Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Von der Einbildung. gleichsam gequälet/ ihnen vergeblichen einbildende/ daß alles ihr Un-glück/ Creutz/ Leyden/ Trübsal und Qual/ das sie erdulden und erleiden müssen/ einig und alleine auß seinem Kopff und Gehirn gesponnen und entsprossen seye/ aber weit gefehlet/ dann deß Machiavelli Fünd- lein und falsche Regiergriffe nicht neue. Dann wann wir die vorige und alte Zeiten beleuchten/ befinden und sehen wir eben das alte Spiel/ wiewol von unterschiedlichen Personen agiret und gespielet. Es hat der Machiavellus etliche Fürsten in Jtalia/ derer Abgott/ Geld und Gut/ der verkehrete Wille ein Gesetz/ der Ubermuth und Gewalt der obriste Befehlhaber/ Vermessenheit die grösseste Kunst/ die Gewon- heit die beste Richtschnur/ beschreiben wollen/ nicht wie sie sollen/ son- dern vielmehr wie sie damalen gewesen seyen. Nicht zwar daß es ihnen an Witz und Verstand ermangelt hätte/ sondern vielmehr an pietet und Gottesfurcht. Wann wir betrachten werden derer Zeit Geschich- ten/ müssen wir nicht ohne Ursache derer übel angewendeten Witz- verstand gleichsam beweinen; in deme wir nothwendig dafür halten müssen/ daß ihre grosse Weißheit dem gemeinen Wesen offtermalen mehr schädlich als nützlich gewesen seye. Dergestalten daß wir dem hochweltverständigen Platoni keines weges beypflichten können/ der dafür gehalten/ es were oder könte kein Regiment glückse- lig seyn; es were dann/ daß Gelehrte regierten/ oder daß die Regenten gelehrt und Schriff[t]weise Leute weren. Da doch/ so viel uns beduncket/ vielmehr die jenige Beherrschungen glück- selig zu schätzen/ darinnen Albertisten/ das ist/ die so deß subtilen Sco- ti nichtigen und nur zu der Eitelkeit angesehene Spitzfindigkeiten un- wissende entweder regieren oder aber regieret werden. Dann die Bü- cher- und Schrifftgelehrige Leute gemeiniglich Lust und Beliebung zu Neuerungen in den Regimentern haben und tragen; da doch die ge- ringste Verneuer- und Berenderung bey den Regierungen gefährlich welche nites anders/ als neue Aufwicklunge/ dardurch der gemeine Mann seines rechtmeynenden Eyfers gleichsam beraubet/ und zu neuer lang- wiger Gedult verwiesen und abgespeiset wird. Dermassen/ daß es dz ansehen habe als wolten die Berge gebären/ da doch kaum ein kleines elendes Mäußlein herauß kreuchet/ und ist dieses deß gemeinen Pö- bels eigentliche Schwachheit/ daß er eher und mehr glaubet deme/ was er höret/ als was er siehet. Dann es leicht nur mit wenigen die Augen zu verkleistern und zu verdüstern. So wil sich es in alle Wege geziemen und gebüren/ diese jetzige Weltweise/ wie auch immer seye/ zu vertragen/ derer Besserung dann nicht so bald noch leicht zu hoffen ist: als welcher dieses schwere göttliche Gesetz vorgeschrieben worden/ daß nach Art und Weise der Nachteulen/ je mehr sie erleuchtet/ je mehr und mehr verfinstert werde. Bey den Albanern und Thraciern/ (die heute zu Tage die Ungarn genennet werden mögen) ist der gemeine Woll-
Von der Einbildung. gleichſam gequaͤlet/ ihnen vergeblichen einbildende/ daß alles ihr Un-gluͤck/ Creutz/ Leyden/ Truͤbſal und Qual/ das ſie erdulden und erleiden muͤſſen/ einig und alleine auß ſeinem Kopff und Gehirn geſponnen und entſproſſen ſeye/ aber weit gefehlet/ dañ deß Machiavelli Fuͤnd- lein und falſche Regiergriffe nicht neue. Dann wann wir die vorige und alte Zeiten beleuchten/ befindẽ und ſehen wir eben das alte Spiel/ wiewol von unterſchiedlichen Perſonen agiret und geſpielet. Es hat der Machiavellus etliche Fuͤrſten in Jtalia/ derer Abgott/ Geld und Gut/ der verkehrete Wille ein Geſetz/ der Ubermuth und Gewalt der obriſte Befehlhaber/ Vermeſſenheit die groͤſſeſte Kunſt/ die Gewon- heit die beſte Richtſchnur/ beſchreiben wollen/ nicht wie ſie ſollen/ ſon- dern vielmehr wie ſie damalen geweſen ſeyen. Nicht zwar daß es ihnen an Witz und Verſtand ermangelt haͤtte/ ſondern vielmehr an pietet und Gottesfurcht. Wann wir betrachten werden derer Zeit Geſchich- ten/ muͤſſen wir nicht ohne Urſache derer uͤbel angewendeten Witz- verſtand gleichſam beweinen; in deme wir nothwendig dafuͤr halten muͤſſen/ daß ihre groſſe Weißheit dem gemeinen Weſen offtermalen mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich geweſen ſeye. Dergeſtalten daß wir dem hochweltverſtaͤndigen Platoni keines weges beypflichten koͤnnen/ der dafuͤr gehalten/ es were oder koͤnte kein Regiment gluͤckſe- lig ſeyn; es were dann/ daß Gelehrte regierten/ oder daß die Regenten gelehrt und Schriff[t]weiſe Leute weren. Da doch/ ſo viel uns beduncket/ vielmehr die jenige Beherrſchungen gluͤck- ſelig zu ſchaͤtzen/ darinnen Albertiſten/ das iſt/ die ſo deß ſubtilen Sco- ti nichtigen und nur zu der Eitelkeit angeſehene Spitzfindigkeiten un- wiſſende entweder regieren oder aber regieret werden. Dann die Buͤ- cher- und Schrifftgelehrige Leute gemeiniglich Luſt und Beliebung zu Neuerungen in den Regimentern haben und tragen; da doch die ge- ringſte Verneuer- und Berenderung bey den Regierungen gefaͤhrlich welche nites anders/ als neue Aufwicklũge/ dardurch der gemeine Mañ ſeines rechtmeynenden Eyfers gleichſam beraubet/ und zu neuer lang- wiger Gedult verwieſen und abgeſpeiſet wird. Dermaſſen/ daß es dz anſehen habe als wolten die Berge gebaͤren/ da doch kaum ein kleines elendes Maͤußlein herauß kreuchet/ und iſt dieſes deß gemeinen Poͤ- bels eigentliche Schwachheit/ daß er eher und mehr glaubet deme/ was er hoͤret/ als was er ſiehet. Dann es leicht nur mit wenigen die Augen zu verkleiſtern und zu verduͤſtern. So wil ſich es in alle Wege geziemen und gebuͤren/ dieſe jetzige Weltweiſe/ wie auch immer ſeye/ zu vertragen/ derer Beſſerung dann nicht ſo bald noch leicht zu hoffen iſt: als welcher dieſes ſchwere goͤttliche Geſetz vorgeſchrieben worden/ daß nach Art und Weiſe der Nachteulen/ je mehr ſie erleuchtet/ je mehr und mehr verfinſtert werde. Bey den Albanern und Thraciern/ (die heute zu Tage die Ungarn genennet werden moͤgen) iſt der gemeine Woll-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0564" n="522"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von der Einbildung.</hi></fw><lb/> gleichſam gequaͤlet/ ihnen vergeblichen einbildende/ daß alles ihr Un-<lb/> gluͤck/ Creutz/ Leyden/ Truͤbſal und Qual/ das ſie erdulden und erleiden<lb/> muͤſſen/ einig und alleine auß ſeinem Kopff und Gehirn geſponnen<lb/> und entſproſſen ſeye/ aber weit gefehlet/ dañ deß <hi rendition="#aq">Machiavelli</hi> Fuͤnd-<lb/> lein und falſche Regiergriffe nicht neue. Dann wann wir die vorige<lb/> und alte Zeiten beleuchten/ befindẽ und ſehen wir eben das alte Spiel/<lb/> wiewol von unterſchiedlichen Perſonen <hi rendition="#aq">agiret</hi> und geſpielet. Es hat<lb/> der <hi rendition="#aq">Machiavellus</hi> etliche Fuͤrſten in Jtalia/ derer Abgott/ Geld und<lb/> Gut/ der verkehrete Wille ein Geſetz/ der Ubermuth und Gewalt der<lb/> obriſte Befehlhaber/ Vermeſſenheit die groͤſſeſte Kunſt/ die Gewon-<lb/> heit die beſte Richtſchnur/ beſchreiben wollen/ nicht wie ſie ſollen/ ſon-<lb/> dern vielmehr wie ſie damalen geweſen ſeyen. Nicht zwar daß es ihnen<lb/> an Witz und Verſtand ermangelt haͤtte/ ſondern vielmehr an <hi rendition="#aq">pietet</hi><lb/> und Gottesfurcht. Wann wir betrachten werden derer Zeit Geſchich-<lb/> ten/ muͤſſen wir nicht ohne Urſache derer uͤbel angewendeten Witz-<lb/> verſtand gleichſam beweinen; in deme wir nothwendig dafuͤr halten<lb/> muͤſſen/ daß ihre groſſe Weißheit dem gemeinen Weſen offtermalen<lb/> mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich geweſen ſeye. Dergeſtalten daß wir dem<lb/> hochweltverſtaͤndigen <hi rendition="#aq">Platoni</hi> keines weges beypflichten koͤnnen/ der<lb/> dafuͤr gehalten/ <hi rendition="#fr">es were oder koͤnte kein Regiment gluͤckſe-<lb/> lig ſeyn; es were dann/ daß Gelehrte regierten/ oder daß<lb/> die Regenten gelehrt und Schriff<supplied>t</supplied>weiſe Leute weren.</hi> Da<lb/> doch/ ſo viel uns beduncket/ vielmehr die jenige Beherrſchungen gluͤck-<lb/> ſelig zu ſchaͤtzen/ darinnen Albertiſten/ das iſt/ die ſo deß ſubtilen <hi rendition="#aq">Sco-<lb/> ti</hi> nichtigen und nur zu der Eitelkeit angeſehene Spitzfindigkeiten un-<lb/> wiſſende entweder regieren oder aber regieret werden. Dann die Buͤ-<lb/> cher- und Schrifftgelehrige Leute gemeiniglich Luſt und Beliebung zu<lb/> Neuerungen in den Regimentern haben und tragen; da doch die ge-<lb/> ringſte Verneuer- und Berenderung bey den Regierungen gefaͤhrlich<lb/> welche nites anders/ als neue Aufwicklũge/ dardurch der gemeine Mañ<lb/> ſeines rechtmeynenden Eyfers gleichſam beraubet/ und zu neuer lang-<lb/> wiger Gedult verwieſen und abgeſpeiſet wird. Dermaſſen/ daß es dz<lb/> anſehen habe als wolten die Berge gebaͤren/ da doch kaum ein kleines<lb/> elendes Maͤußlein herauß kreuchet/ und iſt dieſes deß gemeinen Poͤ-<lb/> bels eigentliche Schwachheit/ daß er eher und mehr glaubet deme/<lb/> was er hoͤret/ als was er ſiehet. Dann es leicht nur mit wenigen die<lb/> Augen zu verkleiſtern und zu verduͤſtern. So wil ſich es in alle Wege<lb/> geziemen und gebuͤren/ dieſe jetzige Weltweiſe/ wie auch immer ſeye/<lb/> zu vertragen/ derer Beſſerung dann nicht ſo bald noch leicht zu hoffen<lb/> iſt: als welcher dieſes ſchwere goͤttliche Geſetz vorgeſchrieben worden/<lb/> daß nach Art und Weiſe der Nachteulen/ je mehr ſie erleuchtet/ je mehr<lb/> und mehr verfinſtert werde. Bey den Albanern und Thraciern/ (die<lb/> heute zu Tage die Ungarn genennet werden moͤgen) iſt der gemeine<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Woll-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [522/0564]
Von der Einbildung.
gleichſam gequaͤlet/ ihnen vergeblichen einbildende/ daß alles ihr Un-
gluͤck/ Creutz/ Leyden/ Truͤbſal und Qual/ das ſie erdulden und erleiden
muͤſſen/ einig und alleine auß ſeinem Kopff und Gehirn geſponnen
und entſproſſen ſeye/ aber weit gefehlet/ dañ deß Machiavelli Fuͤnd-
lein und falſche Regiergriffe nicht neue. Dann wann wir die vorige
und alte Zeiten beleuchten/ befindẽ und ſehen wir eben das alte Spiel/
wiewol von unterſchiedlichen Perſonen agiret und geſpielet. Es hat
der Machiavellus etliche Fuͤrſten in Jtalia/ derer Abgott/ Geld und
Gut/ der verkehrete Wille ein Geſetz/ der Ubermuth und Gewalt der
obriſte Befehlhaber/ Vermeſſenheit die groͤſſeſte Kunſt/ die Gewon-
heit die beſte Richtſchnur/ beſchreiben wollen/ nicht wie ſie ſollen/ ſon-
dern vielmehr wie ſie damalen geweſen ſeyen. Nicht zwar daß es ihnen
an Witz und Verſtand ermangelt haͤtte/ ſondern vielmehr an pietet
und Gottesfurcht. Wann wir betrachten werden derer Zeit Geſchich-
ten/ muͤſſen wir nicht ohne Urſache derer uͤbel angewendeten Witz-
verſtand gleichſam beweinen; in deme wir nothwendig dafuͤr halten
muͤſſen/ daß ihre groſſe Weißheit dem gemeinen Weſen offtermalen
mehr ſchaͤdlich als nuͤtzlich geweſen ſeye. Dergeſtalten daß wir dem
hochweltverſtaͤndigen Platoni keines weges beypflichten koͤnnen/ der
dafuͤr gehalten/ es were oder koͤnte kein Regiment gluͤckſe-
lig ſeyn; es were dann/ daß Gelehrte regierten/ oder daß
die Regenten gelehrt und Schrifftweiſe Leute weren. Da
doch/ ſo viel uns beduncket/ vielmehr die jenige Beherrſchungen gluͤck-
ſelig zu ſchaͤtzen/ darinnen Albertiſten/ das iſt/ die ſo deß ſubtilen Sco-
ti nichtigen und nur zu der Eitelkeit angeſehene Spitzfindigkeiten un-
wiſſende entweder regieren oder aber regieret werden. Dann die Buͤ-
cher- und Schrifftgelehrige Leute gemeiniglich Luſt und Beliebung zu
Neuerungen in den Regimentern haben und tragen; da doch die ge-
ringſte Verneuer- und Berenderung bey den Regierungen gefaͤhrlich
welche nites anders/ als neue Aufwicklũge/ dardurch der gemeine Mañ
ſeines rechtmeynenden Eyfers gleichſam beraubet/ und zu neuer lang-
wiger Gedult verwieſen und abgeſpeiſet wird. Dermaſſen/ daß es dz
anſehen habe als wolten die Berge gebaͤren/ da doch kaum ein kleines
elendes Maͤußlein herauß kreuchet/ und iſt dieſes deß gemeinen Poͤ-
bels eigentliche Schwachheit/ daß er eher und mehr glaubet deme/
was er hoͤret/ als was er ſiehet. Dann es leicht nur mit wenigen die
Augen zu verkleiſtern und zu verduͤſtern. So wil ſich es in alle Wege
geziemen und gebuͤren/ dieſe jetzige Weltweiſe/ wie auch immer ſeye/
zu vertragen/ derer Beſſerung dann nicht ſo bald noch leicht zu hoffen
iſt: als welcher dieſes ſchwere goͤttliche Geſetz vorgeſchrieben worden/
daß nach Art und Weiſe der Nachteulen/ je mehr ſie erleuchtet/ je mehr
und mehr verfinſtert werde. Bey den Albanern und Thraciern/ (die
heute zu Tage die Ungarn genennet werden moͤgen) iſt der gemeine
Woll-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |