Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Die erbare Hure. seyn/ der wider die alte löbliche Gewonheit/ wider das Herkom-men sündigen sol/ oder ich wil ihn mit diesem meinem Hammer die Hirnschale entzwey schlagen. Darauff schrieb er alsbald an seinen Sohn: Lieber Sohn/ ich vernehme ungern/ daß du Doctor werden wollest/ ich habe alle meine Zunfftbrüder/ sonderlich den alten Mei- ster Peter gefraget/ was sie darumb düncke? welche einmütiglich mit geantwortet/ daß das nicht Herkommens in dieser Stadt sey/ daß der Schmide Kinder Doctor werden. Als bitte und ermahne ich dich väterlich und treulich/ daß du dei- Sage mir doch/ Edler Nicodeme/ wer kan mich darzu zwingen/ Jch erinnere mich itzo an die Worte/ welche der Herold zu Babel/ Habe ich in meinen Tractätlein unrecht geredet/ so beweiset mir niemand J i ij
Die erbare Hure. ſeyn/ der wider die alte loͤbliche Gewonheit/ wider das Herkom-men ſuͤndigen ſol/ oder ich wil ihn mit dieſem meinem Hammer die Hirnſchale entzwey ſchlagen. Darauff ſchrieb er alsbald an ſeinen Sohn: Lieber Sohn/ ich vernehme ungern/ daß du Doctor werden wolleſt/ ich habe alle meine Zunfftbruͤder/ ſonderlich den alten Mei- ſter Peter gefraget/ was ſie darumb duͤncke? welche einmuͤtiglich mit geantwortet/ daß das nicht Herkommens in dieſer Stadt ſey/ daß der Schmide Kinder Doctor werden. Als bitte und ermahne ich dich vaͤterlich und treulich/ daß du dei- Sage mir doch/ Edler Nicodeme/ wer kan mich darzu zwingen/ Jch erinnere mich itzo an die Worte/ welche der Herold zu Babel/ Habe ich in meinen Tractaͤtlein unrecht geredet/ ſo beweiſet mir niemand J i ij
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Die erbare Hure.
ſeyn/ der wider die alte loͤbliche Gewonheit/ wider das Herkom-
men ſuͤndigen ſol/ oder ich wil ihn mit dieſem meinem Hammer die
Hirnſchale entzwey ſchlagen. Darauff ſchrieb er alsbald an ſeinen
Sohn: Lieber Sohn/ ich vernehme ungern/ daß du Doctor werden
wolleſt/ ich habe alle meine Zunfftbruͤder/ ſonderlich den alten Mei-
ſter Peter gefraget/ was ſie darumb duͤncke? welche einmuͤtiglich mit
geantwortet/ daß das nicht Herkommens in dieſer Stadt ſey/
daß der Schmide Kinder Doctor werden.
Als bitte und ermahne ich dich vaͤterlich und treulich/ daß du dei-
nem Vaterlande den Schimpff nicht anhaͤngeſt/ und etwas neues an-
fangeſt. Jch rathe dir auch treulich/ daß du nicht naſeweiſer werdeſt/
weder unſer Stadtſchreiber und der alte Procurator/ Schreiber
Hans/ derer keiner ein Doctor iſt/ und ſind doch ehrliche vornehme
Leute/ welche gnugſam in die Milch zubrocken haben. Wirſt du mei-
ner vaͤterlichen Vermahnung zuwider handeln/ ſo wil ich dich vor
meinen Sohn nicht erkennen. Gott befohlen. Jch kan nicht gnugſam
außſprechen/ wie der ehrliche Kerl betruͤbet war/ als er dieſen ſeines
einfaͤltigen Vaters Briefflaſe.
Sage mir doch/ Edler Nicodeme/ wer kan mich darzu zwingen/
daß ich vor dem Abgort welcher das Herkommen genennet
wird/ niderfalle und ihn anbete/ eben wie die Leute im Koͤnigreich Jſ-
rael/ ihre Knie fuͤr dem Baal beugeten/ und ihn kuͤſſeten/ wann es die
Koͤnigin Jeſabel befahl/ 1. Koͤn. 9/18.
Jch erinnere mich itzo an die Worte/ welche der Herold zu Babel/
Dan. 3/4. 5. gebrauchete und uͤberlaut rieff/ das laſſet euch geſaget
ſeyn/ ihr Voͤlcker/ Leute und Zungen/ wann ihr hoͤren werdet/ den
Schall der Poſaunen/ Trompeten/ Harffen/ Geigen/ Pſalter/ Lau-
ten und allerhand Seitenſpiel/ ſo ſollet ihr niderfallen/ und das guͤlde-
ne Bild anbeten/ das der Koͤnig Nebucadnezar hat ſetzen laſſen. Sol
ich nun auch alsbald anbeten das Goͤtzenbild/ nemlich das Her-
kommen/ welches der gemeine Mann in Staͤdten und Doͤrffern
auffgerichtet hat.
Habe ich in meinen Tractaͤtlein unrecht geredet/ ſo beweiſet mir
es: habe ich aber recht geredet/ warumb ſchlaͤget mich dann mancher
mit ſeiner gifftigẽ Zunge? Jch bin nit unter Schulfuͤchſen hinder dem
Ofen auffgewachſen/ ſondern unter allerhand Standes-Perſonen/
und kenne die Welt. Die Erfahrung hat mich gelehret/ daß die Welt
voll Phariſeiſcher Muͤckenſaͤuger und Sadduceiſcher Camelſchlu-
cker ſey. Daß ich nun ſo wol den Muͤckenſaͤugern als den Camelver-
ſchluckern die Larve vom Angeſicht reiſſe/ ſie mit Farben abmahle/
und ſie gern zu Erkaͤntnuͤs ihrer ſelbſt bringen/ meinen Neheſten war-
nen/ uñ deß Teuffels Reich zerſtoͤren wolte/ das iſt ein Werck/ welches
niemand
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