Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Die erbare Hure. Kindern mit ihrer Milch gleichsam eingiessen/ die Kinder aber hin-wiederum die Liebe von ihnen säugen. Es wird eine jegliche säugende Mutter in der That erfahren Wie offt geschicht es/ daß eine Mutter viel Kinder hat/ und eines Jhr Mütter/ übel/ übel handelt ihr an euren Kindern/ wann ihr Daß
Die erbare Hure. Kindern mit ihrer Milch gleichſam eingieſſen/ die Kinder aber hin-wiederum die Liebe von ihnen ſaͤugen. Es wird eine jegliche ſaͤugende Mutter in der That erfahren Wie offt geſchicht es/ daß eine Mutteꝛ viel Kinder hat/ und eines Jhr Muͤtter/ uͤbel/ uͤbel handelt ihr an euren Kindern/ wann ihr Daß
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Die erbare Hure.
Kindern mit ihrer Milch gleichſam eingieſſen/ die Kinder aber hin-
wiederum die Liebe von ihnen ſaͤugen.
Es wird eine jegliche ſaͤugende Mutter in der That erfahren
und geſtehen muͤſſen/ daß/ in dem ſie ihr Kind ſaͤuget/ ſo werde ihre
Liebe gegen das Kind mercklich entzuͤndet und vermehret/ und wann
das Kind an ihren Bruͤſten eine zeitlang gehangen und geſogen/ ſo
oͤffne ihr Hertz alſo ſich gegen ihr Kind/ daß ſie faſt nicht ſatt werden
kan daſſelbige zu kuͤſſen und zu lieben. Es bezeuget auch die Erfah-
rung daß die Kinder/ welche ihre Mutter ſelbſt geſaͤuget hat
die Mutter mehr lieben/ als die jenige/ welche von einer
Amme geſaͤuget ſeyn. Und wie kan es eine Mutter uͤber ihr Hertz
bringen/ wenn ſie ihr Kind in ihren Armen haͤlt/ und das ſchreyet um
die Mutter Bruͤſte/ die ihm von Gott/ Natur und Rechtswegen ge-
buͤhren/ daß ſie ihm dieſelbe verſagt? O du unbarmhertzige Mutter/
wann du dein Kind alſo ſchreyen und weinen hoͤreſt/ ſo wiſſe/ daß dei-
ne Unbarmhertzigkeit deine Untreue fuͤr Gott und Menſchen ankla-
ge/ und dir verweiſe/ daß du dein Muͤtterliches Ampt verlaſſeſt/ und
nicht thuſt/ wie eine Mutter an ihrem leiblichen Kinde billich thun
ſolte.
Wie offt geſchicht es/ daß eine Mutteꝛ viel Kinder hat/ und eines
nicht geſinnet wie das andere/ das koͤmt offtmals her von den unter-
ſchiedenen Ammen/ und ſchlagen die Kinder offt mehr den Ammen
nach/ als der Mutter. Das Kaͤyſer Tyberius ſo ſtarck geſoffen/ das
haben die Roͤmer ſeiner verſoffenen Amme zugeſchrieben/ welche den
Kannen gern den Boden beſehen. Man probire es nur/ und laſſe eine
junge Ziege an einem Schaafe ſaugen/ man wird befinden/ daß ſie ſo
feine gelinde Haar bekommen werde/ wie die Wolle: Hergegen laſſe
man ein Lamb an einer Ziege ſaugen/ und ſehe/ ob die Wolle werde
ſeyn wie andere Wolle.
Jhr Muͤtter/ uͤbel/ uͤbel handelt ihr an euren Kindern/ wann ihr
ſie nicht ſelbſt ſaͤuget. Jhr handelt an dieſem Stuͤck wider Gottes
Ordnung. Gott hat es alſo nach ſeinem heiligen Rath und Willen
verordnet/ daß die Muͤtter die Kinder nicht allein zur Welt tragen
und gebaͤhren/ ſondern auch mit ihrer Muͤtterlichen Milch und Spei-
ſe ernehren ſollen. Ein Drache iſt ein boͤſes Thier/ gleichwol ſaͤuget
und ernehret er ſeine Jungen ſelbſt. Dann Jeremias in den Klagl. c.
4. v. 3. 4. ſaget. Die Drachen reichen ihre Bruͤſte den Jungen dar/ uñ
ſaͤugen ſie: Aber die Tochter meines Volcks muß unbarmhertzig ſeyn/
wie ein Straus in der Wuͤſten. Von dem Strauſſe lieſet man nicht
allein in dem Buch Hiob. c. 39. ſondern auch von Alberto Magno,
und andern Naturkuͤndigern/ daß er ſeine Eyer auff die Erde in den
Sand lege/ und verlaſſe ſie/ wenn ſie von der Sonnen erhitzt ſeyn.
Daß
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