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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Die erbare Hure.
niemand mißfallen kan/ als den Phariseern und Sadduceern.

Wann andere Leute bey ihren Weibern geschlaffen und wol geru-
het haben/ habe ich unterweilens biß in die späte Nacht/ ja biß die
Morgenröthe wider hat anbrechen wollen/ gesessen/ und ein Tractät-
lein oder zwantzig in Lateinisch- oder Teutscher Sprache von unter-
schiedlichen nützlichen Dingen verfertiget. Dieselben wil ich nun mei-
ner dummen und unverständigen Mißgönner halben/ nicht unter die
Banck stecken/ sondern sie an deß Tagesliecht kommen lassen/ rum-
pantur ut ilia Momo.

Jch habe meinen Ehrentitul von zweyen unterschiedenen Univer-
sitäten in Teutschland/ welche im Namen der Römisch. Käyserl-
Maj. mir Freyheit gegeben haben/ nicht allein die heilige Schrifft
rein/ lauter und unverfälscht zu lehren/ sondern auch die freyen Kün-
sten und andere Philosophische Wissenschafften nach meinem Ver-
mögen fortzupflantzen. Wer mir nicht erweisen kan/ daß ich etwas ge-
schrieben hab wider Gottes Wort/ wider die Augspurgische Confes-
sion/ und wider die gesunde Vernunfft/ und wil mir gleichwol meine
Feder auß den Händen reissen/ oder mich zwingen/ daß ich meinen
Stylum nach seinem Lyripipio formire/ der übet an mir eine Päbsti-
sche Tyranney/ und ich wil es/ wo ich Leben und Athem behalte/ dem
Röm. Käyser klagen. Jch stelle einem jeden frey/ wie er stylistren wol-
le/ also sol und muß auch mir ein jeder diese Freyheit lassen.

Wer hat hiebevor Joh. Reuchlin und Erasmum von Roterdam
gezwungen/ daß sie also stylisiren solten/ wie M. Ortwinus Gratius,
Johann Pfefferkorn und andere Mückensäuger und Camelschlucker?
Jch halte dafür/ daß Reuchlin und Erasmus/ dem Pabstthumb fast
eben so grossen Abbruch mit ihrem Schertz gethan haben/ als Luthe-
rus mit seinem Ernst und Eyfer. Wem meine Schrifften mißgefal-
len/ der lasse sie ungelesen.

Jn den Seestädten sind viel Kutscher/ Kornträger und andere
muthwillige Knechte und Mägde/ welche keine Heringe fressen wol-
len. Allein wann in Thüringen ein Edelmann oder Prälat einen fri-
schen Hering auff der Tafel hat/ lecket er die Finger darnach. Sol
man nun umb deß gemeinen Volckes willen/ in den Seestädten den
Heringsfang verbieten? Das were manchem vornehmen und ehrli-
chen Thüringer ungelegen/ welcher offt einen Braten stehen lässet/
und sich mit einem Hering vergnüget.

Jch wil dir sagen/ edler Nicodeme/ was mich dazu getrieben habe/
das Leben der Corinnä zubeschreiben/ und dieses Tractätlein
meinem Diener in die Feder zu dictiren. Jch kenne zwey vornch-
me Damen/
welche auß zweyen alten Häusern entsprossen. Allein

sie sind

Die erbare Hure.
niemand mißfallen kan/ als den Phariſeern und Sadduceern.

Wann andere Leute bey ihren Weibern geſchlaffen und wol geru-
het haben/ habe ich unterweilens biß in die ſpaͤte Nacht/ ja biß die
Morgenroͤthe wider hat anbrechen wollen/ geſeſſen/ und ein Tractaͤt-
lein oder zwantzig in Lateiniſch- oder Teutſcher Sprache von unter-
ſchiedlichen nuͤtzlichen Dingen verfertiget. Dieſelben wil ich nun mei-
ner dummen und unverſtaͤndigen Mißgoͤnner halben/ nicht unter die
Banck ſtecken/ ſondern ſie an deß Tagesliecht kommen laſſen/ rum-
pantur ut ilia Momo.

Jch habe meinen Ehrentitul von zweyen unterſchiedenen Univer-
ſitaͤten in Teutſchland/ welche im Namen der Roͤmiſch. Kaͤyſerl-
Maj. mir Freyheit gegeben haben/ nicht allein die heilige Schrifft
rein/ lauter und unverfaͤlſcht zu lehren/ ſondern auch die freyen Kuͤn-
ſten und andere Philoſophiſche Wiſſenſchafften nach meinem Ver-
moͤgen fortzupflantzen. Wer mir nicht erweiſen kan/ daß ich etwas ge-
ſchrieben hab wider Gottes Wort/ wider die Augſpurgiſche Confeſ-
ſion/ und wider die geſunde Vernunfft/ und wil mir gleichwol meine
Feder auß den Haͤnden reiſſen/ oder mich zwingen/ daß ich meinen
Stylum nach ſeinem Lyripipio formire/ der uͤbet an mir eine Paͤbſti-
ſche Tyranney/ und ich wil es/ wo ich Leben und Athem behalte/ dem
Roͤm. Kaͤyſer klagen. Jch ſtelle einem jeden frey/ wie er ſtyliſtren wol-
le/ alſo ſol und muß auch mir ein jeder dieſe Freyheit laſſen.

Wer hat hiebevor Joh. Reuchlin und Eraſmum von Roterdam
gezwungen/ daß ſie alſo ſtyliſiren ſolten/ wie M. Ortwinus Gratius,
Johann Pfefferkorn und andere Muͤckenſaͤuger und Camelſchlucker?
Jch halte dafuͤr/ daß Reuchlin und Eraſmus/ dem Pabſtthumb faſt
eben ſo groſſen Abbruch mit ihrem Schertz gethan haben/ als Luthe-
rus mit ſeinem Ernſt und Eyfer. Wem meine Schrifften mißgefal-
len/ der laſſe ſie ungeleſen.

Jn den Seeſtaͤdten ſind viel Kutſcher/ Korntraͤger und andere
muthwillige Knechte und Maͤgde/ welche keine Heringe freſſen wol-
len. Allein wann in Thuͤringen ein Edelmann oder Praͤlat einen fri-
ſchen Hering auff der Tafel hat/ lecket er die Finger darnach. Sol
man nun umb deß gemeinen Volckes willen/ in den Seeſtaͤdten den
Heringsfang verbieten? Das were manchem vornehmen und ehrli-
chen Thuͤringer ungelegen/ welcher offt einen Braten ſtehen laͤſſet/
und ſich mit einem Hering vergnuͤget.

Jch wil dir ſagen/ edler Nicodeme/ was mich dazu getrieben habe/
das Leben der Corinnaͤ zubeſchreiben/ und dieſes Tractaͤtlein
meinem Diener in die Feder zu dictiren. Jch kenne zwey vornch-
me Damen/
welche auß zweyen alten Haͤuſern entſproſſen. Allein

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/542>, abgerufen am 23.06.2024.