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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Die erbare Hure.

Jch kenne einen guten Mann/ der heisset Petrus Tornarius,
welcher etlichmal in Spanien/ Portugal/ in Jtalien gewesen/ kan
wol rechnen und schreiben/ und die Commissiones (Verrichtungen)
welche ihm die Kauffleute aufftragen/ hat er offt sehr wol außgerich-
tet. Allein/ er hat unterweilen seine sonderliche raptus, insonderheit
kan er die Juden nicht erdulden.

Einsmals kam er auß der Kirchen in meine Behausung/ warff sei-
nen Hut auff den Tisch/ war sehr grimmig und zornig/ und sagte: Ni-
nive du bist reiff zur Straffe! Es wird nicht lange anstehen/ Gott
muß dich wie Sodoma und Gomorra straffen. Da bin ich in der Kir-
che gewesen/ da sagte einer/ Christus komme nach dem Fleisch von den
Jüden her! Sol mein Erlöser und Seligmacher von den Schel-
men/ den Jüden herkommen?

Wann nun jemand diese Schrifft von der Corinna liset/ der ein ju-
dicium
hat/ wie Petrus Tornarius oder von Affecten und praecon-
ceptis opinionibus
truncken ist/ und sich daran ärgert/ mit dem muß
man billich Mitleiden tragen: wer aber gesunden Verstand/ und
nur so viel Gehirn in seinem Kopff hat/ als eine Martinsgans/ und
ohn Affecten urtheilen und richten wil/ der wird leichtlich sehen/ daß
es eine Schrifft/ gleich einer Tragoediae sey/ darin eine Mutter und
Tochter auff den Schauplatz bracht worden! welche vermeynen/ weil
sie fleissig zur Kirche gehen/ fleissig in Bethüchern lesen/ Morgens
und Abends geistliche Lieder singen/ sich ander Tugenden befleissigen/
so könne ihnen die Hurerey nicht schaden/ dann sie müssen es auß
Noth thun/ und triebe sie die bittere Armut dazu.

Solchen Leuten habe ich gleichsam in einem Spiegel zeigen wol-
len/ was auff solche Arbeit/ und auff solche Handthierung erfolge/ und
daß die jenige Hure/ Ehebrecherin und Kuplerin für glückselig zu
schätzen sey: welche Gott in dieser Welt/ mit Frantzofen Kranckheit/
mit Armut/ mit Verachtung und andern Straffen beleget/ und ihrer
dort in jenem ewigen Todte/ mit dem höllischen Feeuer verschonet.
Allein/ Ehrenhold konte nicht gehöret werden.

Er gieng zu Nicodemo einem fürtrefflichen Rechtserfahrnen und
hochgelehrten Politico, welcher sonst bey seinen Freunden von Eh-
renholds Schrifften gar honorifice judicirte, aber er wolte es nicht
offentlich sagen/ auß Furcht für den Jüden. Nicodemus empfieng den
Ehrenhold freundlich und sagte: Mein guter Ehrenhold/ ich mercke
wol deine gute intention. Du wilt die bittere Warheit mit Zucker
überziehen. Es ist ein sonderlich genus scribendi, dessen Barclajus
in seiner Argenide; und der sinnreiche Jtalianer Trajanus Bocca-
lini
in seinen Zeitungen auß dem Parnaß/ sich gebrauchen.

Jch mercke/ daß du dieser Art zu schreiben/ in Teutscher Sprache

wollest
Die erbare Hure.

Jch kenne einen guten Mann/ der heiſſet Petrus Tornarius,
welcher etlichmal in Spanien/ Portugal/ in Jtalien geweſen/ kan
wol rechnen und ſchreiben/ und die Commiſſiones (Verrichtungen)
welche ihm die Kauffleute aufftragen/ hat er offt ſehr wol außgerich-
tet. Allein/ er hat unterweilen ſeine ſonderliche raptus, inſonderheit
kan er die Juden nicht erdulden.

Einsmals kam er auß der Kirchen in meine Behauſung/ warff ſei-
nen Hut auff den Tiſch/ war ſehr grimmig und zornig/ und ſagte: Ni-
nive du biſt reiff zur Straffe! Es wird nicht lange anſtehen/ Gott
muß dich wie Sodoma und Gomorra ſtraffen. Da bin ich in der Kir-
che geweſen/ da ſagte einer/ Chriſtus komme nach dem Fleiſch von den
Juͤden her! Sol mein Erloͤſer und Seligmacher von den Schel-
men/ den Juͤden herkommen?

Wann nun jemand dieſe Schrifft von der Corinna liſet/ der ein ju-
dicium
hat/ wie Petrus Tornarius oder von Affecten und præcon-
ceptis opinionibus
truncken iſt/ und ſich daran aͤrgert/ mit dem muß
man billich Mitleiden tragen: wer aber geſunden Verſtand/ und
nur ſo viel Gehirn in ſeinem Kopff hat/ als eine Martinsgans/ und
ohn Affecten urtheilen und richten wil/ der wird leichtlich ſehen/ daß
es eine Schrifft/ gleich einer Tragœdiæ ſey/ darin eine Mutter und
Tochter auff den Schauplatz bracht worden! welche vermeynen/ weil
ſie fleiſſig zur Kirche gehen/ fleiſſig in Bethuͤchern leſen/ Morgens
und Abends geiſtliche Lieder ſingen/ ſich ander Tugenden befleiſſigen/
ſo koͤnne ihnen die Hurerey nicht ſchaden/ dann ſie muͤſſen es auß
Noth thun/ und triebe ſie die bittere Armut dazu.

Solchen Leuten habe ich gleichſam in einem Spiegel zeigen wol-
len/ was auff ſolche Arbeit/ und auff ſolche Handthierung erfolge/ und
daß die jenige Hure/ Ehebrecherin und Kuplerin fuͤr gluͤckſelig zu
ſchaͤtzen ſey: welche Gott in dieſer Welt/ mit Frantzofen Kranckheit/
mit Armut/ mit Verachtung und andern Straffen beleget/ und ihrer
dort in jenem ewigen Todte/ mit dem hoͤlliſchen Feeuer verſchonet.
Allein/ Ehrenhold konte nicht gehoͤret werden.

Er gieng zu Nicodemo einem fuͤrtrefflichen Rechtserfahrnen und
hochgelehrten Politico, welcher ſonſt bey ſeinen Freunden von Eh-
renholds Schrifften gar honorificè judicirte, aber er wolte es nicht
offentlich ſagen/ auß Furcht fuͤr den Juͤden. Nicodemus empfieng den
Ehrenhold freundlich und ſagte: Mein guter Ehrenhold/ ich mercke
wol deine gute intention. Du wilt die bittere Warheit mit Zucker
uͤberziehen. Es iſt ein ſonderlich genus ſcribendi, deſſen Barclajus
in ſeiner Argenide; und der ſinnreiche Jtalianer Trajanus Bocca-
lini
in ſeinen Zeitungen auß dem Parnaß/ ſich gebrauchen.

Jch mercke/ daß du dieſer Art zu ſchreiben/ in Teutſcher Sprache

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[495/0537] Die erbare Hure. Jch kenne einen guten Mann/ der heiſſet Petrus Tornarius, welcher etlichmal in Spanien/ Portugal/ in Jtalien geweſen/ kan wol rechnen und ſchreiben/ und die Commiſſiones (Verrichtungen) welche ihm die Kauffleute aufftragen/ hat er offt ſehr wol außgerich- tet. Allein/ er hat unterweilen ſeine ſonderliche raptus, inſonderheit kan er die Juden nicht erdulden. Einsmals kam er auß der Kirchen in meine Behauſung/ warff ſei- nen Hut auff den Tiſch/ war ſehr grimmig und zornig/ und ſagte: Ni- nive du biſt reiff zur Straffe! Es wird nicht lange anſtehen/ Gott muß dich wie Sodoma und Gomorra ſtraffen. Da bin ich in der Kir- che geweſen/ da ſagte einer/ Chriſtus komme nach dem Fleiſch von den Juͤden her! Sol mein Erloͤſer und Seligmacher von den Schel- men/ den Juͤden herkommen? Wann nun jemand dieſe Schrifft von der Corinna liſet/ der ein ju- dicium hat/ wie Petrus Tornarius oder von Affecten und præcon- ceptis opinionibus truncken iſt/ und ſich daran aͤrgert/ mit dem muß man billich Mitleiden tragen: wer aber geſunden Verſtand/ und nur ſo viel Gehirn in ſeinem Kopff hat/ als eine Martinsgans/ und ohn Affecten urtheilen und richten wil/ der wird leichtlich ſehen/ daß es eine Schrifft/ gleich einer Tragœdiæ ſey/ darin eine Mutter und Tochter auff den Schauplatz bracht worden! welche vermeynen/ weil ſie fleiſſig zur Kirche gehen/ fleiſſig in Bethuͤchern leſen/ Morgens und Abends geiſtliche Lieder ſingen/ ſich ander Tugenden befleiſſigen/ ſo koͤnne ihnen die Hurerey nicht ſchaden/ dann ſie muͤſſen es auß Noth thun/ und triebe ſie die bittere Armut dazu. Solchen Leuten habe ich gleichſam in einem Spiegel zeigen wol- len/ was auff ſolche Arbeit/ und auff ſolche Handthierung erfolge/ und daß die jenige Hure/ Ehebrecherin und Kuplerin fuͤr gluͤckſelig zu ſchaͤtzen ſey: welche Gott in dieſer Welt/ mit Frantzofen Kranckheit/ mit Armut/ mit Verachtung und andern Straffen beleget/ und ihrer dort in jenem ewigen Todte/ mit dem hoͤlliſchen Feeuer verſchonet. Allein/ Ehrenhold konte nicht gehoͤret werden. Er gieng zu Nicodemo einem fuͤrtrefflichen Rechtserfahrnen und hochgelehrten Politico, welcher ſonſt bey ſeinen Freunden von Eh- renholds Schrifften gar honorificè judicirte, aber er wolte es nicht offentlich ſagen/ auß Furcht fuͤr den Juͤden. Nicodemus empfieng den Ehrenhold freundlich und ſagte: Mein guter Ehrenhold/ ich mercke wol deine gute intention. Du wilt die bittere Warheit mit Zucker uͤberziehen. Es iſt ein ſonderlich genus ſcribendi, deſſen Barclajus in ſeiner Argenide; und der ſinnreiche Jtalianer Trajanus Bocca- lini in ſeinen Zeitungen auß dem Parnaß/ ſich gebrauchen. Jch mercke/ daß du dieſer Art zu ſchreiben/ in Teutſcher Sprache wolleſt

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/537>, abgerufen am 22.11.2024.