Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Die erbare Hure. nunmehro eine Käyserin. Jhre Mutter schickte alsbald einen halbenReichsthaler ins Hospital/ und ließ dancken für eine Sache/ daran Witwen und Wäysen gelegen sey/ welche in guter Besserung stehe. Es kam Thais/ eine berühmte Kuplerin/ welcher etliche Kna- Es war kaum eine Stunde verflossen/ da Corydon/ eines Sei- ter H h
Die erbare Hure. nunmehro eine Kaͤyſerin. Jhre Mutter ſchickte alsbald einen halbenReichsthaler ins Hoſpital/ und ließ dancken fuͤr eine Sache/ daran Witwen und Waͤyſen gelegen ſey/ welche in guter Beſſerung ſtehe. Es kam Thais/ eine beruͤhmte Kuplerin/ welcher etliche Kna- Es war kaum eine Stunde verfloſſen/ da Corydon/ eines Sei- ter H h
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Die erbare Hure.
nunmehro eine Kaͤyſerin. Jhre Mutter ſchickte alsbald einen halben
Reichsthaler ins Hoſpital/ und ließ dancken fuͤr eine Sache/ daran
Witwen und Waͤyſen gelegen ſey/ welche in guter Beſſerung ſtehe.
Es kam Thais/ eine beruͤhmte Kuplerin/ welcher etliche Kna-
ben auff der Straſſe nachlieffen/ ſie mit Steinen warffen/ und rieffen:
Da gehet die Frau hin/ welche den Jungfern die Kinder abtreibet/
jetzo ſol ſie in die Buͤtteley gefuͤhret werden. Thais nahm ihre Zuflucht
in Crobyle Hauß/ Crobyle erinnerte ſie der alten gepflogenen Freund-
ſchafft/ und ſagte: Liebſte Gefatterin/ ich bin eine arme Wittwe/ thut
ein Werck der Barmhertzigkeit an mir und weiſet mir Nahrung zu
vor andern/ und ſehet da meine Tochter Corinna/ die iſt nun ſo weit
kommen/ daß ſie ein Stuͤck Brod verdienen kan/ meine liebſte Gefat-
terin/ goͤnnet ihr die Nahrung fuͤr andern auch bekanten Jungfern.
Die Kuplerin ſchwur bey Stein und Bein daß/ eher der Hahn zwey-
mal krehe/ ſie ihre Affection gegen Mutter und Tochter nicht im Wor-
te/ ſondern im Werck bezeugen wolle/ damit nahm ſie alsbald Ab-
ſchied/ und verſprach ihnen/ des andern Tages wiederum die Viſite
zu geben.
Es war kaum eine Stunde verfloſſen/ da Corydon/ eines Sei-
denkramers Sohn ſich bey Crobyle anmeldete/ und ſagte/ daß Thais
ſeiner Mutter Schweſter ſey. Und weil er hoͤre/ daß Crobyle ihre gute
Freundin ſey/ wolle er auch gute Freundſchafft mit ihr und den ihri-
gen machen. Und nach vielen gewechſelten Complementen vereh-
rete er Corinna/ welche er auch fuͤr eine Schweſter angenommen hat-
te/ ein Stuͤck Atlaß/ ein paar ſeidene Struͤmpffe/ und zehen ſtuͤcker
Band. Corinna ſahe es mit Verwunderung an/ und ſagte: Bruder
Corydon/ hat dir das dein Vater geben? Nein/ ſagte Corydon/ das
muß man die Alten nicht wiſſen laſſen/ mein Vater iſt ſo karg und
geitzig/ daß er ſein Lebtage keine ſeidene Struͤmpffe an ſeine Fuͤſſe ge-
zogen/ er weiß nicht/ wie er ſich ſein Geld und Gut zu nutze machen
ſolle. Er hat Geld im Kaſten/ allein der Teufel hat den Schluͤſſel dar-
zu/ aber mir hat Gott die Gnade gegeben/ daß ich weiß/ wie man Geld
und Gut wol anlegen und gebrauchen ſolle/ darum nim/ meine
Schweſter Corinna/ dieſe geringe Gabe von der Hand deines Bru-
ders/ welcher dir biß in den Tod getreu und auffwaͤrtig bleiben wird.
Corinna hatte noch ein Fuͤncklein eines Gewiſſens bey ihr/ und ſagte:
Bruder Corydon/ ich bin juͤngſt in der Kirche geweſen/ da der Prieſter
Ehrenhold gewaltig ſchalt die Kinder/ welche ihren Eltern etwas
heimlich entwenden/ und zog den Spruch an aus Proverb. am 25.
Cap. Wer Vater und Mutter nimmet/ und ſpricht/ es iſt nicht Suͤn-
de/ der iſt des Verderbens Geſell. Und dieſen Spruch fuͤhrte er alſo
auß/ daß ich lieber Hunger und Durſt leiden wolte/ als meiner Mut-
ter
H h
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