher Geitz oder ſein Hochmuth erdichteten/ tragen
muſten. Wann und ſo offt wir die alte Hiſtorien und Geſchichte be-
trachten/ muͤſſen wir der Thorheiten/ durch welche der allbere Poͤbel
von den Weltklugen bethoͤret und umbgefuͤhret worden iſt/ heimlich
lachen. Der Roͤmiſche Regent Numa Pompilius hat vorgewandt/
er haͤtte die Goͤttiñe Eugeriam durch heimliche Liebe dahin gebracht/
daß ſie die Geſetze/ nach welchen die Roͤmer ſeine Unterthanen zu le-
ben und ſich zu richten haͤtten/ ſelber geſtellet und geordnet haͤtte. Da
er doch die Eugeriam nimmermehr geſehen/ ſondern die Geſetze ſelbſt
erdacht und erfunden hatte. Welcher Betrug dennoch ſo viel gefruch-
tet und zuwege gebracht hat/ welches die hoͤchſte und groſſe koͤnigliche
Gewalt nicht thun und außrichten koͤnnen. Wie offt und manchmal
ſind doch bey den Roͤmern die Sybilliniſche Wahrſagerbuͤcher her-
fuͤr geſuchet und uffgeſchlagen/ und darnach die Roͤmiſche Regierung
angeordnet. Da wir doch billich zweiffeln muͤſſen/ ob jemalen ſolche
Sybillen in der Welt geweſen und gefunden worden/ geſchweigend/
daß ſie ihre Buͤcher den Roͤmern verkauffet haͤtten. Der Roͤmiſche
Kaͤyſer Tiberius hat in allen Stuͤcken ſeines Regiments die bekante
Form der alten Regierung vorgewendet/ da er doch ſolche gaͤntzlich
außzutilgen und abzuſchaffen ſich hoͤchſtens bemuͤhet/ und als ein all-
gemeiner Beherrſcher alles an ſich zuziehen einig bemuͤhet war. Der
großmaͤchtige Mahomet und grauſame Tuͤrcke wordurch hat er an-
ders ſo ein gewaltiges Reich befeſtiget/ als durch abſcheuliches Luͤgen
und Truͤgen? Lieber was iſt doch die gantze Wiſſenſchafft wol und zier-
lich zu reden? Nichts anders als eine Kunſt tapffer und artlich zu luͤgẽ.
Die Egyptier und die Griechen mahleten den Meers-Gott mit einem
dreyzacktchten Scepter/ den Gott deß Feuers mit einer brenneten Fa-
ckeln/ die Liebsgoͤttin mit Pfeilen. Mit ſolchen und dergleichen nichtigẽ
Gedichten fuͤhreten ſie als durch das Narrenſeil den Poͤbel. Die gan-
tze Welt wird betrogen durch Einbildung Wañdas jenige/ was jetzo
annemlich iſt/ allezeit angenehm ſeyn und bleiben werde/ betrieget uns
die opinion. Urſach/ es iſt nichts ſo im̃erdar neu blieb. Ent weder be-
trieget uns die opinion, oder aber es ſeynd viele Kriege gefuͤhret wor-
den/ nicht der religion ſondern region, Gelds und Guts halber/ und
wañ dz Geld dem Vaterlande nit vorgezogẽ wuͤrde/ wuͤrdẽ mehr treue
Patrioten erfundẽ werden. Unter dem Gott Saturno wird gedichtet/
dz die guͤldene Zeit geweſen/ aber weit gefehlet. Wir lebẽ in der guͤldenẽ
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/565>, abgerufen am 20.06.2024. |