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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Die erbare Hure.
Teufel die Leute zu allerhand Unzucht und Unreinigkeit treibe/ brau-
chet er dazu allerhand Mittel. Erstlich wirfft er eine Decke über Got-
tes Gebot/ daß sie nicht betrachten/ was das sey/ du solt nicht ehebre-
chen. Da bildet er jungen ledigen Personen ein/ dieses Gebot gehe nur
die Eheleut an. Ein junger Mensch/ der ausser der Ehe lebe/ könne
sich nicht allezeit an Himmel halten. Da kompt er zu manchem jun-
gen Weibe/ und bildet ihr ein/ Gott werde nit alles so genau in acht
nehmen; einmal oder zwey gehe wol hin. Dann sie sey ein junges
Blutreiches Weib/ und habe einen alten Mann.

Da kömpt er zu manchem jungen Mann/ und bläset ihm ein/
du hast ein altes/ kaltes/ ungestaltes/ garstiges Weib. Wie kanstu zu
solchem alten Pöckelfleische Lust und Liebe haben?

Vielen bildet er ein/ die Schönheit einer Person/ gestalt dann der Kö-
nig David durch die schöne Beine des Uriä Weibes/ und die alten
Richter durch die Schönheit der Susannä verführet worden. Man
findet in den Geschichten viele Beyspiele treflicher Leute/ die sich durch
der Weiber Schönheit betriegen lassen/ daß sie grosse Thorheit und
Schande durch des Teufels Eingeben begangen haben.

Offt dringet er auff die Wollust des Leibes und hauchet einem
ein: Du bist noch ein junger Geselle/ du bist noch ein junges blutrei-
ches Weib/ brauche dich deiner Jahre/ weil es dir so gut werden kan.
Du kanst wol wieder ablassen und from werden.

Vielen sperret er die Augen auff/ und weiset ihnen einen gros-
sen Hauffen der Weltkinder/ die in Unzucht leben. Vielen giebet er
die Gedancken ein: Du bist es doch nicht allein/ thun es doch andere
auch/ und eben diejenigen/ welche es andern verbieten sollen. Was
kan es dann dir schaden?

Wann sich jemand vor der offentlichen Unehre und Schande
fürchtet/ so machet er denselben einen Nebel für die Augen/ daß er ge-
dencket/ Ort und Stäte sey darnach/ daß es niemand leichtlich erfah-
re. Es seyn auch die Personen verschwiegen/ werden ihre eigene
Schande nicht entdecken/ und verblendet dann den Menschen also/
daß er vermeynet/ wann es nur heimlich bleibe/ sey es keine
Sünde.

Der verfluchte Geist bildet manchem ein/ er könne die Be-
schlaffene wol wieder ehren/ und zur Ehe nehmen/ oder weil er schon
mit ihr verlobet sey/ so könne er sich wol zu ihr halten/ das sey für
Gott keine Sünde.

Solche und viel andere Mittel brauchet der Teufel/ damit er
die Menschen ins Hureunetz bringe/ und solches treibet er mit aller
Gewalt. Dann er ist ein mächtig-arglistiger Geist/ ein Fürst der
Welt/ er gehet umher/ wie ein brüllender Löwe/ und suchet/ welchen

er

Die erbare Hure.
Teufel die Leute zu allerhand Unzucht und Unreinigkeit treibe/ brau-
chet er dazu allerhand Mittel. Erſtlich wirfft er eine Decke uͤber Got-
tes Gebot/ daß ſie nicht betrachten/ was das ſey/ du ſolt nicht ehebre-
chen. Da bildet er jungen ledigen Perſonen ein/ dieſes Gebot gehe nur
die Eheleut an. Ein junger Menſch/ der auſſer der Ehe lebe/ koͤnne
ſich nicht allezeit an Himmel halten. Da kompt er zu manchem jun-
gen Weibe/ und bildet ihr ein/ Gott werde nit alles ſo genau in acht
nehmen; einmal oder zwey gehe wol hin. Dann ſie ſey ein junges
Blutreiches Weib/ und habe einen alten Mann.

Da koͤmpt er zu manchem jungen Mann/ und blaͤſet ihm ein/
du haſt ein altes/ kaltes/ ungeſtaltes/ garſtiges Weib. Wie kanſtu zu
ſolchem alten Poͤckelfleiſche Luſt und Liebe haben?

Vielẽ bildet er ein/ die Schoͤnheit einer Perſon/ geſtalt dann der Koͤ-
nig David durch die ſchoͤne Beine des Uriaͤ Weibes/ und die alten
Richter durch die Schoͤnheit der Suſannaͤ verfuͤhret worden. Man
findet in den Geſchichten viele Beyſpiele treflicher Leute/ die ſich durch
der Weiber Schoͤnheit betriegen laſſen/ daß ſie groſſe Thorheit und
Schande durch des Teufels Eingeben begangen haben.

Offt dringet er auff die Wolluſt des Leibes und hauchet einem
ein: Du biſt noch ein junger Geſelle/ du biſt noch ein junges blutrei-
ches Weib/ brauche dich deiner Jahre/ weil es dir ſo gut werden kan.
Du kanſt wol wieder ablaſſen und from werden.

Vielen ſperꝛet er die Augen auff/ und weiſet ihnen einen groſ-
ſen Hauffen der Weltkinder/ die in Unzucht leben. Vielen giebet er
die Gedancken ein: Du biſt es doch nicht allein/ thun es doch andere
auch/ und eben diejenigen/ welche es andern verbieten ſollen. Was
kan es dann dir ſchaden?

Wann ſich jemand vor der offentlichen Unehre und Schande
fuͤrchtet/ ſo machet er denſelben einen Nebel fuͤr die Augen/ daß er ge-
dencket/ Ort und Staͤte ſey darnach/ daß es niemand leichtlich erfah-
re. Es ſeyn auch die Perſonen verſchwiegen/ werden ihre eigene
Schande nicht entdecken/ und verblendet dann den Menſchen alſo/
daß er vermeynet/ wann es nur heimlich bleibe/ ſey es keine
Suͤnde.

Der verfluchte Geiſt bildet manchem ein/ er koͤnne die Be-
ſchlaffene wol wieder ehren/ und zur Ehe nehmen/ oder weil er ſchon
mit ihr verlobet ſey/ ſo koͤnne er ſich wol zu ihr halten/ das ſey fuͤr
Gott keine Suͤnde.

Solche und viel andere Mittel brauchet der Teufel/ damit er
die Menſchen ins Hureunetz bringe/ und ſolches treibet er mit aller
Gewalt. Dann er iſt ein maͤchtig-argliſtiger Geiſt/ ein Fuͤrſt der
Welt/ er gehet umher/ wie ein bruͤllender Loͤwe/ und ſuchet/ welchen

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[509/0551] Die erbare Hure. Teufel die Leute zu allerhand Unzucht und Unreinigkeit treibe/ brau- chet er dazu allerhand Mittel. Erſtlich wirfft er eine Decke uͤber Got- tes Gebot/ daß ſie nicht betrachten/ was das ſey/ du ſolt nicht ehebre- chen. Da bildet er jungen ledigen Perſonen ein/ dieſes Gebot gehe nur die Eheleut an. Ein junger Menſch/ der auſſer der Ehe lebe/ koͤnne ſich nicht allezeit an Himmel halten. Da kompt er zu manchem jun- gen Weibe/ und bildet ihr ein/ Gott werde nit alles ſo genau in acht nehmen; einmal oder zwey gehe wol hin. Dann ſie ſey ein junges Blutreiches Weib/ und habe einen alten Mann. Da koͤmpt er zu manchem jungen Mann/ und blaͤſet ihm ein/ du haſt ein altes/ kaltes/ ungeſtaltes/ garſtiges Weib. Wie kanſtu zu ſolchem alten Poͤckelfleiſche Luſt und Liebe haben? Vielẽ bildet er ein/ die Schoͤnheit einer Perſon/ geſtalt dann der Koͤ- nig David durch die ſchoͤne Beine des Uriaͤ Weibes/ und die alten Richter durch die Schoͤnheit der Suſannaͤ verfuͤhret worden. Man findet in den Geſchichten viele Beyſpiele treflicher Leute/ die ſich durch der Weiber Schoͤnheit betriegen laſſen/ daß ſie groſſe Thorheit und Schande durch des Teufels Eingeben begangen haben. Offt dringet er auff die Wolluſt des Leibes und hauchet einem ein: Du biſt noch ein junger Geſelle/ du biſt noch ein junges blutrei- ches Weib/ brauche dich deiner Jahre/ weil es dir ſo gut werden kan. Du kanſt wol wieder ablaſſen und from werden. Vielen ſperꝛet er die Augen auff/ und weiſet ihnen einen groſ- ſen Hauffen der Weltkinder/ die in Unzucht leben. Vielen giebet er die Gedancken ein: Du biſt es doch nicht allein/ thun es doch andere auch/ und eben diejenigen/ welche es andern verbieten ſollen. Was kan es dann dir ſchaden? Wann ſich jemand vor der offentlichen Unehre und Schande fuͤrchtet/ ſo machet er denſelben einen Nebel fuͤr die Augen/ daß er ge- dencket/ Ort und Staͤte ſey darnach/ daß es niemand leichtlich erfah- re. Es ſeyn auch die Perſonen verſchwiegen/ werden ihre eigene Schande nicht entdecken/ und verblendet dann den Menſchen alſo/ daß er vermeynet/ wann es nur heimlich bleibe/ ſey es keine Suͤnde. Der verfluchte Geiſt bildet manchem ein/ er koͤnne die Be- ſchlaffene wol wieder ehren/ und zur Ehe nehmen/ oder weil er ſchon mit ihr verlobet ſey/ ſo koͤnne er ſich wol zu ihr halten/ das ſey fuͤr Gott keine Suͤnde. Solche und viel andere Mittel brauchet der Teufel/ damit er die Menſchen ins Hureunetz bringe/ und ſolches treibet er mit aller Gewalt. Dann er iſt ein maͤchtig-argliſtiger Geiſt/ ein Fuͤrſt der Welt/ er gehet umher/ wie ein bruͤllender Loͤwe/ und ſuchet/ welchen er

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/551>, abgerufen am 16.06.2024.